Es waren erschreckende Bilder aus der nordfranzösischen Stadt Lille, die zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft der Herren durch die Medien gingen. Eine gehisste Reichskriegsflagge, etwa drei Dutzend Hooligans, die auf friedlich feiernde Ukraine-Fans losgingen und rechte Parolen riefen. Sah es nicht bisher danach aus, dass Hooligans in der Bedeutungslosigkeit verschwinden würden? Dass die Ultra-Fans den Platz der Hooligans einnähmen, zumindest in den höherklassigen Vereinen? Vielleicht war das eine Fehleinschätzung.
Schließlich gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Vorkommnisse, die zeigen, dass in Deutschland rechte Hooligans nach wie vor aktiv sind und sich ihren Platz innerhalb der Fanszene mit Gewalt zurückerobern wollen. Es gab kurze, öffentliche Aufschreie, doch sie hielten nicht lange an. Schnell war vom Einzelfall die Rede.
Zum Beispiel in Duisburg: Ende 2013 prügelten nach einem Heimspiel des MSV etwa 20 bis 30 rechte Hooligans auf Mitglieder der linken MSV-Ultragruppe „Kohorte Duisburg“ ein. Die Angreifer waren bekannt. Es waren rechte MSV-Hooligans sowie Neonazis aus Duisburg und dem nahe gelegenen Dortmund.
Schon Anfang desselben Jahres hatten sich die antifaschistischen „Aachen Ultras“ aufgelöst. Der Grund: Die „Karlsbande Ultras“ machten den „Aachen Ultras“ das Leben schwer, immer wieder wurden sie bedroht und angegriffen. Die „Karlsbande Ultras“ gelten als rechtsoffen, auch wenn sich die Gruppe selbst als unpolitisch darstellt. Es gibt Überschneidungen mit rechten Parteien und Neonazigruppen. In Aachen haben sich die Rechten ihren Platz zurückerobert. Allerdings nicht als Hooligans, sondern unter dem Deckmantel einer angeblich unpolitischen Ultragruppe.
Das Image des Unpolitischen hat für solche rechtsoffenen Gruppen gute Gründe. Dieser Begriff werde genutzt, „um sich nicht kritisch mit Neonazis und diskriminierenden Gesängen auseinandersetzen zu müssen oder diese tolerieren zu können“, erklärt Pavel Brunßen, Chefredakteur des politischen Fußballmagazins Transparent. Der 28-Jährige publiziert und hält Vorträge rund um politische Aspekte des Fußballs, etwa zu rechten Strukturen und Diskriminierung in Fußball-Fanszenen.
Modern und professionell
Auch außerhalb der Stadien versuchten rechte Hooligans in den vergangenen Jahren immer wieder, Gegner einzuschüchtern. Im Oktober 2014 kam es in Köln zu Ausschreitungen, als rund 4.000 Hooligans aus ganz Deutschland unter dem Titel „Hooligans gegen Salafisten“ demonstrierten, ein Großteil der Teilnehmer kam aus der rechten oder rechtsextremen Szene. Im Januar 2016 randalierten im linken Leipziger Stadtteil Connewitz mehr als 250 Hooligans aus dem rechten Spektrum, zerstörten zahlreiche Geschäfte und Kneipen. Der Leipziger Pegida-Ableger Legida feierte zur gleichen Zeit sein einjähriges Bestehen.
Ihre stärkste Zeit haben die Hooligans jedoch schon lange hinter sich. Ab den späten 70ern bis in die 90ern stellten Hooligans noch den „harten Kern“ der Fußballclubs dar, doch Anfang der Nullerjahre mussten sie den Ultras weichen. Die sind oftmals links oder unpolitisch und ihr Fokus liegt nicht auf Gewalt, sondern auf der möglichst kreativen Unterstützung der Mannschaft. Zwar gibt es auch unter den Ultras gewalttätige Personen, diese bilden aber eine Minderheit.
Hooligans haben heutzutage damit zu kämpfen, dass Proficlubs Millionen für Sicherheit ausgeben. Inzwischen vernetzen sie sich unter anderem durch Kampfsportevents. Der Gewaltforscher Robert Claus sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Wir sehen, dass der ganze Bereich des professionellen Mixed-Martial-Arts, des Kampfsports, des Freefights enorm wächst. Das ist ein Markt, der enorm boomt, an dem viele Hooligans professionell trainieren, professionelle Veranstaltungen durchführen, sich professionelle Strukturen und Finanzen aufgebaut haben.“ Kurz: Der Hooliganismus habe sich modernisiert und professionalisiert.
Felix G. war bis 2010 als Hooligan aktiv, heute ist er über 40. Seinen echten Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Ein Rechter sei er nie gewesen, sagt er; einmal habe er einen Neonazi verprügelt, darauf sei er bis heute stolz. Warum ist die Hooliganszene für manche so attraktiv? „Schweiß verbindet“, antwortet er. „Das ist ein Männerkult, Männer wollen sich beweisen.“
Das, so sagt Experte Brunßen, sei ein Grund, weshalb sich Rechte von der Szene so stark angezogen fühlen. „Es gibt eine Nähe in den Wertvorstellungen dieser beiden Milieus: Stärke, Macht, Männlichkeit und Gewaltaffinität sind verbindende Elemente.“ Personelle Überschneidungen und Netzwerke zwischen Neonazis und Hooligans seien deswegen wenig überraschend.
Die Ausschreitungen in Lille werden nicht die letzten Vorfälle von deutschen Hooligans sein. Es wird Zeit, sie nicht weiter als Einzelfälle abzutun.
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