„Säubern“, „Reinigen“, „Beseitigen“

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Am 22. Juni 2009, dem Tag an dem im Norden Afghanistans die laut taz „größte Bodenoffensive der Bundeswehr in der Geschichte der Bundesrepublik“ (1) in der deutschen Medienlandschaft ihren Widerhall fand, wurde die Sprache wieder ekelhaft im Land.

Verteidigungsminister Jung, der den Kampfeinsatz im Übrigen „noch immer nicht Krieg nennen will“ (3), nutzte derweil die Pressekonferenz in Berlin dazu, zu erzählen, „wie schön er das feierliche Gelöbnis am Montag vorm Reichstag fand. Auch habe er Anfang Juli sehr gern erstmals Tapferkeitsmedaillen an Bundeswehrsoldaten verliehen.“ (1)


Schneidiger kam da schon der Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan daher, der einräumte, dass es "an der Zeit“ gewesen sei, „diese Eskalation vorzunehmen" (1) und der sogleich die "Zeitidee" der laufenden Offensive erläuterte, die darin bestünde, dass die Lage in Chahar Dara "innerhalb einer Woche so bereinigt ist, dass man Kontrolle über diesen Raum hat." (1)

Die „Maßnahme“, wie Jung diese Kriegseskalation wohl nennen würde, steht unter dem Kommando des afghanischen Militärs, deren Führung auch keinen Zweifel an dem kriegshygienischen Charakter des Einsatzes lässt. So betont Murad Ali Murad, Oberkommandierender der Afghanen, mit der Offensive sollte die Region von Taliban "gereinigt" werden. (3) Auch Gouverneur Mohammad Omar ließ verlautbaren, dass mit Hilfe der Deutschen nun afghanische Sicherheitskräfte dazu imstande seien, "den Distrikt zu säubern." (1)


In einem Kommentar eines Artikels über die aktuellen „Maßnahmen“ im Raum Kabul auf sueddeutsche.de, ließ dann auch ein Leser keinen Zweifel daran, dass er Sinn und Zweck der Waffenbrüderschaft gut verstanden habe: "Viel Erfolg beim Einsatz für die kämpfenden Truppen, egal ob Bundeswehr oder Amerikaner! Die Beseitigung der Taliban ist freilich eine Arbeit, die sehr mühsam wird." (2)


Erstmals zum „Einsatz“ unter Beteiligung der Bundeswehr im Norden kommen nun Panzer, Mörser, Predator-Drohnen und Kampfflugzeuge. „Die Unterstützung aus der Luft war in dem Gebiet bislang Tabu. Grund: Die USA stehen wegen zahlreicher Opfer unter der Zivilbevölkerung bei Luftangriffen in der Kritik.“ (3) Dabei ist die Sprachreglung über das zu „Beseitigende“ selbst medial nicht einheitlich. Während in den deutschen Massenmedien und vom Verteidigungsminister in der Öffentlichkeit aus Legitimationsgründen von „Taliban“ die Rede ist, die ja laut Jung kein „militärischer Gegner“, sondern „Terroristen“ seien, lautet der terminus technicus vor Ort: „Aufstandsbekämpfung“.


Tatsächlich hatte das Hamburger „Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ im Mai 2008 den afghanischen „Widerstand“ weit differenzierter beschrieben. Dabei handele es sich im Wesentlichen um heterogene Widerstandsgruppen, deren Motive nicht einmal einheitlich sind: islamistische oder nationalistische Paschtunen, Drogenhändler, lokale Kommandeure, Warlords, Al-Qaida-Terroristen, ausländischen Jihadisten, religiöse Fundamentalisten, Antizentralisten und autonome Kräfte.


Bei diesem ganzen sprachlichen Wust geschichtsvergessener Ungeheuerlichkeiten, ist von einstigen hehren Zielen in Afghanistan wie Demokratie, Menschenrechten und Freiheit offiziell so gut wie gar nicht mehr die Rede. Ziel scheint es nur noch zu sein, die afghanische Polizei und das Militär so aufzubauen und auszustatten, dass die Ali Murads und die Omars ihre „Reinigungs-“ und „Säuberungsaktionen“ selbstständig verrichten können – ein Polizei- und Militärstaat.


Das Verrutschen der Kategorien, dass sich mit diesem Krieg in unsere Sprache und unsere offizielle Politik eingeschlichen hat, ist alarmierend. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis dieses sogenannte Konzept der „vernetzten Sicherheit“, de facto eine Verwischung von Polizei und Militär, von innerer und äußerer „Sicherheit“, auch auf uns zurückfallen wird. Dass Jung die Bundeswehr auch bei uns im Inneren gegen „Terroristen“ einsetzen will, hat er mehrfach erklärt. Die widerliche Sprache der schlimmsten Zeit der deutschen Geschichte ist jedenfalls mit diesem Krieg bereits zu uns zurückgekehrt. Ein Krieg, den die Bevölkerung in ihrer übergroßen Mehrheit ablehnt und nicht will. Wie sich zeigt, vollkommen zu Recht.

Quellen:

(1) Ulrike Winkelmann: Im Krieg, in taz: 22.07.2009: www.taz.de/1/politik/asien/artikel/1/kampfeinsatz-gegen-die-taliban/

(2) "Es ist Zeit für Eskalation", sueddeutsche.de, 22.07.2009: www.sueddeutsche.de/politik/21/481491/text/

(3) Matthias Gebauer und Shoib Najafizada: Bundeswehr verstrickt sich in Kämpfe gegen die Taliban, Spiegel-online, 22.07.09: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,637609,00.html


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Geschrieben von

Robert Zion

Gruenen-Politiker, Publizist

Robert Zion

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