Runde Geburtstage provozieren runde Geschenke. Na ja fast rund, eigentlich ist es eher ein Ei, in das ich im Tausch gegen einen Gutschein demnächst schlüpfen würde. Sozial wie Kinder nun mal denken, erhielt ich meinen Gutschein als Dreierpack mit der Auflage, einmal auch ihren Vater mitzunehmen. Das Geschenk verkörpere Erholung pur und der Mann knabbere schon wieder so nervös an den Fingernägeln. Also gut, ich wähle die Nummer des »Float-Centers am Gendarmenmarkt« und vereinbare einen Doppeltermin zum Floaten am späten Freitagabend ...
In der Friedrichstraße, in den nobel geleckten Passagen, schließt eine gläserne Pforte nach der anderen, auch für die Schönen und Reichen dieser Welt endet der Einkaufsbummel Punkt 20
Punkt 20 Uhr. Nun gibt es hier nicht einmal mehr etwas zum Gucken. Macht aber nichts, unser Termin zum ultimativen Stressabbau rückt näher. Sieben Minuten Fußweg später betreten wir Berlins erstes und bislang auch einziges Float-Center. Die Dame am Tresen reicht uns sofort mit der Begrüßung ein großes Blatt Papier herüber, das sich als blanke Abfrage unserer Personalien entpuppt. Ich überlege gerade noch, ob ich jetzt wirklich meine Adresse, Telefonnummer usw. angeben möchte, da hat B. längst alles ausgefüllt und der Aufforderung, einen Tee zu trinken freudig zugestimmt. Drei Nusskekse sind auch noch im Angebot, einen davon hat B. schon im Mund. Er war mal wieder den ganzen Tag nicht zum Essen gekommen. Eine echte Gefahr für die beiden verbliebenen Kekse, mit denen man so wunderbar krümeln kann. Doch soweit kommt es nicht.Die beiden »Samadhi-Tanks« sind frei, unser Ausflug in die Schwerelosigkeit kann beginnen. In zwei separaten Räumen befindet sich jeweils ein recht futuristisch anmutendes Riesen-Ei aus Plastik, etwa zweieinhalb Meter lang und anderthalb Meter breit. Es ist in der Mitte geöffnet und gibt den Blick auf eine leicht milchige Flüssigkeit frei. Zwei rote Lämpchen im Ei-Inneren sorgen für gedämpftes Licht, rechts klemmt eine Plastikflasche mit klarem Wasser und ein Waschlappen, am linken Innenrand befinden sich ein weißer und ein schwarzer Knopf. Drücke ich auf den schwarzen, schließt sich das Ei, wähle ich den weißen, wird es stockfinster. Na prima! Keine Angst, versucht die Float-Meisterin mich zu beruhigen. Am inneren Rand befinde sich auch ein dicker Knubbel und wenn ich auf den drücke, melde sich die Rezeption. »Ach toll«, sagt B., »und dann kann ich mir ein Bier bestellen?« Der Mann hat Nerven; ich sehe mich schon in der Dunkelheit ersticken. Wahrscheinlich gucke ich in dem Moment auch so, denn sofort werde ich beruhigt, der Samadhi-Tank sei innen wie ein Zelt und gut belüftet. »Samadhi?« lenke ich ab. Das Wort stamme aus dem indischen Sanskrit und bedeute so viel wie »Konzentration des Geistes«, erfahren wir. Der Tank sei jedoch keine fernöstliche Idee. Vielmehr habe der amerikanische Delfinforscher und Neurophysiologe John Lilly 1954 die ersten Isolationstanks entwickelt. Der Bewusstseinsextremist schuf Schwebetanks für »Reisen in innere Räume«. Später wurden seine Tanks an amerikanischen Universitäten und bei der Nasa in Forschungsprogramme integriert sowie zur Stressreduktion, Behandlung chronischer Schmerzen, Verhaltenstherapie zur Suchtentwöhnung bis hin zum Superlearning getestet. Wenn das keine Argumente sind ... Ab ins Ei! Zuvor natürlich unter die Dusche und die Kontaktlinsen müssen auch noch raus. Mein kleines Handicap erhöht den Nervenkitzel. Würde ich den Knopf, der den Deckel wieder öffnet finden? »Es ist doch sowieso stockfinster« macht mir B. Mut und entschwindet hinter seiner Tür. Erklärt wurde genug, jetzt soll es losgehen.Ich sage mir »Floaten macht glücklich« oder sagen das die Tank-Betreiber? Egal, ich klettere in den Bauch des Ungetüms. 600 Liter Wasser erwarten mich, angereichert mit 300 Kilogramm Epsom-Salz. Vorsichtig setze mich auf den Boden und drücke auf den schwarzen Knopf. Der Deckel senkt sich bis er nicht mehr weiter kann. Musik setzt ein; die hatte ich mir gewünscht, um nicht ganz allein zu sein. Ich lege mich auf den Rücken und schwebe, eine Stunde Zeit für mich zum Entspannen. Nach einer Weile betätige ich auch den weißen Knopf, nun ist es Nacht. Jetzt muss ich noch besser entspannen können. Einfach mal an nichts denken. Plötzlich schießt es mir durch den Kopf: B. und ich liegen hier auf Nummer sicher, unsere Adresse haben wir brav notiert und abgegeben, dazu noch die Telefonnummer, damit sich jedermann vergewissern kann, dass auch wirklich niemand zu Hause ist ...Später frage ich B., was ihm so in der Dunkelheit durch den Kopf geschwebt ist und erfahre, dass er, noch bevor er das Licht ausschalten konnte, eingeschlafen ist. Ich bin überzeugt, aus der Tiefe des geschlossenen Eies schlüpften Schnarchlaute.