Perspektiven der Philosophie

Philosophiedebatte Manfred Frank, emeritierter Professor für Philosophie an der Universität Tübingen, fehlt es an einer „gedanklichen Wucht“?!

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Manfred Frank, emeritierter Professor für Philosophie an der Universität Tübingen, hat in der FAZ beklagt, dass in Deutschland kaum mehr der deutsche Idealismus eine Rolle spielt, und er fügte hinzu: „Seine gedankliche Wucht versandet im Kleinteiligen.“ Nun war es aber gerade die „Wucht“ der alten Systemphilosophie, die sie obsolet werden ließ – explizit bezieht Frank z.B. Hegel ein –, weil durch die unzureichende Berücksichtigung von Details vielfach nur Pathos übrigblieb. Wer große Entwürfe vermisst, wäre vielleicht in der Theologie besser aufgehoben, als in der Philosophie. Die veränderte Aufnahme der hegelschen Philosophie durch die sogenannte „Kritische Theorie“ endete letztlich in Messianismen (vgl. die Studien von Kai Pege und Reinhard Matern über Horkheimer u. Adorno), oder in einer pragmatischen Wende, die Habermas vollzog, weil ihm klar geworden war, dass ein Denken philosophisch nicht ausreichen kann. Ohne sprachliche Aktivität ließe sich (a) nicht denken, (b) nichts vermitteln. Doch auch diese Wende führte nicht zu sprachtheoretischen Untersuchungen, die eine Basis hätten bilden können, sondern zu einer Theorie des kommunikativen Handelns, die Sprache lediglich pragmatisch streift.

Franks Einschätzung, dass auf dem Kontinent inzwischen die analytische Philosophie einen Siegeszug erlangt habe, deren einstige Betreiber vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen waren, nach Jahrzehnten wieder auf dem Kontinent Fuß fassen konnte, erläutert zwar historische Entwicklungen, mehr jedoch nicht. Ernster zu nehmen ist sein Vorwurf, die analytische Philosophie bilde ihrerseits eine Scholastik aus. „Viele Analytiker aber glauben fest, alle alten Irrtümer der philosophischen Tradition seien im neuen (wohlgemerkt: analytischen) Schulwissen korrigiert, Fortschritte an Einsichten stillschweigend berücksichtigt. Das ist eine Form des Hegelianismus, der jeden nachhaltigen Gedanken als Meilenstein auf dem Weg zum „absoluten Wissen“ aufhob und mitnahm.“

Diese beschiebene Entwicklung in der analytischen Philosophie, die ihre Grundhaltung verrät, die aus heutiger Sicht vor allem in einer Sprachkritik bestand, ist durchaus verständlich. Doch in diesem Kontext wäre etwas relevant, das Frank mit Schopenhauer am Ende seines Artikels bestreitet. Er teilt die Ansicht, dass Neues selten etwas einbringt. Dabei wäre gerade eine Sprachkritik analytischer Ansätze das geeignete Mittel, um gegen die kontinentale Scholastik anzugehen. Kai Pege hat sich in „Eine Theorie des selektiven Bezugs“ (Version 1.1, im Vertrieb von minimore.de) einer Kritik gewidmet, die dem Anspruch gerecht wird, nicht einfach auf älteren Glaubenssätzen aufzubauen. Alternativ gibt es in der analytischen Philosophie aber durchaus Rückwendungen. Diese sind in der Regel jedoch nicht sprachlich motiviert, sondern buhlen um eine Teilnahme an den großen alten Themen der Philosophie. Dem Kontinent fehlt es an Kreativität, und die universitären Ausbildungen fördern diese auch nicht.

Der Beitrag entstand für die Ruhrbarone.

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Geschrieben von

R.M.

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