„Der Gott, an den ich nicht glaube, ist ein jüdischer“
David Ben-Gurion (erster Premierminister Israels)
Seinen „Unglaubensgenossen“, so nannte Sigmund Freud, der atheistische Jude, einmal den anderen Juden Heinrich Heine. Zuweilen bezeichneten diese sich, wie etwa der Dichter der Toleranz Gotthold Ephraim Lessing im "Spinozastreit" auch, als "Pantheisten". Ebenso Albert Einstein. Zweifellos gibt es in der europäischen Aufklärung bis heute, bis zu Jacques Derrida und Judith Butler, eine große Tradition der Beeinflussung prägender Linien dieser Aufklärung durch aus dem Judentum stammende Philosophen, Wissenschaftler und Künstler. Die Diaspora, die Zerstreung der Juden vor allem über Europa, über die Jahrhunderte und jeweiligen Mehrheitskulturen hinweg, war so gesehen vielleicht auch eine Hochzeit für die jüdische Kultur und ihres keineswegs auf Religion beschränkten komplexen Charakters, trotz aller Verfolgungen, Pogrome und Vorschriften der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft.
Nach „Auschwitz“, das der jüdische Philosoph Jean-François Lyotard im Sinne Kants als „Geschichtszeichen“ deutete, dem keinerlei historisches Resultat aus der Dialektik der Geschichte mehr folgen könne, brach diese Traditionslinie hierzulande ab. Die „Endlösung der Judenfrage“, die in der Tat auch als eine solch endgültige Auslöschung gedacht war, hat in Deutschland diese Traditionslinie ein für allemal durchkreuzt. „Seit Auschwitz heißt den Tod fürchten, Schlimmeres fürchten als den Tod“, schrieb Adorno, der demgemäß auch nur noch eine negative Dialektik in der Geschichte wiedererkennen konnte.
Fortan bedeute Jude sein in Deutschland, nur noch Teil einer religiösen Minderheit zu sein, selbst, wenn die Religion keinerlei Rolle mehr für diese Menschen spielte. Gerade diejenigen, die sich mit der Geschichte des Landes der „Dichter und Denker“ vor allem unter dem Gesichtspunkt der enormen Einflussnahme von jüdischen Intellektuellen von Mendelssohn bis Freud identifizieren konnten, mit dem Denken etwa der vollständigen Immanenz Gottes in der Welt und immer an den Grenzen unser Erkenntnis sich bewegend, gerade für diejenigen blieb und bleibt aber weiterhin die historische Identifikation mit dem Judentum unumgänglich.
Darum ist es viel zu einfach von einem „jüdisch-christlichen“ Kulturkreis zu reden (es ist sogar falsch), ebenso, wie es viel zu einfach wäre, säkularisierte Juden nur als religionslos darzustellen und es ist grob vereinfacht, das Judentum in Deutschland einfach nur als eine von vielen gleichberechtigten Religionsgemeinschaften zu sehen. Dabei geht es keineswegs um „Schuld und Sühne“, es geht um das, was Michel Friedman jüngst in der Beschneidungsdebatte das „Fremde, das erst einmal Angst und Abwehr hervorruft“, genannt hat. Das Judentum ist nicht das Christentum quasi in seinen Kinderschuhen, es hat sich nicht nur in der absoluten Transzendenz Gottes einen zutiefst nicht-christlichen Kern bewahrt, es hat längst ebenso einen historischen und dabei höchst diesseitigen Charakter angenommen.
Man ist nicht nur Jude durch Beschneidung, durch Aufnahme in die Religionsgemeinschaft, man ist auch Jude durch die Familiengeschichte, den Namen, oftmals auch durch die bewusste Wiederaneignung der jüdischen, eben keinesweg allein religiös geprägten Traditionslinien. Man ist auch Jude, wenn man versteht, dass es nicht nur um den Schutz von Minderheiten geht - darum geht selbstverständlich auch -, sondern auch um eine entscheidende Bereicherungen der Mehrheit durch die Minderheit, nicht durch Anpassung, sondern gerade durch das Fremde, das Abweichende: die Differenz.
