Biomilch vom braunen Hof

Landwirtschaft Rechtsextreme Biobauern gefährden immer mehr das gute Image der Branche. Nun beginnen einige Öko-Verbände, sich gegen diese Vereinnahmung zu wehren
Bioverbände fürchten, dass Rechtsradikale den Biolandbau für ihre Ideologien nutzen
Bioverbände fürchten, dass Rechtsradikale den Biolandbau für ihre Ideologien nutzen

Foto: Jens Büttner/picture-alliance/ZB

Wer Bioprodukte kauft, denkt wohl meist an grüne Wiesen und glückliche Tiere, an verträglichen Anbau und linksalternatives Leben. Fast 90 Prozent der Biokonsumenten wollen die Betriebe ihrer Region unterstützen, wie eine Umfrage der Bundesanstalt für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom Anfang des Jahres zeigt. Dass sie mit ihrer Entscheidung für Ökomilch und Biobärlauch auch die Geschäfte von Rechtsextremen und NPD-Mitgliedern beleben könnten, haben die wenigsten im Sinn.

Doch haben sich in Bayern, Sachsen und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern inzwischen mehrere „braune Biohöfe“ etabliert, die von explizit rechts gesinnten Landwirten betrieben werden. Der Dachverband der Bioverbände, der „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW), ist so alarmiert, dass er sich im Juni erstmals offiziell in einer Resolution gegen Rechtsextremismus im Bioanbau positioniert hat. Dennoch tut sich die Branche weiter schwer mit den Öko-Nazis, denn als Denunziant oder Gesinnungsspitzel will auch keiner der Kollegen auftreten.

In Mecklenburg-Vorpommern, genauer in der Region Güstrow-Teterow sowie in den Landkreisen Ludwigslust-Parchim, Nordwestmecklenburg und Ostvorpommern, haben sich die braunen Höfe schon in den neunziger Jahren angesiedelt, da nach der Wende dort die Bodenpreise niedrig waren. Wie viele solcher Siedler es dort genau gibt, ist aber unklar. Im Sammelband Braune Ökologen von 2011 ist allein für die Region Güstrow-Teterow die Rede von 60 Erwachsenen – Tendenz steigend. Doch Fachleute vor Ort halten sich bedeckt. „Wir geben solche Zahlen nicht raus – wir sind ja nicht der Verfassungsschutz“, erklärt die Arbeitsgemeinschaft „Völkische Siedler“. „Es sind jedoch weit mehr, als bisher öffentlich bekannt.“ Die AG hat selbst mit den „Völkischen Siedlern“ nichts zu tun, vielmehr hat sich hier die Gegenseite organisiert – vor allem Mitarbeiter dreier Regionalzentren für demokratische Kultur in Mecklenburg-Vorpommern, der Opferberatung LOBBI und des Vereins Soziale Bildung. Ziel der AG ist es, Informationen zum Thema der braunen Ökologen zu sammeln und in die Öffentlichkeit zu tragen.

Warum ausgerechnet Bio? „Es ist vor allem Ausdruck einer rechtsgerichteten Lebenseinstellung, das Volk soll mit gesunden Lebensmitteln versorgt werden“, erklärt Johannes Melchert vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Er sieht es nicht nur als Problem, dass die Rechtsextremen sich mit dem Verkauf von Fleisch, Milch, Gemüse oder Honig eine Finanzquelle erschließen. Eine Gefahr bestehe auch darin, dass sie ihre Gesinnung in die Dorfgemeinschaften trügen. „Man versucht durch die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln aus kleinen Betrieben eine Normalisierung und Verharmlosung der politischen Einstellung zu erreichen“, sagt Melchert. Ziel der braunen Bauern ist es, sich in die Mitte der Gesellschaft zu schleichen, indem sie sich im Dorfleben, in regionalen Vereinen, Institutionen und Schulen engagieren.

Eine distanzierte Auseinandersetzung der übrigen Dörfler mit den braunen Nachbarn wird damit schwer. Auch die politischen Parteien beobachten die Situation mit Sorge: „Schlimm ist, dass eine gesellschaftliche Unterwanderung stattfindet – so hat die NPD schon versucht, ihre Mitglieder als Elternräte oder Kinderbetreuer einzusetzen“, sagt Andreas Katz, Landeschef der Grünen in Mecklenburg-Vorpommern.

Viele der rechten Landwirte sehen sich in der Tradition der „Artamanen“, einer völkisch-nationalen Siedlungsbewegung der zwanziger Jahre, zu der unter anderem SS-Reichsführer Heinrich Himmler und Auschwitzkommandant Rudolf Höß gehörten. Heute ist die Rede von „Neo-Artamanen“, die ihre abstrusen Ideen mit ökologischen Zutaten gemixt haben. „Für Anhänger einer Ideologie, deren zentraler Aspekt in der Untrennbarkeit von Blut und Boden besteht, der ‚Volkscharakter‘ also durch das vom Volk bewohnte Territorium geprägt ist, ist Umweltschutz fester Bestandteil des politischen und privaten Lebens“, erklärt die AG „Völkische Siedler“.

Ausschluss schwierig

Natur- und Umweltschutz sind bei Rechtsextremen seit jeher wichtige Themen. Bereits 1935 erließen die Nationalsozialisten das Reichsnaturschutzgesetz, das Heimat- mit Naturschutz verband und Elemente der „Blut-und-Boden-Ideologie“ beinhaltete. Die NPD hatte 1973 den Punkt „Volksgesundheit und Umweltschutz“ in ihrem „Düsseldorfer Programm“ und wollte mittels ökologischer Bildung die „Volksgesundheit“ der Deutschen erhalten. Auch im aktuellen Parteiprogramm wendet sich die NPD gegen Gentechnik in Lebensmitteln sowie gegen Massentierhaltung und Tierversuche.

