Show you are not afraid of the Wahlboykott!

Anti-Wahlkampagne Die Position des Nicht-Wählers ist keine einfache: er ist der Aussätzige des Parteien-Volksfestes. Dabei spricht – sachlich betrachtet – eigentlich alles für ihn

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"Wer nicht wählt, darf sich nachher nicht beschweren", "Nicht-Wählen ist scheisse", "Wer nicht wählt, wählt rechts!" - die Vorwürfe, mit denen standhafte Nicht-Wähler dieser Tage konfrontiert werden, sind vielerlei wie zahlreich und sind selbst in zutiefst revolutionären Milieus wie der RLF-Community zu hören. Die Position des Nicht-Wählers ist keine einfache: er ist der Aussätzige des Wahl-Volksfestes, und der Sündenbock der kommenden Wahlenttäuschung.

Dabei spricht - sachlich betrachtet - eigentlich alles für den Nicht-Wähler: Er ist moralisch unbeugsamer, analytisch scharfsinniger, politisch verwegener, hat im Allgemeinen mehr Spaß und meist die besseren Argumente. Doch sachlich geht es ja in der Politik nur selten zu. Das weiß auch der große germanische Schriftsteller Martin Walser, der lieber Merkels "Dasein" erleben möchte als die richtigeren Einwände Steinbrücks (wie er selbst zugibt). Wenden wir uns also der unsäglichen Unsachlichkeit zu, mit der alle vier Jahre die fatale Wahl-Tat begangen wird.

Da wäre zum Beispiel jener Mythos zu nennen, der sich so zäh hält wie Kaugummi und demzufolge vor allem rechtsradikale Parteien von der eigenen Wahlabstinenz profitieren würden. Eine Unsachlichkeit unsäglicher Natur. Denn, rein rechnerisch, profitieren vielmehr diejenigen Parteien, welche die Nicht-Wähler im jeweiligen Fall nicht gewählt hätten, und zwar entsprechend ihres relativen Stimmengewichts. Das heißt: Profiteure des Wahlboykotts sind maßgeblich die großen Parteien, also dieselben Akteure, die gewinnen, wenn man wählen gehen würde.

Doch kein Mythos ohne einen anderen, der ihn ersetzen könnte: Um zu verhindern, so lautet ein weiterer Einwand aus der Community, dass die Nazis die 0,5-Prozent-Hürde überspringen könnten, das heißt um rechten Hetzern nicht auch noch qua staatlicher Parteienfinanzierung unter die Arme zu greifen (0,85 Cent pro Stimme), ist der Gang zur Urne quasi antifaschistische Bürgerpflicht. Bei genauerer Betrachtung hat sich auch hier der Fehlerteufel eingeschlichen: Denn durch das Abgeben der eigenen Stimme würden nicht die Rechten eine Stimme weniger bekommen, sondern nur eine Stimme weniger im Verhältnis zu ihrem Gesamt-Stimmenanteil: statt 100 Prozent der einen Stimme weniger (also eine ganze Stimme weniger) nur 0,5 Prozent dieser Stimme weniger, also nur eine Nullkommafünftel-Stimme weniger (angenommen die Partei hätte einen 0,5 Prozent Stimmenanteil). Nicht jede Stimme gegen rechts ist eine Stimme weniger für rechts! Außerdem: Entscheidend für das Erreichen der 0,5-Prozent-Hürde und für die Finanzierung der Rechten aus Staatstöpfen ist die Aktivierung der rechten Stammwähler, nicht das Wählen der fünf im Parlament vertretenen Parteien.

Erschreckender sind hingegen die Zahlen derjenigen Wähler, die sowohl das moralische Rückgrat als auch das intellektuelle Kaliber eines Nicht-Wählers besitzen, und trotzdem zur Wahl gehen. Es sind dies Massen latenter Nicht-Wähler, die wir für unsere Anti-Wahlkampagne "50 minus X" sehr gut gebrauchen könnten, die sich aber stattdessen von den PR-Agenturen der Parteien einsäuseln lassen, sie täten mit ihrem Kreuzchen etwas gegen rechts, gegen die CDU oder zumindest was fürs Freibier auf der Wahlparty.

Scheut euch nicht davor, eure Stimme zu behalten. Bleibt fern dem Parteien-Zirkus. Wähler aller Länder, macht Schluss!

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