Es bedarf keiner allzu großen Abstraktionsleistungen, um zu begreifen, dass das, war für die Juden in unserem Kulturkreis und unserem Land gilt, einmal ebenso für Muslime gelten sollte und gelten wird. Die fast vollständig mehrheitsgesellschaftlich-christlich geführte Beschneidungsdebatte hat nur wenig Kenntnis, gar Verständnis für das je eigene der „zur Debatte“ stehenden Minderheiten offenbart. Hinter der Emphase für die Rechte des Kindes verbarg sich nicht selten die Ablehnung alles Religiösen schlechthin. Wie so oft bei Symbol- und Wertedebatten in diesem Land auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen. Dass dabei aber - rechtspositivistisch und medizinisch überdeckt - zuweilen urchristliche Vorstellungen von der Heiligkeit und damit impliziten Entkörperlichung des Körpers perpetuiert wurden, wird wohl nur dem aufgefallen sein, dem eine ernstzunehmende Metaphysik- und Religionskritik aus unsere Geschichte auch vertraut ist.
Und es ist eben kein Zufall, das diese – von Spinoza bis Sigmund Freud – von Juden entscheidend geprägt wurde. Darum gilt es immer wieder daran zu erinnern: Die Shoah hat viel mehr in diesem Land vernichtet, als das Leben von Millionen Menschen. Die Entscheidung des Bundestags lässt zumindest die Möglichkeit offen, dass dies einmal wiederkehren könnte.
[Nachtrag 29.12.2012]
Der Autor dieser Zeilen ist Spinozist, ebenso wie S. Freud, A. Einstein, Golda Meir oder David Ben-Gurion. Wer in der Geschichte des jüdischen und jüdisch geprägten Denkens nicht bewandert ist, dem mag die Figur der absoluten Transzendenz Gottes ebenso wenig vertraut sein, wie deren modern-säkulare Variante der vollständigen Immanenz Gottes in der Welt. Darum sei auf die Neuauflage von Yirmiyahu Yovels "Spinoza. Das Abenteuer der Immanenz" (Steidl 2012) verwiesen, in dem die geistesgeschichtlichen und historischen Hindergründe herrausragend dargelegt sind.
Kommentare 42
'Hinter der Emphase für die Rechte des Kindes verbarg sich nicht selten die Ablehnung alles Religiösen schlechthin. Wie so oft bei Symbol- und Wertedebatten in diesem Land auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen. Dass dabei aber - rechtspositivistisch und medizinisch überdeckt - zuweilen urchristliche Vorstellungen von der Heiligkeit und damit impliziten Entkörperlichung des Körpers perpetuiert wurden, wird wohl nur dem aufgefallen sein, dem eine ernstzunehmende Metaphysik- und Religionskritik aus unsere Geschichte auch vertraut ist.'
Danke! Das ist ein Punkt, der mir in den xx Diskussionen auch immer wieder auffiel: wie wenig besonders die religionslosen Beschneidungsgegner sich darüber im Klaren zu sein scheinen, daß und wie sehr auch sie vom Christentum und dessen Vorstellungen von Körper und 'Naturzustand' beeinflusst sind.
Zum Thema fand ich sehr lesenswert den Artikel 'Markierte Körper' von Michel Chaouli in Die Zeit, daraus:
'Die Gegner der Kindesbeschneidung hängen einem Bild des Leibes an, der in seiner Natürlichkeit unversehrt ist. Doch dieses Bild ist ein Phantom. Einen solchen Leib – einen Leib außerhalb aller kulturellen und symbolischen Leistungen – bekommen wir schlicht nie zu greifen. Denn mit »natürlichem Leib« meinen wir ja nicht den Körper, so wie ihn »die Natur« uns bei der Geburt darbietet. Wir meinen einen Leib, wie er »natürlicherweise« sein soll. Wenn wir sagen, dass Menschen an jeder Hand fünf Finger haben, dann meinen wir, dass es zur Konstitution »des Menschen« gehört, fünf Finger an jeder Hand zu haben, was Ärzte dazu befugt, knorpelige Auswüchse, mit denen viele Babys geboren werden und die aussehen wie ein sechster Finger, zu entfernen, ohne befürchten zu müssen, vom Gesetz belangt zu werden. Der natürliche Leib ist mithin keine Tatsache, die man sich auf ewig sichern könnte, sondern eine Norm, die sich mit der Zeit wandelt.'
