Präsident Karsai steigt in den Keller seines Palastes in Kabul und findet sechs Kisten voller Gold. Ich steige in den Keller unseres Einfamilienhauses in Mahlsdorf und finde Vogelgebein, Mäuseschwänze, umfangreiche Ansammlungen ausrangierter Computerteile und dreckige Socken. Ersteres geht auf das Konto unserer Katze, letzteres gehört dem Hausherrn. Beide sind sie Jäger und Sammler.
Nun möchte ich ganz sicher nicht Mahlsdorf gegen Kabul eintauschen und vermutlich wird mir niemand den Schatz von Tillye-Tepe überlassen, um im Gegenzug meinen Müll einzuheimsen. Es muss eine andere Lösung her. Vielleicht findet sich ja ein aufnehmendes Regal, ein Schrank, eine Kommode oder sonst ein Behältnis, am liebsten mit Magnetwirkung, damit gar nichts erst wieder auf dem Kellerboden landen kann. Wir fahren also an einem Sonnabendvormittag gleich nach dem Frühstück über Land in eines der großen Möbelhäuser, die nach der Wende ganz plötzlich aus der grünen Wiese schossen. Genau wie es in den lustigen Erlebnisparks so üblich ist, werden wir schon bei unserer Anreise fotografiert. Allerdings, stellen wir später fest, zeigt das Foto nur den Mann am Steuer und ist ziemlich teuer, gemessen an der schlechten Qualität. Dafür aber mit besten Grüßen vom Polizeipräsidenten.
Keine Ahnung, ob all die vielen Menschen, die ihre Autos vor uns geparkt haben, ebenfalls beschlossen hatten, wieder Ordnung in ihr Leben oder zumindest erst einmal in ihren Haushalt zu bringen. Es gilt jedenfalls einiges an Geduld und Manövriervermögen aufzubringen, bevor wir uns auf die Suche begeben können. Irgendwann ist es soweit. Das Möbel-"Paradies" - unter dem macht es kein Marketing mehr! - empfängt uns mit einem Voucher. Frischen Bohnenkaffee und einen Eisbecher sollen wir uns zum halben Preis schmecken lassen. Ein Moderator oder eher Animateur ist auch zur Stelle. Er steht auf einer kleinen Bühne und lockt mit mikrofongestützter Stimme die Kundschaft zum Formel-1-Rennen. Eigens zu diesem Zweck wurde ein feurig rotes ferrariähnliches Ungetüm aufgestellt. Der potenzielle Rennfahrer blickt auf eine überdimensionale Leinwand und soll glauben, er befinde sich auf dem Hockenheimring oder einem ähnlich kurvenreichen Parcours. Wir sind froh, gerade einen Parkplatz ergattert zu haben, warum sollten wir jetzt schon wieder durch die Gegend kurven? Meine Freundin, die seit kurzem im Marketing arbeitet, würde sagen: Ein Einkaufsbummel müsse Eventcharakter tragen, nur so könne das Mengengerüst der Produkte im Abverkauf final gesteigert werden. Was immer das bedeutet, ich mag keine Rennfahrerin sein, mich reizen auch die Superstars auf dem zweiten Bildschirm nicht und überhaupt ist hier alles viel zu laut.
Unser Weg zurück zum Auto führt uns am Gartenmöbel-Center vorbei bzw. genau hinein. Vielleicht lässt sich ja hier - ganz unanimiert - ein Schnäppchen machen. Einen neuen Sonnenschirm könnten wir zum Beispiel gebrauchen, nachdem unserem einer der sommerlichen Herbststürme Flügel verliehen hatte. Aber bitte mit Kurbel. Nach längerem Suchen mit fachkundiger Unterstützung haben wir das Gewünschte und obendrein einen wunderbaren Holztisch, beiderseitig aufklappbar zum halben Preis und Selbstabholen. Geduldig warten wir auf unsere Ware, kaufen noch rasch flexible Haltegurte, weil die Länge des Tisches die unseres Kofferraumes bei weitem übertrifft. Als wir unsere beiden Pappkartons kunstvoll verstaut haben und die Kofferklappe so arretiert, dass sie nicht während der Fahrt aufspringen kann, ist es Mittag. Zu Hause angekommen, befreien wir den Tisch aus seiner Papphülle, hieven ihn auf die Beine und klappen ihn auf volle Breite. Die Miene des Tischkäufers verfinstert sich, die Tischkäuferin will es nicht wahrhaben, doch die abgeplatzten Holzecken lassen sich selbst mit beidseitig zugedrückten Augen nicht übersehen. Also das Ganze retour, der Stimmungspegel fällt. Einer Eingebung folgend, zieht der Hausherr den Sonnenschirm aus seiner Verpackung. Welch Überraschung! Nicht überall, wo Kurbel draufsteht, ist auch Kurbel drin. Unser neuer Schirm hat ordinäre Strippen zum Aufziehen; also ebenfalls retour. Im paradiesischen Möbel-Warenlager verhelfen wir alsbald dem Möbel-an-die-Kunden-Übergeber die Gewissheit, dass die komplette Sonnenschirmlieferung fehlgeschlagen ist. Kein einziger Schirm verfügt über auch nur eine Kurbel. Diesmal packen wir den Holztisch gleich im Lager aus und ... lassen ihn zurückgehen. Den übernächsten verstauen wir vorsichtig unter der wiederum nicht zu schließenden Kofferhaube. Als wir zu Hause sind, ist es später Nachmittag. Im Keller herrscht noch immer Chaos, mitten drin unsere Katze, Auge in Auge mit einer winzigen Feldmaus - Lola fass! Aber bitte mit Kurbel, ich meine Schwänzchen.
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