Fünf Jahre Bulimie-Lernen, nächtliche Lektüremarathons und das Schreiben von Hausarbeiten im Wochentakt – sie waren vorbei. Endlich hatte ich ihn in der Tasche: den Universitätsabschluss. Und nun? Um eine Stelle bewerben, was sonst. Karriere machen, Geld verdienen, eine Familie gründen. Ich war bereit, die Welt zu erobern. Aber ich merkte schnell, dass die Welt nicht von mir erobert werden wollte.
Ich wusste, dass es als Politikwissenschaftler schwierig werden würde, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ich war gewarnt worden. Vor dem Studium von Freunden, Bekannten und Hochschulratgebern. Im Studium von Professoren, Dozenten und Kommilitonen. Auch eine Reihe von Arbeitslosenstatistiken und Umfragen unter Uni-Absolventen zeigten, dass man einige Zeit einplanen sollte, um als Gesellschaftswissenschaftler einen soliden Arbeitsplatz zu finden.
Natürlich muss ich mir heute manchmal vorwerfen lassen, einen Studiengang gewählt zu haben, der nicht automatisch zu einem schnellen Jobeinstieg und einem sicheren Einkommen führt. Aber was hätte ich sonst studieren sollen? Medizin traue ich mir nicht zu; Jura finde ich zu langweilig; Ingenieurswissenschaften verstehe ich nicht; und für BWL schreiben sich ja nun auch schon genug Menschen ein. Außerdem: Werden inzwischen nicht auch Banker reihenweise entlassen?
Das Produkt Arbeitskraft
Trotz der mäßigen Prognosen war ich anfangs, direkt nach dem Abschluss, noch guter Dinge. Ich entdeckte interessant klingende Stellenausschreibungen und bewarb mich, als Bildungsreferent, Projektmitarbeiter oder wissenschaftlicher Assistent. Ich ging auch initiativ vor, bewarb mich als Mitarbeiter bei Politikern, Verbänden und Wohlfahrtsorganisationen. Ich dachte mir: Irgendetwas wird sich schon ergeben. Nichts sprach ja gegen mich, im Gegenteil, alles sprach für mich: jung, gut ausgebildet, örtlich flexibel.
Dann setzte das große Warten ein. Eine Woche. Zwei Wochen. In der dritten Woche flogen die ersten Absagen ins Haus. In den folgenden Wochen flatterten, wenn überhaupt noch eine Antwort kam, die restlichen „Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen ...“-Briefe hinterher. Ich musste mir eingestehen, dass es wohl doch nicht so einfach sein würde. Und dann kam der Tag, an dem ich im Jobcenter stand und meinen ALG-II-Antrag abgab. Seitdem bin ich Hartzer. Mein Leben dreht sich jetzt um Bewilligungsbescheide und Eingliederungsvereinbarungen. Ich muss mich beim Jobcenter abmelden, wenn ich mal länger als ein Wochenende meinen Wohnort verlassen möchte. Ich schäme mich, versagt zu haben – bevor es überhaupt losgegangen ist.
Ich bewarb mich weiter. Aber je mehr Bewerbungen ich schrieb, desto mehr Absagen landeten im Briefkasten. Ich begann, doch an mir zu zweifeln. Ich fragte mich, was ich falsch machte. Eine Antwort darauf fiel mir nicht ein. Stündlich schaute ich in mein E-Mail-Postfach, in der Hoffnung auf eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Aber nur selten war eine dabei. Wenn doch, weckte jeder neue Termin wieder neues Zutrauen in meine Fähigkeiten. Ich schöpfte neue Kraft. Dabei muss man sich als Bewerber einiges gefallen lassen. An einer norddeutschen Universität hatte ich mich für eine halbe Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter beworben. Schnell erhielt ich einen Termin für ein Vorstellungsgespräch via Skype. Ich fieberte dem Termin entgegen – aber nichts passierte. Es kam kein weiterer Anruf, keine E-Mail. Dann erhielt ich eine neue Einladung für ein Skype-Gespräch. Wieder konnte ich es kaum erwarten – wieder geschah nichts. Am nächsten Tag ... die dritte Verabredung. Diesmal klappte es mit dem Bewerbungsgespräch von Bildschirm zu Bildschirm. Schließlich kam: die Absage.
