Das Dilemma der Literaturkritik, oder?

Literaturkritik -- Anlässlich des Ingeborg-Bachmann-Preises --

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Literaturkritiken zu äußern oder schreiben, fällt besonders dann leicht, wenn man sich zuvor eine feste Meinung darüber gebildet hat, was gute Literatur ausmacht. Und je mehr anerkannte Parameter in ein zu fällendes Urteil einfließen, um so besser. Die Literaturgeschichte sollte man kennen, ebenso jüngere Trends, bis in die sogenannte Postmoderne hinein, ob man ihr flirrendes Erscheinen gut heißt oder nicht, und die Begriffsbildung für geglückt hält. Ebenso sollte man sich mit dem Werkbegriff von Kunst beschäftigt haben, auch wenn vielleicht nicht alles, was zur Rezension gelangt, Ansprüche dieser Art hegt. Werk ist Werk, oder etwa nicht? Und wenn nicht Kunst, dann naturverbundenes, schweißgetränktes Arbeitsresultat. Dass in den Rahmen des traditionellen Werkbegriffs der Kunst für Tanz, Improvisation und gebrochene Linie kein Platz ist, muss nicht der Literaturkritik angelastet werden, oder? Nicht um ein Gehampel auf der Bühne, auch nicht um ein Gestriche auf ner Leinwand. So etwas wären in der Literatur ja nicht einmal gediegene Vorträge!

Die Aufgabe der Literaturkritik ist immer eine dreifache. Sie beginnt (1.) mit der wohlwollenden Entdeckung, unabhängig davon, ob man sich später gezwungen sieht, das Entdeckte (leider) zu vernichten. Um ein Buch zur Hand zu nehmen, ja sogar in beide Hände, bedarf es eines ungewissen Wohlwollens dem Autor und dem Verlag gegenüber. Diese entgegengebrachte Zuneigung sollte jedoch nicht überstrapaziert werden. Ansprüche sind zu erfüllen, die Ansprüche der Kritik. Werden diese Ansprüche unbedarft gereizt, dann schlägt die Kritik zu, zwangsläufig! Dies ist Gesetz, die Erfüllung des Schicksals, dem sich seit alters her auch Götter unterzuordnen haben, oder nicht? Dass sich ein solches Gesetz historisch nicht belegen ließ und lässt, heißt ja nichts. Wer hat schon Zugang zur Götterwelt und spürt, ja weiß, welchen Problemen man dort oben in dünner, sauerstoffarmer Luft ausgesetzt ist ... Als gesellschaftlich anerkannter Experte lässt sich dieses Dilemma gut nachempfinden, oder nicht?

Außer der Haltung, die man sich freilich auch zu erarbeiten hat, mit einem schwergängig- und -wiegenden Runzeln über den Texten und mit sich unversehens bildenden Bläschen und Pickeln auf arg strapazierter Haut, hat die Literaturkritik (2.) dem Autor die Wege zu weisen, die einzigen, die auf die Gipfel des Olymp führen können, um sich fortan als wolkiger Nebel vom eilfertigen Wetter zerzausen zu lassen ..., oder? Oder nicht? Beginne ich in der dünnen Luft den Olymp mit den Schweizer Alpen zu verwechseln, oder?

Wie dem auch sei, ich bin kein Experte. Was immer ich hier tue, ich rate nicht! Ein solches Raten in gemäßigter Form, ein Anraten, sozusagen ein Raten im anfänglichen Beginn, neigt sich (3.) den Lesern zu. Von Verantwortung zu sprechen, wäre wohl übertrieben, die Freiheit der potentiellen Buchkäufer soll keineswegs beschnitten werden, aber Gründe für oder gegen einen Kauf, die ließen sich vorab formulieren. Um jedoch Gründe erfassen zu können, bedarf es jener festen Meinung, einer, die sich nicht zerzausen lässt, die wie in Stein gemeißelt erscheint, in den Felswänden der düsteren Höhlenunterwelt? Na, soviel Improvisation, das geht nicht gut, oder?

Zu beachten ist vor allem der Erzähler, aber kann man ihm die Verantwortung überlassen? Nein, der ist ja auch bloß erfunden, der Autor steht letztlich ein! Was immer aus einem Text erkennbar wird, das Resultat zählt! Sorry, da stimmt was nicht. Ist die feste Meinung nur was für die Katz, ein Youtube-Video, das zu nichts anderem taugt als zum beiläufig schmunzelnden Vergnügen, oder?

[Eine Entgegnung!]

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Geschrieben von

R.M.

Anmerkungen über Politik und 'Kultur'.

R.M.

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