Die Lage ist schlecht

Bundestagswahlen Am Sonntag wird gewählt. Ja was denn eigentlich? Ist auch egal. Die Wahl ist die letzte Möglichkeit, sich einbilden zu können, an der Politik noch irgendwie teilzuhaben

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Die Lage ist schlecht

Foto: RLF

Am Sonntag wird gewählt. Ja was eigentlich? Eigentlich auch egal. Die Frage nach dem was ist für die meisten Leute ungleich weniger interessant als die Frage nach dem wer. Wen wählst du also am Sonntag? Die üblichen Figuren, von denen man ohnehin nichts mehr erwartet, oder die neuen Figuren, die noch ein paar Jährchen brauchen, um zu den üblichen Figuren zu werden und die dafür um noch etwas mehr Geduld bitten, man hätte es sich ja selbst "einfacher vorgestellt"?

Wen also wählst du? Als ob das irgendeine Bedeutung hätte: für mich, für dich, für die, die an sich denken, oder für die, die glauben, sie würden etwas tun, wenn sie zur Wahl gehen - für andere, für die Gesellschaft, fürs Vaterland.

Selbstverständlich ist man aufgeklärt: Die Wahlenttäuschung ist bereits eingeplant, als fester Teil der Wahl-Dramaturgie. Jede_r weiß, dass die eigene Stimme nichts bewirken wird oder dass man am Ende von "seiner" Partei betrogen wird. Und trotzdem geht man hin. Wählen ist Volkssport, es zu tun, erlaubt einem, sich als Teil seiner Umwelt zu begreifen: als Teil einer Gemeinschaft und als Teil jenes Staates, der ansonsten keine Gelegenheit auslässt, die wenigen Selbstbestimmungsrechte zu beschneiden, die einem noch bleiben: Informationen, Demonstrationsrechte, Mitbestimmung.

Die Wahl ist der letzte Ausweg, sich doch einbilden zu können, an der Gestaltung der Politik und damit des eigenen Lebens irgendwie teilzuhaben, die letzte Illusion, die noch auf ihre gesamtgesellschaftliche Dekonstruktion wartet, das letzte Feigenblatt, das die Gewalt und den Irrsinn dieses Systems verdeckt, für das wir uns ansonsten so brennend interessieren. Wir wählen also das Feigenblatt. Ihr wählt das Feigenblatt.

Glaubt jemand ernsthaft, dass 10 Prozent für die Piratenpartei irgendetwas am globalen NSA-BND-MI6-Empire ändern werden? Dass die Beteiligung der Linkspartei an der Regierung das Freidrehen der kapitalistischen Krisenachterbahn aufhalten könnte? Dass die Grünen den nächsten sozialen Kahlschlag unter SPD-Regie verhindern würden, wenn ihr Verbleib an der Macht daran gekettet wäre?

Wir glauben überhaupt nichts mehr, am allerwenigsten den Sozialdemokraten. Wir geben auch keine Wahlempfehlung, jede_r hat das Recht auf seinen oder ihren eigenen Selbst-Betrug.

Warum Nicht-Wählen wieder voll im Trend liegt, ob Steinbrücks geheimer Plan, die SPD unter die 5-Prozent-Hürde zu bringen, aufgeht und warum Nicht-Wähler_innen mehr Sex haben, erfahrt ihr diese Woche im Schwerpunkt!

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RLF

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