Ich merkte, dass das Leben zunehmend an mir vorbeizog. Viele Freunde aus Studienzeiten hatten mehr Glück als ich. Sie arbeiten längst und verdienen Geld. Sie reden unentwegt von ihrer Selbstverwirklichung, von neuen Erfahrungen und ihren neuen Kollegen. Über ihr Diensthandy oder ihr neues iPad, ihre Reisen in alle Welt, über alles, was mir verwehrt bleibt. Ich freue mich für sie. Aber es nagt auch an mir.
Es gibt auch andere in meinem Bekanntenkreis, solche, denen es ähnlich wie mir ergeht. Da ist die freiberufliche Pädagogin, die mühsam Aufträge von Bildungswerken zu ergattern versucht und nebenbei als Servicekraft in einem Hotel arbeitet. Da ist die Geisteswissenschaftlerin, die nun, mit einem Einser-Examen in der Tasche, überlegt, in einem Callcenter zu arbeiten. Sie gehören wie ich einem jungen, urbanen Bildungsprekariat an, in das der Staat Millionen von Euro investiert hat, für das aber einfach nicht genügend qualifizierte Jobs zur Verfügung stehen.
Die Pädagogin und die Einser-Kandidatin wurden vielleicht wie ich immer mal wieder gefragt, wie es denn bei der Jobsuche so laufe. Freunde und Bekannte geben gut gemeinte Ratschläge, versuchen einen aufzumuntern. Doch je länger die Warteschleife dauert, desto weniger erkundigen sich die anderen. Man merkt mir an, dass ich nicht darüber reden will. Niemand versteht, was bei mir schiefläuft. Wie auch? Ich verstehe es ja selber nicht.
Der Erfolg der anderen
Mit jeder weiteren Absage wird es schwieriger, morgens aus dem Bett zu steigen. Der Gang zum Briefkasten wird zur Qual. Nur widerwillig schalte ich meinen Computer ein, denn die Wahrscheinlichkeit, erneut eine Absage vorzufinden, ist hoch. Es sind die immer gleichen Standardbriefe mit ihren typischen nichtssagenden Floskeln. Irgendwann klingt es wie blanker Hohn, wenn es heißt, dass es nicht an meiner Qualifikation oder Person gelegen habe. Was ist eine Absage denn sonst, wenn nichts Persönliches? Das Traurige: Man kann niemandem die Schuld geben, wenn man eine Stelle nicht bekommen hat. Da ist keiner, der verantwortlich zu machen wäre. Da bin nur ich, ich allein.
Nach und nach fiel mir auf, dass ich mich veränderte. Dass ich mich schleichend von meiner Umwelt abwende – oder sie sich von mir. Die Treffen mit Freunden sind seltener geworden, ich gehe nicht mehr aus, nicht mehr ins Kino oder ins Theater. Ich bleibe lieber für mich allein.
Als ich vor zehn Jahren das Abitur nachholte, da glaubte ich noch den Versprechungen, die tagein, tagaus von den Funktionsträgern des Landes in den Medien kolportiert werden: „Bildung schafft Aufstieg“; „Bildung schafft Zukunft“; „Bildung ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit“. Mit jeder neuen Absage schwindet das Vertrauen in solche vermeintlichen Gewissheiten. Die Zeiten, in denen ein abgeschlossenes Studium eine Jobgarantie war, sind schlicht: vorbei.
Jetzt werde ich in die gleiche Schublade gesteckt wie der angeblich faule Hartzer. Ja, ich bin jetzt auch ein sogenannter Sozialschmarotzer. Habe ich 2009 dem Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder, noch heimlich zugestimmt, als er die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes als Subvention für die Alkohol- und Zigarettenindustrie geißelte, so schäme ich mich heute meiner Unwissenheit von damals. Hartz IV war einfach sehr weit weg. Heute weiß ich es eindeutig besser.
Wenn ich im Jobcenter einen Termin habe, begegnet mir dort nur selten ein Mensch, der dem Klischee des abgehalfterten Hartzers entspricht. Ich sehe vor allem junge Erwachsene, die nach der Ausbildung keinen Arbeitsplatz gefunden haben. Ich sehe ältere Arbeitnehmer, die über 30 Jahre lang geschuftet haben, deren Arbeitsplätze wegrationalisiert wurden und die nun schlicht zu alt sind, um noch vermittelt zu werden. Ich sehe Uni-Absolventen, die noch auf ihren Berufseinstieg warten. Und ich sehe Verkäufer, Mechaniker, Bäcker, Metzger, Floristen und viele andere, die darauf warten, endlich wieder arbeiten zu dürfen.