Widerliches Kinderschändergeschwalle.
Was möchten Sie mit 'Widerliches Kinderschändergeschwalle' aussagen?
Alle Juden, alle Muslime, alle anderen, die ihre Söhne beschneiden lassen, sind 'widerliche Kinderschänder'? Alle, die sich auf nicht völlig vulgär-atheistische Weise Gedanken über Religion, Werte, Normen machen, sind 'widerliche Kinderschänder'?
Oder ist Ihre Kernaussage vielmehr 'Ich, Ratcreutz, habe Scheißlaune und suchte nach der größtmöglichen Entgleisung und das Erstbeste, das mir einfiel, war 'Widerliches Kinderschändergeschwalle'?
Na, dann bin ich ja beruhigt.
Ja, Herr Zion, es hat sich eine parteienübergreifende und allgemeine Vernunft in dieser Frage, mit recht großer Mehrheit durchgesetzt.
Allerdings, die angestammten und langlebigen Rechte großer und wichtiger Minderheiten sind geschützt, nicht unbedingt bestärkt worden.
Denn, so sehr ihre Verweise auf die philosophische Sicht und die Tradition der säkularen jüdischen Denker angebracht sind, so sehr gilt auch, gerade wenn sie Derrida, Freud oder den konvertierten und wundenreichen Heine ernst nehmen, dass die Gegnerschaft gegen das neue Gesetz und die ernsten, nicht schmähenden Stimmen, auch einen Anruf an die Glaubensgemeinschaften darstellen, ihrerseits mehr Öffnungen zu wagen.
Ganz im Sinne einer Aufforderung, in ihrer religiösen Mitte und kulturellen Nähe Menschen Platz zu bieten, die sich den Geboten der Vielen und der Mehrheiten in den Minderheiten nicht völlig anschließen wollen und können, die also säkularer denken und handeln, aber trotzdem anerkannte Mitglieder der Gemeinden, anerkannt in ihrer Zugehörigkeit und Identität innerhalb der Religio und der Kultur, zu sein wünschen.
Die offene Gesellschaft hat vernünftig gehandelt, aber sie stellt zwangfrei Anforderungen in alle Richtungen. Das ist ein Gewinn!
Bei dem neuen Gesetz geht es ja darum, aus den möglichen Schuld und Sühne Vorwürfen, so sehen es ja die Gegner und außerparlamentarischen Kritiker, nicht Verbrechen und Strafe werden zu lassen.
Auf sehr lange Sicht verändern auch die Kritiker, wenn sie fair bleiben, das, was sie kritisieren, auch wenn es sehr gut ist, dass ihre Dogmatik in diesen Angelegenheiten keinen Erfolg hatte.
Mir fiel jedenfalls ein Stein vom Herzen. Der Bundestag hat weise entschieden.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Eine Kommentar in WDR 5 brachte es auf den Punkt:
Religionen haben eine Lobby - Kinder nicht!
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Von der Fraktion Die Linke im Bundestag das Interview der Woche zum Thema: 'Pro und Contra in der Beschneidungsdebatte'.
Allgemein: Es ist eine Abwägung von Pro und Contra. Für mich wiegen die körperliche Unversehrtheit der Kinder und die Rechte der Kinder mehr als die Traditionen der Erwachsenen.
"Religionen haben eine Lobby - Kinder nicht!"
Da stimme ich insoweit zu.
"Dem ist nichts hinzuzufügen."
Ich füge etwas hinzu, etwas alternativ jüdisch-christliches:
Aus dem Thomas-Evangelium, Logion 53: "Seine Jünger sagten zu ihm: Ist die Beschneidung uns nützlich oder nicht? Er sprach zu ihnen: Wenn sie nützlich wäre, würde ihr Vater sie schon beschnitten in ihrer Mutter zeugen. Aber die wahre Beschneidung im Geist hat vollen Nutzen gehabt."
