Rettung ohne Gewähr

Karstadt Das Überleben des Kaufhaus-Konzerns ist noch nicht in trockenen Tüchern. Wenn es klappt, hat die Insolvenzverwaltung einfach ein gutes Timing erwischt

Zu groß, um pleite zu gehen? Im Sinne eines Risikos für das Gesamtkapital stellte sich diese Frage zuerst bei den als „systemrelevant“ eingestuften Banken, die zu überaus teuren Rettungsfällen für den Staat wurden. Aus anderen Gründen galt der Auto­konzern General Motors als zu bedeutend, um ihn gänzlich abzuwickeln. Hier sprang der amerikanische Staat aus Sorge um den industriellen Standort und die Wählerstimmen ein.

Nachdem sich die Staubwolken der GM-Insolvenz ein wenig gelegt haben, ist die Staatshilfe für die deutsche Tochterfirma Opel zweifelhaft geworden. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Samariter-Tätigkeit des Staates nicht abgerufen werden kann. Dazu gehört der Bankrott der Arcandor-Gruppe, die bekannte Marken des Einzelhandels geschluckt und sich dabei gründlich verzockt hatte. Von der Konkursmasse fand das Großversandhaus Quelle weder beim Staat noch bei Investoren Gnade. Das einstige Prunkstück des Wirtschaftswunders wurde eingeschläfert – der zentrale Komplex in Nürnberg-Fürth ist heute eine Geisterstadt wie die alten Hallen von Grundig und AEG. Der ebenfalls vom Absturz Arcandors mitgerissene Kaufhaus-Konzern Karstadt mit seinen 25.000 Beschäftigten dagegen zog nach einer Durststrecke der Insolvenzverwaltung zwar nicht mehr das Auge von Vater Staat, aber begehrliche Blicke von Investment-Gesellschaften auf sich.

Es ist ja nichts Neues, dass unternehmerische Schnäppchen-Jäger in der Krise entwertetes Sach- und Warenkapital gern für ein Butterbrot aufkaufen, bevor sie selber über den Jordan gehen oder eben doch ein all­gemeiner Aufschwung kommt. Für Karstadt fanden sich drei Bieter: ein Konsortium namens Triton, der Privatinvestor Nicolas Berggruen und die Highstreet-Gruppe (mehrheitlich von Goldman Sachs und der Deutschen Bank kontrolliert). Das klang spontan ebenso vertrauenerweckend, wie die gestellten Bedingungen nachhaltig wirkten. So wurden die 98 Kommunen mit Karstadt-Filialen zum Verzicht auf Gewerbesteuereinnahmen genötigt. Berggruen erhielt nun den Zuschlag, weil er als einziger alle Beschäftigten übernehmen will. Vorausgesetzt allerdings, die Karstadt-Vermieter – niemand anders als die am Poker beteiligte Highstreet-Gruppe – stimmen starken Mietreduzierungen zu.

Wenn es klappt, hat die Insolvenzverwaltung einfach ein gutes Timing erwischt. Während Quelle vom Krisenstrudel 2009 weggespült wurde, hält sich Karstadt inzwischen im Umfeld der Konjunkturprogramme über Wasser. Und obwohl beim Finanzcrash Billionen Dollar und Euro verbrannt wurden, hat die Geldschwemme der Notenbanken seitdem die Investment-Fonds wieder mit Liquidität gefüttert. Deshalb wecken Konkursobjekte vermehrt Kaufgelüste. Egal, ob es sich um den Organhandel mit Leichenteilen von Unternehmen oder um ein wirkliches Interesse am Weiterbetrieb handelt. Sparprogramme und Währungskrisen mit neuen Konjunkturein­brüchen als Folge könnten allerdings beiden Optionen einen Strich durch die Rechnung machen. Karstadt bleibt wie Opel ein Grenzfall der Kapitalentwertung. Die Zukunft des Unternehmens und der Beschäftigten – so heißt es – sei gesichert; aber die Zukunft hat heutzutage vielleicht nur noch die Reichweite einer Galgenfrist.

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Geschrieben von

Robert Kurz

Publizist und Journalist

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