Lesezeit

Kultur und Soziales Die Zeit, die Menschen zur Verfügung bleibt, um Artikel oder Bücher zu lesen, ist knapp.

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Die im Zuge von Brachenveränderungen ins Zentrum gerückten Fragen nach Druckerzeugnissen, Internet und anderen digitalen Formaten lassen nur die Angebotsseite in den Blick fallen. Lesezeit ist zu einem Luxusgut geworden.

Besonders auffällig wird dieser Sachverhalt, wenn man für die Phase nach dem Vorweihnachts- und Feiertagsstress schlecht vorgesorgt hat, durch eine fehlende Urlaubsplanung, nicht mal etwas zum Lesen bereitliegen hat, zumindest nichts, das einem als wert und bewältigbar erscheinen könnte. Arbeitsbedingungen, die kaum Zeit für ein privates Leben lassen, gleichgültig ob im Rahmen von Management-Tätigkeiten oder prekären Verhältnissen, durch Engagements in sozialen Netzwerken, in denen sich Privates und Berufliches hemmungslos mischt - auch wenn Zeit plötzlich greifbar scheint, entweder pulsiert die Unruhe nach oder ein Schlag entkräftet, bindet den Blick ans Grau der städtischen Mauern und des Asphalts.

Es bedarf geeigneter sozialer Bedingungen, die eine Aufnahmefähigkeit und Interessensentfaltung fördern. Beschränkungen der Arbeitszeit wurden in den Industrieländern einst als soziale Errungenschaften gefeiert. Diese nationalen Lösungen sind im Zuge der internationalen Konkurrenz längst aufgeweicht worden. Das Eigeninteresse an einem gesünderen Arbeitsmaß ist der Lust gewichen, preiswerte Auslandsware einkaufen zu können, ohne die Konsequenz zu berücksichtigen, die für den heimischen Arbeitsmarkt entstanden ist. Es geht nicht allein um Billigwaren: Unternehmen aus den Schwellenländer wie Indien oder China sind zu Konkurrenten bei der Herstellung von Qualitätserzeugnissen geworden. Die traditionellen Industrienationen sind nicht mehr privilegiert.

Ist dieser Hintergrund mitentscheidend dafür, dass in Musik und Literatur ein Konventionalismus entstanden ist, der wenig herausfordert? Erlaubt die Funktionstüchtigkeit der westlichen Gesellschaften nur noch ein flaches Hören und Lesen von Musik, Noten und Romanen? Zeigt die diesjährige vorweihnachtliche Filmwirtschaft den Weg in eine neue kulturelle Infantilität: die ‘Hobbit-Kultur’? Gäbe es keine Impulse mehr, dann ließe sich das Abendland zu Recht verabschieden. Hoffnungen müssten andere erfüllen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

R.M.

Anmerkungen über Politik und 'Kultur'.

R.M.

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