Aus der Bibel, Jeremia 4,3-4 (Übersetzung Gute Nachricht Bibel): "Ja, dies sagt der Herr dem Volk von Juda und den Bewohnern Jerusalems: »Pflügt den Acker völlig um, statt unter die Dornen zu säen! Beschneidet euch so, wie es mir gefällt, nämlich an euren Herzen. Schafft weg, was euch von mir trennt. ...«"
Was ich unterstreichen wollte: "Aber die wahre Beschneidung im Geist hat vollen Nutzen gehabt." und "Beschneidet euch so, wie es mir gefällt, nämlich an euren Herzen."
@roter bayer: Die Bibel ist uninteressant, denn man kann mit ihr alles Belegen, sogar das Gegenteil. So etwas hat für mich höchstens kulturhistorische Bedeutung.
Sorry, natürlich nicht alles. Meine Waschmaschine ist defekt - dazu steht nichts in der Bibel...
{„Mir fiel jedenfalls ein Stein vom Herzen. Der Bundestag hat weise entschieden.“}
Ja, es wird wohl notwendiger denn je, die Sensibilität bei den Themen „Körperliche Unversehrtheit“ und „Selbstbestimmung“ den Realitäten anzupassen.
Wer im Bundestag Karriere machen will, muss sich der Normativität der Faktischen Machtverhältnisse unterordnen.
Erdöl und Drohnentechnologie sind viel zu wichtig für unsere Volkswirtschaft, um die religiösen Würdenträger ihrer Besitzer zu enttäuschen...
[Dabei geht es keineswegs um „Schuld und Sühne“, es geht um das, was Michel Friedman jüngst in der Beschneidungsdebatte das „Fremde, das erst einmal Angst und Abwehr hervorruft“, genannt hat.]
Diese These, die Sie Herrn Friedmann in den Mund legen, können Sie bei I.Eibl-Eibesfeld, "Liebe und Hass finden". Sie ist nachweislich falsch.
Bezeichnend ist, dass genau diese These unter dem Motto "Die Angst vor Fremden" von einigen Pseudointelektuellen mit tendenziell rechter Gesinnung aufgegriffen wurde, die sie als Rechtfertigung für "Fremdenfeindlichkeit" (=Ausländerfeindlichkeit) benutzten.
Diese These nun ausgerechnet mit Judentum und der Beschneidungsproblematik in Verbindung zu bringen ist schon delikat.
Es ist nicht das "Fremde" an dem Ritus der Beschneidung, das Abwehr hervorruft, sondern das, was über diesen Ritus, seinen Ursprung, seine Durchführung und seine Rechtfertigung, die damit zusammenhängenden Nötigungen von Eltern, Druck und Zwänger, bekannt wurde.
Was soll denn für einen Juden/eine Jüdin, die Beschneidung wehrloser Kinder ablehnt fremd sein? Haben Reformjuden wie Abraham Geiger und samuel Holdheim die B. abgelehnt, weil sie ihnen fremd war?
Nein, sondern, weil sie sinnlos, grausam und nachweislich NICHT Kennzeichen des Bundes zwischen dem Volk Israel und Gott ist.
[Man ist auch Jude, wenn man versteht, dass es nicht nur um den Schutz von Minderheiten geht - darum geht selbstverständlich auch -, sondern auch um eine entscheidende Bereicherungen derMehrheit durch die Minderheit, nicht durch Anpassung, sondern gerade durch das Fremde, das Abweichende.]
Das scheint Ihre ganz persönliche Definition vom Judesein zu sein. Befremdlich (im Sinne von "abweichend") oder treffender formuliert "unverständlich" finde ich, dass Sie, der sich Philosoph nennt, behaupten ohne zu begründen und unzulässige Verallgemeinerungen aufstellen.
Wieso soll denn (generell) eine Minderheit eine Mehrheit bereichern?
Warum soll Fremdes, Abweichendes (wovon abweichend?) eine Bereicherung sein?
Stellen Sie doch einmal einen Herrn Friedmann neben einen Herrn Barenboim und einen Herrn Kramer neben einen Herrn Schonfeld. Manch einem Nichtjuden ist der Papst und herr Gauck oder Frau Merkel oder ... "fremder" als Herr Schonfeld. Woran liegt's?
