Rosa im Berliner Grips-Theater

Bühne So möchte ich sein wie die", sollen die Zuschauer denken, wenn sie Rosa gesehen haben, das wünscht sich Volker Ludwig, der Leiter des Grips-Theaters ...

So möchte ich sein wie die", sollen die Zuschauer denken, wenn sie Rosa gesehen haben, das wünscht sich Volker Ludwig, der Leiter des Grips-Theaters in Berlin. Er erfüllte sich mit dem Stück einen lang gehegten Wunsch, die Krönung seiner Arbeit, für die er 2008 mit dem Theaterpreis "Faust" ausgezeichnet wird.

Rosa Luxemburg, ein großer Stoff, diese Persönlichkeit, das sei "Material für fünf Figuren", sagt die Ko-Autorin und Regisseurin Franziska Steiof. Alle Achtung, wie genau die historischen Tatsachen in den Blick genommen und wie historische Charaktere beleuchtet werden, auch Bebel, Kautsky, Zetkin. Zwei rollbare Treppengerüste genügen als Bühnenbild, von oben Karriereleitern, von unten Zellen. Einmal steht der SPD-Funktionär Ignaz Auer (Jörg Westphal) auf der einen Treppe, Rosa auf der anderen, zwischen ihnen eine unüberbrückbare Lücke, ein gutes Bild. Schwieriger ist es mit abgenutzten Motiven, Fahnenschwenken oder schlesischen Arbeitern im Flickenrock. Die historischen Kostüme zeigen zwar gut, wie die Revolutionäre um 1900 in der bürgerlichen Kultur zu Hause waren, ziehen die Texte aber auch ins Gemütliche.

Das Singen von Arbeiterkampfliedern erneuert noch keine kämpferischen Positionen. Auf Sozialisten schließt die Reihen, der Szenenapplaus gilt Jugenderinnerungen. Die Frauenklage Was mir fehlt ist das Leben wirkt larmoyant. Mehrstimmig und schlagkräftig singen die rechten und linken Genossen gegeneinander an. Da entsteht ein Musical-Effekt. Und wo das Gripstheater immer gut ist, im satirischen Couplet, ist es auch in diesem Stück gut. "Wir sind die letzten Linken/ und drohen zu ertrinken/Rosa mach die Linke stark,/aber treib es nicht zu arg."

Durchweg wird jene schöne Idee verfolgt, dass der begabte, liebende Mensch zum Revolutionär werden kann und dass der Revolutionär ein besonders lebendiger, begabter und liebender Mensch sei. Rosa und ihre Liebhaber, das wird witzig und sinnlich gespielt: Leo Jogiches (Sebastian Achilles) im weißen Bett in Zürich, Witold Feinstein, der noch im Akt die neue Losung stöhnt, schließlich Rosas Rock über dem Gesicht ihres Freundes und Anwaltes Levi (beide Robert Neumann). Die Darstellerin Regine Seidler wird zu einer Art wiedererstandener Luxemburg voller Weinen und Lachen, großer Gefühle, kleiner Lüste, ehrlicher Empörung und erschütternder Verzweiflung. Der Beifall für Seidler und das Ensemble war heftig.

Ist Rosa nun Agitation oder Heldinnenballade mit viel Gefühlsseligkeit? Es ist beides im regelmäßigen Wechsel. Und nur die Regelmäßigkeit solchen Wechsels erzeugt ein leises Gefühl von Überfülle, Überlänge. Soll nun der revolutionäre Mythos die alte Linke in ihrem Jugendglauben trösten, oder sollten auch neue Schüler für die Lehren von Rosa Luxemburg gewonnen werden? Das Stück wirkt wie Balsam für die "blauen Flecken auf der Seele" und nicht als Rufen nach neuen Rosas.

Dem Mitfühlen aber kann man sich gar nicht entziehen. Es geht darum, die Tragödie des Revolutionärs zu zeigen, der kein Symbol, sondern ein Mensch ist. In vielen Teilen wirkt das Stück wie ein revolutionäres Wiegenlied. Aber wo ist der Zorn? Am Schluss, in der Schilderung eines Arbeiters, der die Morde an den Spartakisten gesehen hat, da gibt es Zorn. Das führt zu Karl Kraus, der an eine Gutsbesitzerin, die sich gegen Rosa Luxemburg äußerte, schrieb: "Der Kommunismus als Realität..., der Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante Drohung über den Häuptern jener, die da Güter besitzen."

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