Back to the Graveyard

Plattenkritik 13 von Black Sabbath ist das beeindruckendste Comeback in der Rockmusik bis dato, findet Robert Zion

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Bild: Cover

Von Robert Zion

Manche Geschichten des Rock lesen sich in der Tat recht eigenartig. Als John Michael Osbourne, Frank Anthony Iommi, Terence Michael Joseph Butler und William Thomas Ward am am 17. November 1969 – nüchtern und in nur 12 Stunden – ihre erste Platte „Black Sabbath“ im Studio aufnahmen, war dies für die vier einfachen Jungs aus der Arbeiterstadt Birmingham ihre erste und wohl auch einzige Chance, aus einem tristen und vorherbestimmten Leben in der Fabrik auszubrechen. Osbournes Vater hatte sich hierin zu Tode gearbeitet, er selbst als Junge in bitterster Armut in den von Görings Luftwaffe hinterlassenen Bombenkratern gespielt. Der Ausbruch gelang – düster, gewaltig und erruptiv. Seltsame Parallelen. Zehn Jahre später wiederholte sich in Manchester mit JOY DIVISION eine ähnliche Geschichte. Während es bei JOY DIVISION Factory-Records und Produzent Martin Hannett waren, die der Band um Sänger Ian Curtis die Rock-Flausen austrieben und sie zum schwarzen Rohdiamanten des unterkühlten Post-Punk zusammenpressten, waren es bei „Ozzy“ (Gesang), „Tony“ (Gitarre), „Geezer“ (Bass) und „Bill“ (Schlagzeug) das Major-Label Warner und Produzent Roger Bain, die den Nukleus legten.

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Die Band wurde nach einem B-Horrorfilm BLACK SABBATH benannt, Warner fügte dem Plattencover ein umgedrehtes Kreuz und vor dem titelgebenden Opener “Black Sabbath“ (Video) als Intro Gewittergrollen, Regenprasseln und eine einsame Totenglocke hinzu und veröfftenlichte das Album am Freitag, den 13. Februar 1970 in England. Der Rest ist Rockgeschichte. Tausende Alben unzähliger Metal- und Indie-Bands später, für die der erste Powerchord in G-Moll von „Black Sabbath“ das tonale Erweckungserlebnis darstellte, leben die vier aus Birmingham immer noch, Unmengen von Drogen und Alkohol zum Trotz. Aber: „Never Say Die“! 1978 war es die undankbare Aufgabe Bill Wards, dem zum Drogen- und Alkoholwrack gewordenen Ozzy mitzuteilen, er möge bitte die Band verlassen. Und Ozzy hat weitergemacht und BLACK SABBATH haben weitergemacht, personell im Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel der alten Rockheroen, mal mit dem RAINBOW-, mal mit dem DEEP PURPLE-Sänger, aber nie mehr die Magie des Anfangs einfangend.

Bis vor kurzem zumindest. „Is this the end of the beginning/Or the beginning of the end?“, singt Ozzy mit seiner typisch nölenden aber glasklaren Stimme auf dem Opener von „13“. Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Auf jeden Fall haben es BLACK SABBATH noch einmal gemacht, eine Platte für die Rockgeschichte, die – mit Ausnahme ihres Debüts von 1970 – selbst die eigenen Alben epigonenhaft erscheinen lässt. Produzent Rick Rubin hatte der Band zunächst verordnet, sich die eigenen alten Platten anzuhören. Das haben sie so aufmerksam getan, dass sie dabei glücklicherweise ihren Weg aus der Schwerindustrie durch die Knochen- und Kommerzmühlen der Musikindustrie einfach beiseite gelassen haben. „13“ klingt als ob es METALLICA oder MONSTER MAGNET nie gegeben hätte und erklärt dabei gleich noch wie selbstverständlich, warum es diese später geben musste. Was einen wie den Produzenten Rick Rubin eigentlich umtreibt, der den drei Mitsechzigern (Bill Ward ist nicht dabei) ein ähnliches Statement vor dem heranrückenden Ende entlockte, wie JOHNNY CASH mit den schier ergreifenden „American Recordings“, ist auch eine nicht so leicht zu beantwortende Frage. Vielleicht ja doch der Nachweis, dass es etwas in der Popkultur gibt, das tatsächlich „bigger than life“ ist: Die Magie des Anfangs, eines einzigen Moments in dem alles zusammenkommt, wie jener dröhnende, schwere G-Moll-Akkord vom 17. November 1969, der die Musikwelt verändert hat.

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Well, I dont’t want to live forever/But I don’t want to die“, singt Ozzy im sechsten Stück „Live Forever“. Nun, den Wunsch wird ihnen auch Rick Rubin nicht erfüllen können, aber er hat ihnen vermittelt, dass sie sich ihr eigenes Denkmal meißeln können, wenn sie die Platte – wie im November 1969 – nur nüchtern einspielen, auch im Bewusstein, dass dieses Denkmal bald auf ihren eigenen Gräbern stehen wird: Nachdem der allerletzte, schwere Akkord des letzten Songs “Dear Father” verklungen ist, hört man Gewittergrollen, Regenprasseln und eine dünne, einsame Totenglocke. Und so ist „13“ mit Sicherheit das beeindruckendste, vielleicht sogar das einzig gelungene Comeback in der Rockmusik bis heute. In der Tat zugleich the end of the beginning and the beginning of the end.

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Geschrieben von

Robert Zion

Gruenen-Politiker, Publizist

Robert Zion

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