[Die fast vollständig mehrheitsgesellschaftlich-christlich geführte Beschneidungsdebatte hat nur wenig Kenntnis, gar Verständnis für das je eigene der „zur Debatte“ stehenden Minderheiten offenbart.]
Behauptung ohne Beleg und ohne Begründung/Beleg. Reine Spekulation und völlig haltlos.
[Hinter der Emphase für die Rechte des Kindes verbarg sich nicht selten die Ablehnung alles Religiösen schlechthin.]
Kein Beleg, keine Begründung. Halte ich aber für möglich. Und außerdem für legitim, denn erstens hat jeder nicht nur das Recht einer bestimmten Religion oder religiösen Richtung anzuhängen und andere abzulehnen, sondern auch alles Religiöse abzulehnen. Erst recht einen sinnlosen, auf Irrtum und/oder Lüge beruhenden Brauch der Beschneidung von Kindern.
Es lohnt sich nicht auf den Rest Ihrer Spekulationen einzugehen. Schönrednerei, Sophistik und Ablenkungsmanöver , um es nicht ganz so drastisch zu formulieren wie ein Mitforist (zu Recht).
Ach so? Die jüdisch-muslimische Weltverschwörung entschied gestern im Bundestag?
Und ich dachte schon, alle Abgründe im Rahmen der Beschneidungs-Diskussion wären bereits durchschritten...
"Wer im Bundestag Karriere machen will, muss sich der Normativität der Faktischen Machtverhältnisse unterordnen."
Das ist durchaus ein interessanter Punkt, den Sie da ansprechen. Noch dazu wenn nicht etwa, wie man in einer rechtsstaatlichen Demokratie erwarten könnte, anonym, sondern namentlich abgestimmt werden muss.
Da muss man eventuell um einen Listenplatz bangen.
Ich hörte Leute sagen, dass ihnen ihre Karriere bzw. Ihre Existenz wichtiger ist, als die Beschneidung jüdischer und muslimischer Kinder. Sie sagten: "Sollen die doch mit ihren Kindern machen, was sie wollen. Was geht mich das an."
Was folgt aus dieser Einstellung schlimmstenfalls? Dass manch einer denkt und/oder sagt:
"Sollen die doch mit Juden und Muslimen machen, was sie wollen, was geht mich das an? Soll ich deretwegen meine Existenz und die meiner Kinder auf's Spiel setzen? Die hatten kein Mitleid mit ihren Kindern und ich habe keins mit denen."
{Ach so? Die jüdisch-muslimische Weltverschwörung entschied gestern im Bundestag?
Und ich dachte schon, alle Abgründe im Rahmen der Beschneidungs-Diskussion wären bereits durchschritten...}
Wenn polit-ökonomische Interessen Entscheidungen beeinflussen, mögen Sie das "Weltverschwörung" nennen.
Welche "Abgründe" wohl tiefer sind? Die Naivität, solche Interessen zu ignorieren? Oder die Dreistigkeit, einen möglichen Zusammenhang mit einem propagandistischen Etikett zu deformieren?
"Der Bundestag hat weise entschieden."
Im letzten Monat des Jahres ist sie noch kreiert worden: die Phrase des Jahres!
Vielleicht glauben Sie es nicht, aber ich gebe Ihnen dafür:
* * * * *
Da spricht der Etiketten-Fachmann, nämlich der, der Intersexuellen auch schon das Etikett 'widernatürlich' anheftete.
Liebermann, der vielstrapazierte.
Ich frage mich immer wieder, warum Menschen, die sich irgendwo links verorten, keinerlei Probleme damit haben, wenn Erwachsene rituelle Körperverletzungen an Kindern (und noch dazu an deren Geschlechtsteil) begehen. Man kann ja gerne die Motive für diesen Ritus in Betracht ziehen, aber dann doch nicht auf der anderen Seite über das Kernproblem kein Wort verlieren.
Sehr emanzipatorisch ist das nicht. Andererseits, Emanzipation und Grüne, das sind Perlen vor die Säue.
>>Die Gegner der Kindesbeschneidung hängen einem Bild des Leibes an, der in seiner Natürlichkeit unversehrt ist. Doch dieses Bild ist ein Phantom. Einen solchen Leib – einen Leib außerhalb aller kulturellen und symbolischen Leistungen – bekommen wir schlicht nie zu greifen.<<
Sie können das noch fünfhundertmal hier anführen, sinnvoller wird's trotzdem nicht.