Die Aussichten
Es kann jeden treffen. Ob die Schlecker-Frau oder den Verkäufer vom Praktiker-Baumarkt, die keine Schuld an der falschen Strategie des Managements tragen. Oder den Bäckermeister, der mit seinem Familienbetrieb nicht mit den großen Filialketten mithalten kann, weil wir es alle billig haben wollen. Oder eben den Hochschulabsolventen, der als Berufseinsteiger schon zehn Jahre Berufserfahrung mitbringen soll. Ich bin Teil einer Generation von jungen, gut ausgebildeten Arbeitnehmern, die entweder in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten oder von Hartz IV leben müssen. Weil in unserer Leistungsgesellschaft eben das – Leistung – nicht mehr für ein sicheres und geregeltes Einkommen ausreicht. Heute muss man als Arbeitnehmer nicht nur örtlich, sondern ganz klar auch finanziell flexibel sein. Einfach um die Phasen der Nichterwebstätigkeit irgendwie überbrücken zu können.
Inzwischen jobbe ich in einem Baumarkt. Und ich versuche mein Glück als freier Autor und angehender Journalist. Ja, ich gebe mir Mühe – wie so viele andere auch –, das Beste aus der Situation zu machen. Irgendwas wird sich schon ergeben. Irgendwie wird’s weitergehen.
René Korth, 34, hat seine Geschichte erst als Blog-Beitrag für die Freitag-Community aufgeschrieben. Wir haben ihn um eine ausführliche Fassung für die Zeitung gebeten
Generation Warteschleife
So wie René Korth ergeht es vielen jungen Akademikern. Rund 27 Prozent der deutschen Hochschulabsolventen brauchen ein Jahr oder länger, bis sie einen Job finden. So vermeldet es zumindest das Statistische Bundesamt.
Etwa 14 Prozent nehmen nach dem Universitätsabschluss erst einmal eine Übergangstätigkeit an. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben die gerade fertigen Akademiker nur selten. Die Voraussetzung dafür ist schließlich, dass man mindestens ein Jahr lang sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat.
Die meisten Studenten haben neben der (seit der Bologna-Reform ohnehin anstrengender gewordenen) Universitätszeit aber nur die Möglichkeit, Minijobs anzunehmen, die eben nicht sozialversicherungspflichtig sind und daher nicht angerechnet werden. Zieht ein Student nach dem Abschluss aus Geldgründen erst einmal zurück zu den Eltern oder mit dem Partner zusammen, kann es sein, dass auch sein Anspruch auf Hartz IV entfällt.
Wenn die anderen Mitglieder des Haushalts – der „Bedarfsgemeinschaft“, wie es im Amtsjargon heißt – zu viel verdienen, müssen sie für den Betroffenen mit aufkommen.
Ähnlich wie unserem Autor René Korth erging es dem Philosophie-Absolventen Thomas Mahler. In der Schlange. Mein Jahr auf Hartz IV (Goldmann 2011) heißt Mahlers Buch, in dem er von seinen teils absurden Erfahrungen mit dem Jobcenter berichtet. KK
Kommentare 10
Doch, da ist jemand der Schuld hat
Das Hartz-IV-System basiert auf Schuldzuweisungen wie: du bist selbst schuld, wenn du keine Arbeit findest. Wer arbeiten will, findet Arbeit. Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht essen. Wir werden es Denen die nicht arbeiten "ungemütlich" machen ...
Ihre Eingangsüberlegung, dass da niemand sei, dem man die Schuld geben kann, die ist durch den Staat bereits widerlegt: für unseren Staat ist da jemand, dem er die Schuld geben kann, nämlich dem betroffenen Arbeitslosen.
Für mich stellt sich die Frage entgegengesetzt: hat der Staat das Recht die Betroffenen generell zu "beschuldigen" und unter Generalverdacht zu stellen?
Die Erfinder, Befürworter und Verantwortlichen des Hartz-IV-Desasters sind entlarvt.
Nach 10 Jahren Hartz-IV liegen inzwischen viele wissenschaftliche Studien über die verheerenden Folgen der Hartz-Gesetzgebung vor. Diese Studien belegen, dass Hartz-IV die Würde des Menschen antastet, indem Menschenrechte und Grundrechte grob und vorsätzlich verletzt werden. - Und: Hartz-IV ist eine Lüge, denn alle Massnahmen haben nichts, aber auch gar nichts gebracht. Auch diese Erkenntnis ist durch wissenschaftliche Studien belegt.
