Mein SUV ist größer als deiner

Status Im Rap dienen Frauen und Luxuskarren der männlichen Selbsterhöhung
Ausgabe 27/2019

Mit Luxuskarren rumzuprotzen ist ein fester Bestandteil des Rap. Vollständige Wirkung scheint das Bad Boy-Image erst zusammen mit dem Ruf des „Bitch“ „fickenden“ und Drogen dealenden Gangsters zu entfalten: Die Autos dienen dabei nicht nur als eine Form cis*-männlicher Selbsterhöhung, sondern verstärken auch die Objektivierung der Frau: Sie erscheint neben den Auto als zweites schmückendes Objekte der Begierde und Zierde. Häufig schneidet sie sogar schlechter ab.

In Clips US-amerikanischer Rap-Herrschaften zählen Jeeps und SUVs schon seit den 1990er Jahren zum gängigen Standard. Die Hip Hop-feministische Vorreiterin Missy Elliott hat diesen cis-männlichen Peniseifer in ihrem Song „The Rain (Supa Dupa Fly)“ 1997 auf eine genderkritische Weise dekonstruiert, als sie „Beep beep, who got the keys to the Jeep? vroom!!“ rappend in einem übergroßen Hummer vorfährt und im dazu farblich passenden, aufgeblasenen schwarzen Lack-Catsuit den sonst nur cis-Männern vorenthaltenen Größtenwahn auf die Schippe nimmt. M.I.A. reitet im Clip zu ihrem Song „Bad Girls“ ein auf zwei Rädern stehendes BMW-Luxusauto in der Wüste, während sie sich zum orientalischen Beat entspannt die Nägel feilt. Die minderjährige Rapperin Bhad Bhabie hingegen steht im „Hi Bich Remix“ auf einem weißen Mercedes SUV, bevor sie sich von Rich The Kid darin kutschieren lässt.

SUVs können mit dem von vielen cis-männlichen Rappern erstrebten Wunschpenis verglichen werden: riesengroß, dauerpotent, brutal, Platzhirsch-mäßig maximal raumeinnehmend. Ein Ersatz für die gewünschte Penisverlängerung. Zudem assoziieren SUVs auch militärische Präsenz, eine „Mannschaft“ kann darin transportiert werden.

Erst in jüngeren Jahren prahlen auch Deutschrapper*innen mit den riesigen Autos. Kianush rappt in seinem Song „SUV“, wie alle für seinen „Panzer“ Platz machen sollen. „Roll‘ mit meiner Gang durch deine Stadt im SUV / Pass‘ nicht durch den Drive, ich hab‘ keinen Platz im SUV (huh) / Bei mir läuft nur Modus Mio in mei‘m SUV (SU—) / Und ich seh‘ die Welt von oben aus dem SUV.“

Auch die Berliner Rap-Crew BHZ fährt in ihrem Song mit der Gang durch die Straßen, um Hatern entgegenzuwirken: „Kopfgefickt ist mein Team / Bretter‘ down im SUV / Kopfgefickt, das sind wir / Immer weiter bis ans Ziel“. Dass dabei „dein Mädchen“ „gebangt“, „der Schwanz geblowt“, „und die Eier geleckt“ werden, scheint wohl eine Nebenerscheinung dieser rapdeutschen SUV-Protzerei zu sein.

Eine Frau wie ein Cabrio

Ähnlich objektiviert wie SUVs hat die Frau im Deutschrap mittlerweile auch auszusehen: glatt poliert mit perfektem Körper, Hinterdeck wackelnd und für Männer „fahrbar“. Man könnte meinen: je luxuriöser die Autos im Deutschrap mit seinem kommerziellen Erfolg in den letzten 15 Jahren wurden, desto sexistischer seine Texte und Bilder.

Apropos: auch der Vergleich von Luxusautos mit Frauen schwappte aus den USA rüber. Der wegen Sex mit Minderjährigen angeklagte R&B-Sänger R. Kelly chartete bereits in den 1990ern mit der Songzeile „You remind me of my jeep“ einen Welterfolg. Nachgemacht haben ihm das der deutschtürkische Battle-Rapper Kool Savas und Ercandize. In „Komm mit mir“ von 2006 vergleichen sie ihre Lieblingskarre mit Frauen: „So heiß, so fresh, so tadelos makelos / Du bringst die Sonne in mein Leben wie ein Cabrio / Du bist hammer wie ein Hummer, geil wie ein SL / Und ich halt die Spur, wenn du mich wie ein Lenker festhälst“.

Die Schwergewichte des Deutschraps sind aber immer noch die Karren aus dem Tuningbetrieb der Daimler-Tochter Mercedes-AMG. Bushido rappt 2010 in „Ich rap für“ zusammen mit Fler „für die Gosse“, er hoffe, er werde „alle AMG fahren sehn“. Und 2014 reimt er im Song „AMG“ auf „Winston Churchill“: „Mein AMG ist gepanzert wie ein Ninja Turtle“.

Der Stellenwert von Luxusautos hat sich seit der Entwicklung des Trap, eines elektronisch beeinflussten Rap-Subgenre, in Richtung Diversität verschoben: Von Ferrari, Porsche bis zum BMW tauchen heutzutage fast alle Modelle in Rap-Videos auf. Auf die feministische Dekonstruktion lässt sich hierzulande jedoch warten.

Info

* cis bezeichnet im Gegensatz zu trans eine Geschlechtsidentität, die dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entspricht

Reyhan Şahin ist Rapperin und unter dem Künsterinnennamen Lady Bitch Ray bekannt. Die Sprach- und Genderwissenschaftlerin arbeitet unter anderem zur Jugendsprache im Hip-Hop und zur Bedeutung des muslimischen Kopftuchs in Deutschland

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