Die Corona-Ampel muss her

Pandemie Ein Blick nach Italien hilft: „Siamo zona arancione!“

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Die Corona-Ampel muss her

Foto: Alberto Pizzoli/AFP via Getty Images

Ich wohne in der Toscana. Letztes Jahr hat die Pandemie meine und einige andere Regionen in Italien stark getroffen. Zugegebenermaßen, die Lage könnte besser sein. In Italien gab es bis jetzt circa 3,4 Millionen Corona-Infizierte. Über 100.000 Menschen sind an oder mit dem Virus gestorben. Alle haben die Bilder aus Bergamo gesehen. Gesehen wie Leichen abtransportiert wurden, weil in den Krematorien kein Platz mehr war.

Die italienische Bevölkerungszahl ist mit rund 60 Millionen Einwohnern im europäischen Vergleich ähnlich hoch wie die deutsche. Die Corona-Inzidenzzahlen sind hinsichtlich der Entwicklung ähnlich. Vielleicht haben wir — in Italien — mehr Fälle. Auch die Impfquoten sind ähnlich. Was die erste Impfung angeht so sind in Italien wie auch in Deutschland circa 9 Prozent der Bevölkerung geimpft. Doch das, was Italien besser macht, ist politische Kommunikation. Es gibt ein „Ampelsystem“, welches die italienischen Regionen grundsätzlich in weiße, gelbe, orangene und rote Zonen einteilt.

„Noi siamo arancione“. Den Satz hab ich in der letzten Zeit oft gehört. Die Toscana wurde kürzlich wieder als orangene Zone ausgewiesen. Davor waren wir „rot“ wie die meisten italienischen Regionen derzeit. Doch „orange“, was heißt das? Bars und Restaurants dürfen ihre Speisen und Getränke nur noch „da asporto“ – also zum Mitnehmen – verkaufen. Viele Einzelhändler*innen haben geschlossen. Supermärkte, Apotheken, Banken „tabaccherie“ und andere notwendigen Geschäfte des täglichen Lebens haben natürlich weiterhin geöffnet. Ausgangsbeschränkungen gibt es zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens; dies jedoch landesweit. Die Stadt respektive Kommune sollte in der orangenen Zone in der Regel nicht verlassen werden. Reisen im Land ist grundsätzlich eingeschränkt. Ausnahmen sind natürlich beispielsweise das Pendeln zum Arbeitsort. Testmöglichkeiten gibt es deutlich mehr als in Deutschland.

Das sind alles recht weitreichende Maßnahmen. Deren Verhältnismäßigkeit, die sicher kritikwürdig ist, mag ich jetzt nicht diskutieren. Den Punkt, den ich indes machen möchte, ist folgender: Die Italiener*innen haben wenigstens das Gefühl, eine Perspektive zu haben. Sie können sich einigermaßen auf die Maßnahmen einstellen, wenn klar ist, wie die Gegebenheiten in der Stadt, der Commune und der Region sind.

Ein derartiges Ampelsystem brauchen wir auch in Deutschland. Der kürzlich veröffentlichte „5-Stufen-Plan“ der Bundesregierung ist für die Bevölkerung viel zu unübersichtlich. Die deutsche Bundesregierung betreibt weiter schlechte politische Kommunikation und lässt die Bevölkerung dabei auf der Strecke.

Derzeit wird im deutschen medialen Diskurs darüber debattiert, ob Mallorca-Reisen angesichts der Feiertage erlaubt werden sollen. Eine derartige Debatte über die Reisefreiheit geht an den relevanten Themen vorbei: Wir müssen vielmehr das Impfen- und die Corona-Testmöglichkeiten deutlich beschleunigen und unbürokratischer organisieren. Ich will gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn die gefährliche brasilianische Corona-Mutation, die auf Mallorca nachgewiesen wurde, nach den Osterfeiertagen auch in Deutschland sein wird.

Für meine Belange hoffe ich nur, dass wir in der Toscana bald „giallo“ sind.

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