Die Betroffenen sollten - so wie Sie es auf Ihre Art ja tun - einen eigenen Weg aus dem Desaster gehen. Auch ich habe in meinem langen Arbeitsleben viel geleistet und musste ähnliche Erfahrungen mit dem Arbeitsamt oder Jobcenter machen wie Sie. Aber genau darum rufe ich dazu auf, dass alle Betroffenen und alle nicht Betroffenen sich gegen Hartz-IV engagieren.
Die Hartz-IV-Politik ist die größte geplante "Katastrophe und Schuld" seit bestehen der Bundesrepublik Deutschland und muss beendet werden.
Bildungsproletariat und Elitenbildung. Anmerkungen zur Ökonomie des kulturellen Notstands
SWR-Radiofeature mit Robert Kurz. Leider nur noch als mp3-download verfügbar oder als Abschrift in Form einer rtf-Datei.
"Wenn man ausgerechnet die helleren Köpfe darauf trimmt, bloß noch optimal zu funktionieren, werden sie untauglich gemacht für innovatives Denken. Zu den Unqualifizierten und Entqualifizierten kommen die Disqualifizierten.
Der Blick in die Zukunft fällt düster aus: Denn eine Elite, die nichts anderem gehorcht als den Regeln des globalisierten Marktes, wird unfähig zur kritischen Selbstreflexion. Und eine Elite mit reduziertem Weltwissen droht ein Bildungsproletariat eigener Art zu werden."
"für "niedere Dienste", so wusste schon Mandeville, braucht man keine Qualifikation und nicht viel Verstand, sondern nur noch Ergebenheit und heiteres Ertragen..."
Nur Mut! Ich weiß: Leichter gesagt als getan.
Aber jemand, der mit Worten so geschickt umgehen kann wie Sie, muss einfach einen Platz in dieser Gesellschaft finden.
Früher oder später.
"Weil in unserer Leistungsgesellschaft eben das – Leistung – nicht mehr für ein sicheres und geregeltes Einkommen ausreicht."
Selbst als diese G. noch als L.-G bezeichnet wurde/werden durfte, reichten die Leistungen darin oft NICHT "für ein sicheres und geregeltes Einkommen."
Einkommen und Verausgabung (Leistung) standen noch nie in einem zwingenden, übergeordnet-allgemeinen Ursachenzusammenhang a priori, auch wenn das Teil der Lebenslügen zu Zeiten der LG war.
Die Rede von der Wissensgesellschaft sollte auch in der Politologie angekommen sein, - die ihren Sinn vor allem in weiterer Entkopplung von Aufwand und Ertrag findet. (Neben der Erschließung weiterer Ertragsfelder überhaupt, neben dem Wissen als Teil selbstzwecklicher Bildung, als Menschenrecht, -pflicht, Wissen als Voraussetzung spannender Bedürfnisentfaltungen usw.)
Ich habe ca. ein Jahr gesucht.
Danke für die aufmunteren Worte!
Lieber René Korth,
zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, das ist, meiner Beobachtung (nicht Erfahrung!) nach, das Einzige, was hilft. In Deutschland ist man aber sehr schnell "zu alt", und wer (wie ich auch) sein Abitur nicht "pünktlich" mit 18 oder 19 macht, der oder die steht bereits unter Zeitdruck. Ich hatte mein Abitur (nach Tischlerlehre und 20 Monaten Zivildienst und zwischenzeitlicher Lohnarbeit) mit 27 Jahren in der Tasche, da hat man nach allgemeiner Lesart eigentlich noch sage und schreibe mindestens vier Jahrzehnte Arbeitszeit vor sich – trotzdem wird einem überall vermittelt, dass man schon zu alt sei, Lebenserfahrung und Fachwissen her oder hin. Mit Mitte dreißig fand ich dann endlich den mir gemäßen Studiengang (Kulturwissenschaft an der HU) und verbrachte zehn spannende und überwiegend schöne zehn Jahre an der Uni bis zur Promotion, sprich bis zum Zustand des nun wirklich Zu-alt-Seins und der Überqualifikation. Und klar: das alles habe ich sehenden Auges gemacht und in eigener Verantwortung! Kein Grund, sich zu beschweren, absolut nicht!
