Generöse Äußerungen ist man ja gewohnt von Bossen großer Konzerne. Thomas Rabe, der Vorstandschef von Bertelsmann, hat aber im März in einem Zeit-Interview sehr dick aufgetragen: „Wir sind bereit, in Gruner und Jahr zu investieren. Mehr noch: Wir sind sogar bereit, dafür in den nächsten Jahren teilweise auf Gewinne und Dividenden zu verzichten.“
Diese Worte haben zusätzliches Gewicht bekommen, seit Bertelsmann vergangene Woche Gruner und Jahrs bisherigem Minderheitsgesellschafter, der Familie Jahr, das letzte Viertel des Verlags abgekauft hat, das der Konzern aus Gütersloh bis dato noch nicht besessen hatte.
Worin genau aber werden Rabe und Kollegen investieren? Womöglich in Journalismus? Schließlich hat der Vorstandschef den Anteilskauf auch als „Bekenntnis zum Journalismus“ angepriesen. Es kommt darauf an, wie man den Begriff definiert. Nach Bekanntgabe des Deals mit der Familie Jahr bezeichnete Rabe sämtliche „Medienaktivitäten“ des Verlags als „journalistische Produkte“. Zu seinen „Medienaktivitäten“ zählt Gruner und Jahr (Gewinn 2013: 81 Millionen Euro) aber auch den Lebensmittelversand Delinero, die Einrichtungstipp-Plattform Roomido sowie Tambini, einen „Online-Shop für Kindergeburtstage und Mottopartys“.
An Mitteln, zu investieren, mangelt es den Bertelsmännern nicht, der Konzern verzeichnete 2013 0,8 Milliarden Euro Gewinn. Man könnte also investieren in neuen Journalismus auf Höhe der digitalen Zeit. Aber es spricht alles dafür, dass Bertelsmann genau das nicht tun wird, weil Journalismus – zumindest Journalismus, der eine gesellschaftliche Aufgabe wahrnimmt – nie wieder die Renditen von einst einbringen wird. Auf einer Protestveranstaltung gegen ohnehin geplante Stellenstreichungen haben die Redaktionsbeiräte der Magazine Stern, Geo, Brigitte und Art die neue Übermutter aus Westfalen gerade daran erinnert, dass Zeitschriften „einen erheblichen Teil des Geldes erwirtschaftet haben, mit dem Bertelsmann zu Europas größtem Medien-haus aufgestiegen ist“.
Da die Entscheider in Gütersloh aber bisher nicht durch Geschichtsbewusstsein aufgefallen sind, wird Bertelsmann Gruner und Jahrs Abschied vom relevanten Journalismus wohl eher noch forcieren. Noch vor der Komplettübernahme fand eine Gruner-und-Jahr-Vorstandssitzung statt, über die Springers Magazin Bilanz schreibt, es seien dort die Fußballzeitschrift 11 Freunde, das Wirtschaftsmagazin Capital sowie National Geographic als Problemfälle und Streichkandidaten genannt worden – Titel also, die für Journalismus im klassischen Sinn stehen. Investieren wolle man dagegen unter anderem in die Zeitschrift Chefkoch. Das Heft besteht aus Rezepten, die die Nutzer der Plattform chefkoch.de liefern.
Die ersten Schachzüge unter neuen Vorzeichen wird Bertelsmann wohl beim Spiegel tätigen. Gruner und Jahr, also Bertelsmann, hat mit einem Anteil von 25,5 Prozent eine Sperrminorität beim Verlag. Die ist aktuell von Bedeutung, weil Chefredakteur Wolfgang Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe angezählt sind. Um es mithilfe von Superlativen zu formulieren: Wer in Zukunft bei Deutschlands wichtigstem Nachrichtenmagazin die entscheidenden Positionen bekleiden wird, darauf hat der größte europäische Medienkonzern, dem mit Penguin Random House der weltgrößte Buchverlag gehört, nun maßgeblichen Einfluss.
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