Das Hündchen von Angela Merkel

SPD „Klare Kante“ im Wahlkampf, knackig im Koalitionspoker. Doch Hunde, die zu laut bellen, beißen nicht gern, heißt es so trefflich im Sprichwortschatz. Eine Warnung

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Das Hündchen von Angela Merkel

Foto: Nigel Treblin/ AFP/ Getty Images

Weil der damalige Premier Tony Blair in der Koalition der Willigen 2003 an der Seite der USA in den Irak-Krieg zog, wurde er von Teilen der britischen Presse als „Bush's poodle“ verspottet. Das lächerliche Etikett bildete die Strafe für eine Entscheidung, die auf falschen Voraussetzungen beruhte.

Für die gleiche Rolle des treuen Hündchens bot sich in den letzten Jahren zumindest in der Europa-Politik auch die SPD gegenüber der Kanzlerin an. Der staatstragende Gestus, den die Altvorderen der Partei dabei an den Tag legten, konnte kaum darüber hinwegtäuschen, dass sie froh waren, nicht selber die Rezepte für die Krise des Euro-Raums finden zu müssen und Merkel auf dem unerprobten Terrain nur zu gerne den Vortritt ließen. Eigene Überlegungen, ein eigenständiger Diskurs, wie sich die Europäische Union zwischen Nationalstaatlichkeit und Superbehörde künftig gestalten ließe – alles Fehlanzeige. Man duckte sich weg. Wen wundert es da, dass die Bürgerinnen und Bürger am 22. September nicht so recht an die Regierungsfähigkeit der SPD zu glauben vermochten.

Auch die Chance, Merkel bei der Verabschiedung von Schutzschirm und Rettungspaketen in der Frage der fehlenden Kanzlermehrheit wenigstens einmal auflaufen zu lassen, wurde konsequent nicht genutzt. Es hätte ja was Schlimmes passieren können. Was ein Blödsinn. Es hätte Merkel lediglich gezwungen, auch mal in ihrer Partei und zwar vor den Augen der Öffentlichkeit die Machtfrage zu stellen und die Kanzlermehrheit zu organisieren, diese zur Not mit der Vertrauensfrage zu erzwingen, wie es andere vor ihr taten. Es hätte sie entzaubert, ihre Machttechnik profanisiert, sie vielleicht von einer Seite gezeigt, die sich nicht auf das unprätentiöse Drüberstehen über der menschlich-politischen Gier nach Zurschaustellung beschränkt. Am Ergebnis der Abstimmung hätte es vermutlich nichts geändert. Ihre eigenen Truppen hätten sie kaum im Regen stehen lassen. Schließlich stimmten auch die Grünen für die Militäreinsätze im Kosovo und in Afghanistan, als es um den Machterhalt ging. Man handelte einfach vorher aus, wer aus Prestige- oder Gewissensgründen dagegen stimmen durfte.

Wie ein Kind im Dunkeln

Dass Merkel in der öffentlichen Wahrnehmung so gut dasteht und ihre, wie es heißt, „geräuschlose Art“ zu regieren in den Medien geradezu verehrend beschrieben wird, liegt sicher zum Teil an ihrem Talent, zum Teil aber auch an der Schwäche ihrer Gegner. Merkel verhält sich in der Politik wie man selbst einst als Kind im Dunkeln: Sie geht einen Schritt und noch einen und noch einen und schaut, was passiert. Ob was passiert. Es muss für sie immer wieder ein grandioses Erlebnis sein festzustellen, dass sich ihr rein gar nichts und niemand ernsthaft in den Weg stellen will.

Für einen kurzen Augenblick nach der Wahl schien es so, als würde der Pudel sich endlich zum Beißen entschließen, als würde die SPD es jetzt wagen, Angela Merkel die hundeschnauzenkalte Schulter zu zeigen. Aber angesichts der Aussicht auf glänzende Posten, auf Machtspielchen statt wirklicher Macht und Verantwortung, auf Karrieren, die schon zu lange warten, wäre dies wohl einfach zuviel verlangt. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, auch diese Weisheit leuchtet den Bürgerinnen und Bürgern allemal ein. Natürlich alles dekorativ verbrämt, mit Konvent und Befragung und allem Pipapo, was zur Gesichtswahrung dazugehört. Am Ende wird es wohl trotzdem noch lange „bei Fuß“ heißen, wenn Frauchen Angela nach dem Hündchen ruft.

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Geschrieben von

Ribanna Rubens

oder Tote dürfen länger schlafen.

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