Der Übergang dann aber zum Geldverdienen erwies sich, wie auch bei Ihnen, als schwierig, denn in dem einen Fall ist man offensichtlich nicht mehr naiv genug, um genommen zu werden, im anderen Fall eine zu starke Konkurrenz, oder eben beides. Erstaunlich finde ich, dass es sich unsere Gesellschaft offensichtlich leisten kann, derartig viel Wissen und Können brach liegen, vor die Hunde gehen zu lassen – in meinem Bekannten- und Freundeskreis sind etliche (promovierte) Geisteswissenschaftler, die sich mit sehr schlecht bezahlter Arbeit (oft an der Uni mit Kurzverträgen für ein Semester) oder Hartz-IV irgendwie durchschlagen müssen, so als hätte, Sie deuten es an, der sogenannte Staat nicht durchaus etwas investiert in die angeblich so wichtige Bildung. Einige machen jetzt aber auch etwas "Vernünftiges", schulen um zur Erzieherin oder werden Lehrer.
Sicher, es fällt natürlich auf, dass etwa IT-Spezialisten und Physiker deutlich besser da stehen mit ihrem anwendungsorientierten Wissen und Können, vor allem auch finanziell, aber man kann (sollte!) ja eben auch nur das studieren, was man selbst will, es sei denn, man ist von Anfang an Pragmatiker, was sich nicht von ungefähr ein wenig nach einer Krankheit anhört.
Was also tun? Statt Warten und Jammern und dem damit verbundenen Immerschwächerwerden sollte man, wie Sie das tun, auf das aufbauen, was man gut kann, wenngleich in den Schreibberufen (das weiß ich aus eigener Erfahrung!) die Konkurrenz ja nicht schläft und sich die "Abgehängten" da gegenseitig die Jobs und Aufträge wegnehmen, selbst die schlecht oder unbezahlten. Prinzip Hoffnung eben – wüsste ich, dass morgen die Welt untergeht, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen fällen!
Ob junger Akademiker oder erfahrener Arbeitnehmer mit akademischem Hintergrund - die Erfahrungen mit dem Arbeitsmarkt sind für alle ähnlich schlecht. Das alte Versprechen, wonach Bildung und Fleiß zu Erfolg und Belohnung in Form von Wohlstand führen, funktioniert schon lange nicht mehr. Die Strukturen in der Arbeitswelt sind undurchlässig. Früher oder später treffen sich alle in den prekären Arbeitsverhältnissen der Serviceindustrie - der promovierte Physiker ebenso wie der ungelernte Gesamtschulabsolvent. Schuld an diesen Verhältnissen sind viele und vieles, selten jedoch derjenige, der nach seinem (Arbeits-)Platz in dieser Gesellschaft sucht.
Falls man die Schuldfrage überhaupt stellen möchte, könnte man allerdings aber auch sagen: Schuld an diesen Verhältnissen sind alle, die den postindustriellen, digitalen Turbokapitalismus immer noch für die beste aller (westlichen) Welten halten und ihre Kreuzchen beim nächsten Mal wieder brav bei Merkel, AfD u.A. setzen, statt sich zu fragen, was mit diesem System, das sie beharrlich ausschließt, nicht stimmt.
In Ihrer Situation, Herr Korth, haben sich viele junge Menschen nach Beendigung ihres Studiums befunden. Dies ist nichts neues. Wie oft musseten sich schon Anfang des 19. Jahrhunderts bestens ausgebildete junge Akademiker mit schlechtbezahlten und prekären Stellen als Hauslehrer oder ähnlichem abfinden. Selbst in den goldenen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts fanden junge Akademiker keine Anstellung in ihrem erlernten Beruf. Ich rate Ihnen, im persönlichen Gespräch mit eventuellen Arbeitgebern eine bessere Anstellung zu finden. Der persönliche Kontakt zu leitenden Persönlichkeiten, in Ihrem Fall eventuell als Mitglied einer politischen Partei, ist unendlich aussichtsreicher als eine schriftliche Bewerbung. Diese landen meistens ungelesen im Papierkorb und werden, wenn sie Glück haben, per Textformular ablehnend beantwortet.
einer politischen Partei,
Nun, wenn eben - wie u. a. auch Marx zu Recht wünschte/forderte - eine "Putzfrau" den Staat lenken können müsste, dann darf man sich nicht wundern, wenn einige bei ihrer Tätigkeit 'n Doktorhut aufhaben.