Für Gudrun Heinrich, Politologin von der Universität Rostock, liegt das Risiko darin, dass „durch die Biohöfe eine Verbindung zum positiven Image der Ökologie gezogen wird. Eine weitere Gefahr ist, dass das artgerecht-völkische Gedankentum in Biovertriebe, Bioläden und die Strukturen einsickert.“

Bei „Biopark“, einem der größten Bioverbände Deutschlands, weiß man von zwei Fällen rechts eingestellter Biobauern: Helmut Ernst ist NPD-Mitglied, Huwald Fröhlich betätigte sich als Autor für NPD-nahe Publikationen. Als das herauskam, war die mediale Aufregung zwar groß – die Betroffenen sind jedoch noch immer Mitglied bei „Biopark“. Die Stellungnahme von Delia Micklich, Geschäftsführerin bei Biopark, klingt etwas genervt – zu oft hat sie sich in letzter Zeit für ihre schwarzen Schafe rechtfertigen müssen: „Wir haben eine Satzungsänderung in die Wege geleitet, damit die zwei uns bekannten Betriebe ausgeschlossen werden können. Da diese erst noch von der Mitgliederversammlung beschlossen werden muss, wird das frühestens Ende des Jahres passieren.“

Neben diesen Fällen zeigen kleinere Vorkommnisse, dass sich die Ökobranche mit den ungeliebten Kollegen auseinandersetzen und sich eine Strategie überlegen muss. Der ostdeutsche Bioverband „Gäa“ lehnte vor Kurzem einen Betrieb aus Sachsen wegen dessen rechter Ansichten ab. „Wir sind in Gesprächen und bei Besuchen sensibel geworden“, sagt die Vorsitzende Cornelia Blumenschein. „Wir müssen nicht jeden aufnehmen.“ Bis jetzt sei das kein Problem, jedoch müsse man besonders als Ostverband wachsam sein, da es auch schon Anfragen seitens der NPD gab, „Gäa“ finanziell zu unterstützen. Aber da bestehe „null Chance“, versichert Blumenschein.

Im bayerischen Verband „Biokreis“ gab es einen Anfangsverdacht bei einem Bauern. Dessen Homepage habe „ein wenig verdächtig“ ausgesehen. Bestätigt habe sich dann aber nichts, berichtet Verbandssprecherin Heidi Kelbetz. Den Namen dieses Bauern oder dessen Homepage will sie nicht preisgeben. Größere Probleme vermutet Kelbetz woanders: So gebe es „in Ostdeutschland und Österreich aber ganz sicher nationalistische Tendenzen“.

Druck der Verbraucher

Andere große Verbände wie „Demeter“, „Bioland“ oder „Naturland“ beteuern, das sei auf jeden Fall ein großes Thema – bei ihnen habe es jedoch noch keine rechten Landwirte gegeben. Insgesamt ist die Branche misstrauischer geworden. „Wir haben die Beratung sensibilisiert, man sollte vor allem bei Neukontakten aufpassen“, warnt Gerald Wehde, Pressesprecher für Agrarpolitik bei „Bioland“. „Wenn jemand auffällt, dann erfahren wir das wegen unserer gut ausgebauten regionalen Strukturen, die auch als soziales Netzwerk funktionieren“, versichert die Sprecherin von „Demeter“, Renée Herrnkind.

Aber reicht diese Kontrolle aus? Der Dachverband der Bioverbände scheint selbst nicht ganz überzeugt und hat nun eine Satzungsänderung in die Wege geleitet. Der BÖLW will einen Passus aufnehmen, dass sich die Mitgliedschaft ausschließt, wenn extremistische Positionen vertreten werden. Da so eine Änderung juristisch sehr kompliziert und langwierig ist, hat der BÖLW vorab im Juni die genannte Resolution veröffentlicht. Darin wenden sich der BÖLW und seine Mitgliedsverbände „gegen jeden menschenverachtenden und die Menschenwürde missachtenden Rassismus“. Man verurteile „jeden Versuch, das Prinzip des Öko-Landbaus für rechtsradikale Ideologien zu missbrauchen“.

Neben den Bioverbänden sind es vor allem die Verbraucher, auf die es ankommt. Spielt die politische Gesinnung der Lebensmittelerzeuger überhaupt eine Rolle? Was kann man tun, um mit seinem Kauf nicht indirekt Rechtsextreme zu unterstützen? „Das Problem ist, wenn ich einen Apfel kaufe, ist da vielleicht ein Bio-Siegel drauf, jedoch keins, was mir sagt, dass dieser Apfel einen völkischen Erzeuger hat“, bringt Demokratieforscher Melchert das Problem auf den Punkt.

Dennoch, findet Politologin Heinrich, sollten es sich Verbraucher nicht zu leicht machen. Denn sie könnten sehr wohl etwas ausrichten: „Man muss Druck machen – die Konsumenten müssen Druck auf ihren Laden machen, der dann wiederum Druck auf seinen Lieferanten ausüben muss.“ Jeder Lieferant müsse vor seiner Aufnahme in einen Bioverband überprüft werden, um rechte Gesinnung auszuschließen. Diese Verantwortung liegt bei den Bioverbänden. Aber die Macht liegt letztlich bei den Kunden.

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