>>Der Bundestag hat weise entschieden.<<
Weise wäre es gewesen, wenn der Bundestag wenigstens dem Änderungsantrag von Lischka et al. zugestimmt hätte. Dann wäre man auch dem Ziel der Rechtssicherheit näher gekommen. Die Weigerung, wirklich etwas zu regeln und damit einfach nur alles zu erlauben, macht sehr deutlich, dass die Frage des Kindeswohls bei der Entscheidung des Bundestages keinerlei Rolle gespielt hat.
"Die Bibel ist uninteressant, denn man kann mit ihr alles Belegen, sogar das Gegenteil."
Aus der Bibel, Genesis 17,9-14 (Übersetzung Gute Nachtricht Bibel): "Weiter sagte Gott: »Mein Bund mit dir und deinen Nachkommen legt euch eine Verpflichtung auf, die ihr erfüllen müsst, in jeder kommenden Generation: Jeder von euch, der männlichen Geschlechts ist, muss beschnitten werden. Ihr müsst bei allen die Vorhaut am Geschlechtsteil entfernen. Dies soll Zeichen dafür sein, dass ich meinen Bund mit euch geschlossen habe. ...«"
Deshalb meine Frage: Worauf beruft sich die jüdische Religion bei der Beschneidung denn?
Sowohl Mose wie auch Jeremia geben die Worte Gottes wieder, und beide Bücher gehören zur jüdischen Bibel, dem Tanach. Deshalb meine Frage: Wer hat nun recht: Gott oder Gott?
Das ist die Strafe für Gotteslästerung. :-)))
Ich hatte das Problem mit meinem Rechner.
Die Beschneidungsdeabtte aus religiösem Blickwinkel zu deuten, ist völlig unsachlich. In den USA sind 50% der Männer beschnitten. Die überwältigende Mehrheit davon sind Christen. In den USA haben die Kinderärzte dieses jahr Beschneidung empfohlen, weil die Vorteile überwiegen. Der Bundestag hat sich mit seiner Entscheidung in diese westliche Wertegemeinschaft ganz normal eingefügt.
Es gibt nur ein nationales Problem deutschnationaler Extremisten, nach denen die deutsche Vorhaut anders behandelt werden soll, als es in ziviliserten Staaten üblich und medizinisch empfohlen. Wer das auf Relgion bezieht, betätigt sich als unsachlicher Religionskrieger. Auf beiden Seiten. Das allerdings hat seit 1000 Jahren Tradition in Europa (siehe Synode von Clermont im Jahre 1095, Papst Urban II, der zum Kreuzzug gegen die Beschnittenen rief) weit entfernt von der westlichen Wertegemeinschaft.
"das Fremde, das erst einmal Angst und Abwehr hervorruft“
Ich, seit Jahrzehnten in christlich-muslimischer Ehe mit Kindern, habe eine Idee, wie wir diese lästige Angst und Abwehr überwinden könnten:
Wir sollten bei den Kleinen anfangen: Schon im Kindergarten müsste man jetzt regelmäßig Filme von Beschneidungszeremonien zeigen. Vielleicht sollte auch der Spielearztkoffer um Beschneidungsutensilien ergänzt werden, damit die Jüngsten sich im Rollenspiel ganz behutsam an diese Prozedur gewöhnen. Später als Erwachsene werden sie dieses Ritual dann als bereichernd in ihrer ganzen spirituellen Tiefe genießen können, statt sich allzu sehr mit Sorge und Mitgefühl für die Neugeborenen plagen zu müssen.
Da erschließen wir unseren Kindern spirituelle Erfahrungen, von denen die meisten von uns (mich selbst zugegebenermaßen eingeschlossen), engstirnig und intolerant wie wir in unserem Lebenswandel so sind, doch nur träumen können!
Ein Artikel der Zeitung Neues Deutschland via Linksfraktion im Bundestag: 'Freispruch für religiöse Beschneidung'.
