E-Books und gestalterische Angemessenheit

eBooks Es ist ein Recht von Bürgern, Neues skeptisch zu betrachten. Im Hinblick auf eBooks sind Vorbehalte weit verbreitet. Anbei einige Anmerkungen zur Gestaltung:

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Mit der Publikation „Ästhetik des eBooks - Beginn einer Debatte“, hg. vom Kuratorium der Electric Book Fair - auch bei mininore.de erhältlich -, wurde auf Vorwürfe reagiert, eBooks seien aus gestalterischer Sicht mit Papierbüchern nicht zu vergleichen. Friedrich Forssman hatte in seinem Artikel „Warum es Arno Schmidts Texte nicht als E-Book gibt“ beklagt: „Zur Ästhetik des E-Books kann ich gar nichts schreiben, denn es gibt sie nicht.“ Dass es an einer Ästhetik fehle, begründete er mit der Einschätzung: „Die Form des E-Book-Textes auf dem Reader ist zufällig, frei wählbar und bestenfalls eine Zumutung.“ Diese harsche Kritik kann durchaus zutreffen, auch dann, wenn die technischen Mittel, die ePub bereitstellt, genutzt wurden. Leser haben die Möglichkeit, solche Darstellungsvorgaben auszuschalten. Es ist allerdings auch möglich, Papierbücher zu zerlegen, um sie z.B. leichter kopieren zu können. Spätestens nach einigen Kopiervorgängen, auf die uni-nahe Copy-Shops während meines Studiums spezialisiert waren, ließ Bibliothekare und Mitarbeiter der Restaurationsabteilungen arg jammern.

Nach einer Schönheit von Büchern zu fragen, erweist sich in der Praxis relativ rasch als pragmatische Frage nach einer jeweiligen Angemessenheit, unter Einbezug der gestalterischen Mittel und der Nutzungen. Für den Druck stehen für solche Zwecke über lange Zeiträume entwickelte DTP-Programme zur Verfügung, in denen globale, dokument-, seiten- als auch absatzspezifische Vorgaben erstellt werden können. Sogar die Abstände von Zeichen eines Fonts sind korrigierbar. Diese umfangreichen Eigenschaften haben dazu geführt, dass von relativ vielen Verlagen zunächst nur PDF-Dateien als eBooks angeboten wurden, die als Druckdateien ohnehin zu erstellen waren. Die eingebetten Druckfonts waren und sind nicht für Bildschirmanzeigen optimiert. Forssmans Kritik richtet sich jedoch nicht gegen die Abgabe solcher Druckdateien, sondern gegen Buchdateien, die auf Basis von strukturiertem HTML (XHTML) erstellt wurden, sich gerade dadurch auszeichnen, flexible Darstellungen zu ermöglichen, in Abhängigkeit von diversen Bildschirmeigenschaften.

Außer HTML, das sich als einfache Auszeichnungssprache im Internet bewährt hat, ist ebenso CSS (Cascading Style Sheets) einsetzbar, das gleichfalls für das Netz entstand. Es handelt sich um eine zusätzliche Auszeichnungssprache, mit der sich z.B. für Überschriften und Absätze konkretere Vorgaben entwickeln lassen. So können Absätze mit Einzügen beginnen, ganze Absätze eingerückt werden, Ränder oben und/oder unten, Schriftgrößen relationale Angaben erhalten. Bereits mit dem aktuell verbreiteten CSS 2.1 lässt sich erstaunlich viel bewirken, jedoch keine - und dies muss kein Nachteil sein -, Seiten generieren. Ein solches Vorgehen ist möglich, weil E-Pub-Dateien Container sind, die u.a. XHTML-, CSS- und Font-Dateien enthalten können.

Die Arbeitsumgebung eines Buchdesigners ist im Hinblick auf die Gestaltung von eBooks eine völlig andere. Ich möchte nicht von erforderlichen Programmierungen sprechen, weil HTML als auch CSS keine Programmiersprachen, sondern Auszeichnungsprachen sind. Es werden in CSS lediglich Klassen z.B. von Absätzen angelegt, auf die man sich innerhalb des HTML beziehen muss, damit die jeweiligen Parameter die Anzeige beeinflussen können. Dies alles kann in einem Editor erfolgen, der für diese Auszeichnungssprachen und die ePub-Container entwickelt wurde.

Ein besonderes Problem ist, für Papierbücher und eBooks gleichermaßen, geeignete Fonts zu finden. Nicht nur eine oberflächliche Lesbarkeit spielt aus gestalterischer Sicht eine Rolle, sondern auch Detailfragen, z.B. im Hinblick auf die Abstände von Zeichen innerhalb eines Wortes. Als wir noch im AutorenVerlag Matern Papierbücher im Programm hatten, für diese Postscript-Fonts einsetzten, stellte es sich als besonders schwierig heraus, eine Schrift für Massentexte zu finden, die keine Löcher produzierte. Unsere Rettung war die Sabon, eine Garamond-Variation von Jan Tschichold, die auf dem Markt preiswert als Savoy angeboten wurde und über Erweiterungen, sogenannte Experten-Schnitte verfügte. Für Umschläge entdeckten wir vor allem eine Humanist mit angedeuteten Serifen.

Da jedoch Garamondschnitte an Bildschirmen relativ schlecht lesbar sind, musste für Massentexte in eBooks nach einer Alternative gesucht werden. Um nicht gänzlich auf Serifen verzichten, regelmäßige Abstände der Zeichen erhalten und über einen großen Zeichenvorrat verfügen zu können, wählten wir eine Linux-Libertine, eine besondere Times-Variation. Times-Schnitte wurden einst für die engen Kolummen von Tageszeitungen entwickelt. Im Hinblick auf die kleinen Bildschirme von Lesegeräten schien uns die Wahl passend zu sein, zumal Times-Schnitte an Computern bereits früh zu einem Standard wurden, auch falls sich unter Betrachtern Irritationen ergeben sollten.

Zum Schluss einige Worte über Umschläge. Auf individuelle Gestaltungen wollten wir auch bei eBooks nicht verzichten. Es ist durchaus verständlich, falls man sich verlagsintern entscheidet, ein allgemeines Raster zu entwickeln, um deutlich zu machen, aus welchem Verlag ein eBook kommt, auch bei der Anzeige von Thumbnails. Doch entwickeln sich nicht nur Bildschirme und Shopanzeigen - Amazon verlangt inzwischen sogar die Abgabe von druckbaren Postern -, auch können jeweilige Titel in einem reihenhaften Design leicht untergehen. Die Lust an der gestalterischen Integration von Kräften aus den Bildenen Künsten blieb uns auch für eBooks erhalten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

R.M.

Anmerkungen über Politik und 'Kultur'.

R.M.

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