Was heisst nie nie

Kommentar Rosige Aussichten für die PDS

Das jüngste Politbarometer sieht die Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, die SPD zwischen blauem Brief und NPD-Verbotspannen in Not geraten, Stoibers Aussichten im Osten auch nach seiner Stippvisite in Mecklenburg-Vorpommern nicht wesentlich im Aufwind. Die Werte für die PDS allerdings bleiben seit Monaten stabil: etwa sechs Prozent landesweit. Umfragewerte dieser Art sind umso unverbindlicher, je weiter im Vorfeld von Wahlen sie eingeholt werden. Aber sie verführen, wie´s scheint, zum Träumen: PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch findet die Aussichten seiner Partei so rosig, dass er nicht darauf verzichten mag, eine solche Koalition aus Gründen roten Machterhalts für möglich zu halten. Bartsch ficht nicht an, dass Bundeskanzler Schröder mit Blick auf die eigenen Wahlchancen hektisch abwiegelt, ein Bündnis definitiv ausschließt. Bartsch schließt gar nichts aus und packt das in die schöne Formulierung: Man dürfe "nie nie sagen". Natürlich weiß er, dass der Absturz der Grünen unter anderem damit zu tun hat, dass die einstigen Seiteneinsteiger ihr Image zerkratzt und wichtige Programmpunkte über Bord geworfen haben. Wahrscheinlich weiß er auch, dass die PDS einer ähnlichen Gefahr ausgesetzt wäre, wenn das Programm zur Disposition stünde. Jedenfalls nennt er "Unterschiede in der Außen- und Sicherheitspolitik, die eine Koalition unmöglicht machten". Was aber heißt dann: Nie nie sagen? Im Vorfeld Programmbälle jonglieren und im Ernstfall fallen lassen? Auch eine Partei, die stärkste Kraft im Osten würde, was noch längst nicht ausgemacht ist, wäre nichts anderes als Juniorpartner. Außerstande, mehr als Teile des eigenen Programms anzupeilen, von umsetzen gar nicht zu reden. Eingebunden in ein Konvolut von innen- wie außenpolitischen Abkommen und Verträgen, kaum zu kündigen oder zu stoppen. "Wir würden ja, wenn wir könnten" als ständige Rechtfertigung einer Regierungspartei verliert schnell an Glaubwürdigkeit. Was also heißt "Nie, nie"? Die Augen aus der Achse drehen, damit Schielen auf Regierungsbeteiligung zum Normalzustand wird? Von der SPD haben viele nichts anderes erwartet, als übliche Machtpolitik mit einem größeren Augenmerk auf Arbeitsplätze. Und auch das hat sich als trügerisch erwiesen. Will die PDS sich eine andere SPD gleich mit träumen? Auch Ostdeutsche sind nicht bereit, jeden Kompromiss zu honorieren. Auf die Gefahr hin, noch ein paar Jahre länger ausschließlich von den Oppositionsbänken Bundespolitik zu beobachten. Der eben vollzogene Schritt in die Berliner Politik wird in einem dreiviertel Jahr Spuren hinterlassen haben. An ihnen wird sich ablesen lassen, wie rot-dunkelrot in der Perspektive von oben aussieht. Man kann sich nämlich selbst solange ins Rampenlicht stellen, bis das Gesicht nur noch ein heller Fleck ist.

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