Ein anderer Artikel aus der Zeitung Neues Deutschland vom Juli heuer: 'Beschneidung - das jüdische Dilemma?' von Hanna Rheinz, eine jüdische Publizistin, promovierte Psychologin, Kulturwissenschaftlerin, ehemalige Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg.
Was bedeutet die Bundestagsentscheidung eigentlich für alle, die sich jüdischerseits und muslimischerseits gegen die Beschneidung einsetzen?
Was überhaupt notwendig ist: ein interreligiöser und interkultureller Dialog zur gegenseitigen Verständigung, wie beispielsweise im allgemeinen Rahmen in einem Symposium 2008 in Erfurt zwischen jüdischen, muslimischen, christlichen und atheistischen Teilnehmer_innen, siehe die dokumentierende Broschüre 'Mit den Linken über Gott reden' (PDF-Dokument), Untertitel: 'Kultur neu denken — Religion, Macht, Freiheit und die Schwierigkeiten, Identität zu bestimmen'.
Und zum Stichwort Macht verweise ich auf die kleine Broschüre 'Macht es anders!' der Ema.Li— die Emanzipatorische Linke —, die zwar im Speziellen laut Untertitel ein Leitfaden zur Überwindung vermachteter Kommunikation in der Partei Die Linke ist, sich jedoch auch gemeingesellschaftlich in Bezug auf die oft als vermachtet zu beobachtende Beschneidungsdebatte anwenden lässt.
Sigmund Freud hat seine beiden Söhne nicht beschneiden lassen. Auch Theodor Herzl hat es seinen Sohn erspart.
[„Deshalb meine Frage: Worauf beruft sich die jüdische Religion bei der Beschneidung denn?“]
Auf eine irrationale Lesart und Interpretation von Bibeltexten durch Amtsinhaber, denn:
„...Juden sind nicht verpflichtet, rationale Einwände … zu suchen, um ihr Festhalten... an der Beschneidung … zu rechtfertigen.“ >Rabbinerin Deusel, Stellungnahme Bundestag, 2012
Es gibt keine rationalen Einwände mit denen man an der Praxis der Beschneidung von Kindern festhalten könnte. Das ist der Punkt.
Aber es gibt rationale Einwände, vorgebracht von Juden, die hieb- und stichfest belegen, dass Juden nicht an der Beschneidung kleiner Jungen festhalten müssen.
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[„Sowohl Mose wie auch Jeremia geben die Worte Gottes wieder, und beide Bücher gehören zur jüdischen Bibel, dem Tanach. Deshalb meine Frage: Wer hat nun recht: Gott oder Gott?“]
Jeremia. Das lässt sich mit einem Talmudzitat begründen:
„... Wie ein Fürst Macht hat zu töten und lebendig zu machen, so hat auch das Wort der Weisung die Macht zu töten und lebendig zu machen. … jedem einzelnen Spruch … werden zwei Kränze gebunden.“ > Schabbat 88b
Darauf sollte man mal ein Auge werfen. :-)
„Denn der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig.“
> 2.Korinter, 3,6 und Jeremia 31,31:ff
„Siehe, Tage kommen, da schließe ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund, nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen – diesen meinen Bund haben sie gebrochen …. Ich werde mein Gesetz in ihrInneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben....“
So dass jeder SELBST in der Lage ist zu erkennen „von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten“.
Aber: Ist das gewollt? Und welche Folgen hätte das?
Werter herr Zion, über Sie heißt es in einem Focusartukel:
"Als Leitmotiv hat er einen Satz des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau gewählt:
„Auf seine Freiheit verzichten heißt, auf seine Würde als Mensch, auf die Menschenrechte, ja sogar auf seine Pflichten verzichten. Für jemanden, der auf alles verzichtet, ist keine Entschädigung möglich.“...
Robert Zion: Parteilinker und Philosoph - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/robert-zion_aid_133042.html
Das irritiert mich. Ihr Leitmotiv kann ich beim besten Willen nicht mit Ihrem Beschneidungsbeitrag in Zusammenhang bringen, den ich als Beschneidungsapologie interpretiert habe. Sollte ich Sie missverstanden haben? Klären Sie mich bitte auf?
