Zwischen Irrenhaus und Paradies

Ausstellung Torsten Bohms erste Personalausstellung in der Kulturbund Galerie in Baumschulenweg

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Die kleine, aber feine Kulturbund-Galerie in Berlin-Baumschulenweg begann das neue Ausstellungsjahr mit einer Premiere, indem sie dem Maler und Zeichner Torsten Bohm die Plattform für seine allererste Ausstellung bietet. Es sind kreative Zeugnisse eines aus der Zeit gefallenen Sonderlings, der alle Brücken eines geordneten und behüteten Erwerbslebens abgebrochen hat, um in gewollter Abgeschiedenheit fern von dem Trubel des hauptstädtischen Kunstbetriebes zu leben und zu malen. Damit angefangen habe er, „als die Zeit gekommen war“. Er folge keinem durchdachten Plan, sondern male und zeichne, „was kommt“, so eine Selbstauskunft.

Das wirft die Frage auf, woher „es“ kommt, was sich da unter den künstlerischen Händen zur Gestaltung drängt. Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Noch mehr Rätsel gibt die Frage auf, wohin er mit seinen Bildern will. Das Wesentliche müsse immer verborgen bleiben, sonst könne es sich nicht zeigen, so Torsten Bohm in einer Selbstauskunft. Mit dieser quasi negativen Tautologie taucht er sie in eine geheimnisvolle Dialektik, die den Betrachter in voller Absicht einerseits neugierig macht und andererseits ratlos zurücklässt. Diesen Effekt haben diese Bilder allerdings mit den wohl meisten Werken der Moderne gemeinsam.

Die Technik seiner Bilder erinnert zunächst an Kinderzeichnungen, wie sie in jedem Familienarchiv zu finden sind: strichmännchenhafte Skizzen ohne kompositorische Struktur, bizarr deformierte Figuren mit den für Kinderzeichnungen typischen disproportionalen Verzerrungen und Überhöhungen. Manche muten wie Monster- und Horrorfiguren aus Albträumen an. Allerdings sind diesen Skizzen auffällig harmoniesüchtige Pastelltöne unterlegt, die den Arbeiten einen eigentümlich kontrastierenden, versöhnlichen Effekt verleihen zu den gleichsam wie aus apokalyptischen Angstzuständen entsprungenen Gestalten. Dazu wimmelt es von anspielungsreichen, sexuellen Gesten. Das Vokabular der gewählten Titel, die keinen näheren Bezug zu dem Dargestellten zu haben scheinen, muten wie Stichworte unbewältigter Lebensphasen an („überlassen sie uns die arbeiterklasse“, „leitungsteam der verlorenen königin“, „heldin der arbeit kurz vor dem erwachen“ usw.). Es sind verstörende Psychogramme eines Menschen, der mit seiner Kunst offensichtlich in der Seele angestauten und unbewältigten Konflikten mit schwarzem Humor ein visuell-kreatives Ventil eröffnen will.

Die Laudatorin Petra Hornung ist von der „fabulierenden Bildsprache“ begeistert, nicht ohne eine „kristallklare Irritation“ bei dem „unvermuteten, intensiven Blick in geradezu intime Bildgefilde“ zu verspüren, das Schaurig-Schöne angedeuteter Enthüllungen und Aufdeckungen von Peinlichkeiten ahnend, die eigentlich nicht für andere Augen bestimmt sind. Sie fühle sich in einen „Sog hin zu Befindlichkeiten (gezogen), die so verletzlich wie unheimlich anmuten“. Bei anderen Bildern sehe man sich mit Maskeraden konfrontiert, „die ihre inneren und äußeren Turbulenzen fast heiter in Szene setzen“. In den Bildgeschichten sieht sie eine „virtuos verschachtelte Regie“ walten.

Technik und Sujets der Bilder von Torsten Bohm lassen eine auffallende Affinität des Künstlers zur Ikonographie der Werbe- und Medienwelt erkennen, auch dies ein beliebtes Inspirationsfeld der Post-Moderne. Dabei legt auch Bohm ein verspielt-verfremdendes, lustvoll-transformierendes und dekronstruierendes Verhältnis an den Tag, als könne er nicht genug kriegen von dem Drang, die angesammelten Bilder, denen er sich etwa auf nächtlichen Teleshopping-Kanälen willig ausliefert, auf den Kopf zu stellen, in monströse Kontexte zu stellen, wie beim antiken Palimpsest abzukratzen, zu überschreiben usw., kurz, mit ihnen nach anarchischem Gutdünken geradezu libertär umzugehen und sie seiner ungeordneten, respektlosen und assoziationsreichen Fantasie verwendbar zu machen.

Petra Hornung ist zuzustimmen, wenn sie in Bohms Bildwelten eine „Gratwanderung zwischen Irrenhaus und Paradies“ sieht. Wer ein ähnliches Gefühl bei den gegenwärtigen Zuständen in der Welt hat, dem sei die Ausstellung sehr ans Herz gelegt.

(„tatütata - torsten bohm. malerei und zeichnungen“, 9. 2 .- 31. 3. 2015, Kulturbund Treptow, Ernststr. 14/16, 12437 Berlin, Tel. 536 96 534, geöffnet: Mo - Fr 10.00 bis 16.30 Uhr, Di bis 19.00 Uhr, Eintritt frei)


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