Deeskalieren, Stabilisieren, Kooperieren

Politik mit Augenmaß Zum Durchbrechen der Eskalationsspirale im Konflikt um die Ukraine. Von Ludger Volmer und Robert Zion (Grüne)

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Ein Mann vor Plakaten in Kiew
Ein Mann vor Plakaten in Kiew

Foto: SERGEI SUPINSKY/AFP/Getty Images

(21.03.2014)

Europa hat mit seinen Signalen an Moskau Stärke gezeigt und demonstriert, dass das russische Vorgehen gegenüber der Ukraine nicht akzeptabel ist. Europa besteht zu Recht auf der Geltung des Völkerrechts und auf einer Heilung der erfolgten Verletzung. Europa verlangt zu Recht die Garantie der territorialen Integrität und des Selbstbestimmungsrechts aller ehemaligen Staaten der Sowjetunion und des Sowjetblocks (wie Polen, Baltische Staaten etc.) einschließlich der freiwillig eingegangenen Bündnisverpflichtungen. Europa betont zu Recht die eigene Werteordnung, das Beharren auf Demokratie und friedlichem Interessenausgleich sowie eine integrative Nachbarschaftspolitik. Zugleich aber sollte Europa anerkennen, dass andere Völker in anderen Regionen mit anderen historischen und sozialen Voraussetzungen andere Kultur- und Politikmuster ausgeprägt haben. Europa sollte sich zu einem vorurteilslosen Kulturdialog verpflichten. In diesem Sinne sollte es - am allerwichtigsten – als eine politische Union und eine politische Union auftreten.

Sanktionen können nur ein erstes Symbol des Missfallens sein. An einer vielleicht unkontrollierbaren Eskalation dürfte keine Seite Interesse haben. Jegliche militärische Auseinandersetzung muss vermieden werden. Deshalb sollte auf der beschriebenen Basis Moskau ein ernsthaftes Angebot gemacht werden, den Konflikt um die Ukraine nicht zu eskalieren, sondern in einem ersten Schritt einzufrieren, um ihn dann mit der Zeit konstruktiv zu lösen.

Das betrifft auch den finalen Status der Krim und ihrer nachbarschaftlichen Beziehungen. Wer die Herauslösung des Kosovos aus dem jugoslawischen Staatenbund trotz entgegenstehender Verfassungsbestimmungen gebilligt und gefördert hat, kann der Bevölkerung der Krim - ungeachtet der berechtigten Kritik an den völkerrechtswidrigen Regularien des Referendums - einen entsprechenden Willen nicht prinzipiell verweigern.

Es gilt, das Auseinanderbrechen der Ukraine, einen Bürgerkrieg und die Gefährdung des Weltfriedens zu vermeiden. Deshalb sollte die EU die Initiative ergreifen, mit Kiew und Moskau im Rahmen einer Dreierkonferenz (eventuell eingebunden in die Strukturen der OSZE) Einigung darüber zu erzielen, wie die Ukraine als Brückenstaat mit Scharnierfunktion zwischen Ost und West zum Nutzen aller drei Seiten gestaltet werden kann. Freie Wahlen, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und Minderheitenrechte im Rahmen einer republikanisch-föderalen Verfassung sowie entsprechende Regelungen zur Nachbarschaftspolitik sollten Prämisse und Leitideen sein. Die Initiative sollte die Klausel beinhalten, dass die provisorische Revolutionsregierung in Kiew keine völkerrechtlich bindenden Verträge abschließt. Diese müssen einer demokratisch legitimierten Regierung vorbehalten bleiben.

Wenn Moskau auf ein solches Gesprächsangebot eingeht, können wir Hoffnung auf einen konstruktiven Neubeginn der Beziehungen haben. Sollte Moskau es ausschlagen, müssten wir uns auf eine Phase der Konfrontation einstellen. Sollte die EU ein solches oder ähnliches Gesprächsangebot nicht unterbreiten, könnte sie sich mitschuldig machen an einer Eskalation, über die ganz Europa „schlafwandelnd“ – wie Christopher Clark die Mentalität von Europas Politikern vor dem Ersten Weltkrieg genannt hat – in eine erneute Katastrophe gerät.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Robert Zion

Gruenen-Politiker, Publizist

Robert Zion

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