Es gibt kein Butterbrot umsonst! Mit dieser Parole wollte der Neoliberalismus den Menschen soziale Daumenschrauben anlegen, um die Lebensbedürfnisse auf Biegen und Brechen der Verwertungslogik des Kapitals unterzuordnen. Das war bereits ein Notstandsprogramm, denn die Produktivkräfte sind längst über die kapitalistischen Grenzen hinausgewachsen. In der neoliberalen Ära wurden einerseits intakte Ressourcen mangels Verwertbarkeit stillgelegt, andererseits setzte die Politik der Deregulierung eine Finanzblasen-Ökonomie frei, die über lange Zeit eine sub-stanzlose Akkumulation erzeugte. Die davon genährte Defizitkonjunktur führte in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern zu einer einseitigen Exportorientierung, während sich die G
e Gesellschaft aufspaltete in Arme und Teilhaber am oft nur fiktiven Reichtum. Jetzt bringt der Zusammenbruch der Finanzblasen-Ökonomie an den Tag, dass die Verwertung in letzter Instanz doch von realer Nachfrage abhängt. Der schwarze Peter der Simulation von Kaufkraft wird von den Finanzmärkten an die Staatsfinanzen übergeben.Das Kunststück, ohne massenhafte neue Verwurstung menschlicher Arbeitskraft für die Produktion von Mehrwert dennoch eine ausreichende Nachfrage zu erzeugen, wird freilich auch dem Staat nicht gelingen. Die bisherigen Konjunkturprogramme sind nicht nur zu schwach, sondern in ihrer Wirkung zu verzögert, um den aktuellen historischen Einbruch auffangen können. Es ist das Pech der politischen Klasse in der Bundesrepublik Deutschland, dass dieses drastische Abschmelzen der weltweiten Nachfrage ausgerechnet in ein Superwahljahr fällt. Ohne sündhaft teure Wahlgeschenke droht den staatstragenden Parteien ein Debakel. Trotzdem fehlt der Wille, den Armen ein Butterbrot umsonst zu geben. Auch in der Krise sollen die Lebensverhältnisse für einen wachsenden Teil der Bevölkerung prekär bleiben, damit kein sozialer Druck verloren geht. Also verständigte man sich auf die berüchtigte Abwrackprämie, um dem heiligen Herz der deutschen Autoindustrie einen Schrittmacher zu verpassen.Schlacht um ZusatzrabatteDieses Wahlgeschenk für die verunsicherte Mittelschicht hat allerdings seine Tücken. Es kann den Einbruch der Exportnachfrage nicht kompensieren. Auf dem Binnenmarkt entsteht ein Sog zu Kleinwagen, der vorzugsweise durch Importe aus Asien und Südeuropa bedient wird. Deutsche Premium-Hersteller bleiben auf ihren Nobelkarossen sitzen. Als weitere Nebenwirkung bricht der ohnehin angeschlagene Gebrauchtwagenmarkt umso schneller zusammen. Gleichzeitig entbrennt zwischen den Anbietern eine Schlacht um Zusatzrabatte auf Kosten der Gewinne. Die staatliche Prämie weckt Begehrlichkeiten aller anderen Konsumgüterindustrien, die nicht einsehen, warum nur der Absatz von Autos subventioniert werden soll, obwohl sie doch nicht minder von der mangelnden Nachfrage betroffen sind. Ganz nebenbei enthüllt die Abwrackprämie den Selbstzweck-Charakter des Kapitals: Mutwillig werden Autos verschrottet, die noch fünf Jahre fahren könnten, bloß damit unter hohem Energie- und Materialaufwand die Produktion weitergeht. Aber das ökologische Problem spielt für die Krisenverwalter keine Rolle; sie verschieben es in eine Zukunft, die jenseits ihres politischen Daseins liegt.Alle wissen natürlich, dass die staatliche Simulation von Kaufkraft für den Binnenmarkt zur Inflation führt. Der „seriöse“ Kreditrahmen ist längst erschöpft. Ohnehin bildet die Sorge um die Staatsfinanzen nur die Kehrseite der Lust an repressiver Sozialverwaltung. Der Zusammenhang von Lohnarbeit, Einkommen und Konsum ist zerrissen, ohne dass neue reale Verwertungspotentiale in Sicht wären. Alle materiellen Ressourcen sind reichlich vorhanden, aber sie gehen nicht mehr durch das Nadelöhr des Zwangs, aus einem Euro zwei zu machen. Das darf nicht laut gesagt werden. So könnte Finanzminister Steinbrück doch noch kurzfristig alle Bedenken fahren lassen, um das Wahlvolk bei der Stange zu halten. Wenn die Abwrackprämie verpufft, werden als Tropfen auf den heißen Stein weitere teure Geschenke fällig, die nur noch direkt aus der Notenpresse zu finanzieren sind.Vor einigen Monaten waren schon einmal Konsumgutscheine im Gegenwert von 500 Euro für jeden Bürger im Gespräch. Diese Ideen tragen unbewusst dem Notstand Rechnung, dass die Produktivkräfte nicht mehr in die kapitalistische Form eingebannt werden können. Aber eine wahltaktisch motivierte „Geschenkökonomie“ trägt nicht weit. Unter den herrschenden Produktionsverhältnissen bleiben solche Programme perspektivlos, sofern die kapitalistische Maschine nicht rechtzeitig wieder anspringt. Dann könnte eigentlich gleich die Produktion von Falschgeld erlaubt werden. Deshalb wird es nach der Bundestagswahl schnell wieder heißen, dass nur der Tod umsonst ist – und nicht einmal der.Sobald für einige Jahre kein politisches Legitimationsbedürfnis mehr besteht – sprich: keine Bundestagswahl stattfindet – darf die Krisenverwaltung wieder ihr hässlichstes Gesicht zeigen. Dann könnte es für die Mehrheit ein böses Erwachen geben.