In den USA sind 75 Mio Männer beschnitten. Hauptsächlich Christen und Atheisten, ein paar wenige Moslems und Juden. Die Kinderärztevereinigung in USA sagt aufgrund wissenschaftlicher, medizinischer Studien, dass die Vorteile der Beschneidung überweigen und empfhelen sie dne Eltern.
Die Deutschen, die hier immer an der Medizin vorbei religiös gegen die Beschneidung argumentieren, sollten doch mal eine kalre Ansage machen, warum sie sich für anderes halten als die 75 Mio US-ameriknaischer Männer. Was soll an den 40 Mio deutschen Männern so anders sein, dass die medizinischen Vorteile nicht überwiegen? Andere Medizin weil anderer Pass? Weniger Phimose? Gebärmutterhalkrebs tritt hinter religiöser Eiferei zurück weil Deutscher?
Aufatmen bei den drei grossen Verbänden von Kinderfreunden.
Aus Rom verlautet, der Bundestag habe durch die Freigabe der Beschneidung aller Jungen bis zum 18. Lebensjahr einen wichtigen Beitrag zur Senkung des AIDS-Risikos seiner Mitarbeiter geleistet. Bei völliger Umsetzung in der deutschen Bevölkerung liessen sich, einer WHO-Studie zufolge, die HIV-Neuinfektionen beim betroffenen Personal um mehr als 60% senken.
Wie aus Jerusalem gemeldet wird, zeigt man sich dort erleichtert darüber, dass der Oralverkehr mit Säuglingen in wenigstens einem westlichen Land einen verlässlichen rechtlichen Rahmen gefunden hat. Dem müssten gleichwohl nicht nachlassende Anstrengungen folgen, um die Ansteckungsgefahr für die Funktionäre weiter zu vermindern.
Als wichtigen, aber nicht ausreichenden Schritt begrüßt die verfassunggebende Versammlung Ägyptens, die intensiv auf die Wiedereinführung der Mädchenbeschneidung hinarbeitet, das durch Deutschland gegebene Vorbild. Man sei jedoch unzufrieden darüber, dass der deutsche Bundestag die HIV-Ansteckungsgefahr beim Verkehr mit sechs Dutzend Jungfrauen nicht ausreichend berücksichtigt habe.
Welche Vorteile sollten kleine Babys und Jungen durch die Beschneidung haben? Wer unbedingt die im folgenden genannten "Vorteile" genießen will, kann sich als Erwachsener selbst dafür entscheiden.
"Die Vorhaut enthält zahlreiche Meissnersche Tastkörperchen, die durch Dehnung stimuliert werden. Auf diese Weise spielt die Vorhaut eine Rolle für die Sexualität des Mannes.[97][98] Durch die Entfernung der Vorhaut ist die Eichel nicht mehr permanent bedeckt; sie kann durch den ständigen Kontakt mit der Luft sowie Reiben an der Kleidung an Empfindlichkeit verlieren. Auch durch Entfernen von Vorhaut und Frenulum selbst kann die Sensibilität herabgesetzt werden, da beide über zahlreiche Nervenenden verfügen.[99]
Auch eine Beschädigung oder Entfernung des Frenulums im Zuge der Beschneidung kann kritisch betrachtet werden. Dieser Teil des Penis ist bei vielen Männern empfindsamer als die Eichel selbst.[100] Dies gilt sicherlich auch für den hochsensiblen Bereich der Vorhaut, in dem die äußere Haut in die innere Schleimhaut übergeht, der wie viele Schleimhautgrenzen eine hocherogene Zone ist.[97]
(...)
Masturbation
Die Masturbation ist auch nach einer Beschneidung noch möglich. Abhängig von Art und Umfang der Beschneidung können jedoch Einschränkungen bei der Masturbation erlebt werden. Kim und Pang ermittelten im Rahmen ihrer prospektiven Befragung von 373 sexuell aktiven Männern, dass 48 Prozent der Antwortenden die Masturbation nach der Beschneidung als weniger lustvoll, 8 Prozent als verstärkt lustvoll und 44 Prozent keine Veränderung empfanden. Nach dem Eingriff hatten 63 Prozent der Antwortenden Schwierigkeiten bei der Masturbation, 37 Prozent erlebten sie hinterher als leichter."
Sollen diese hier für uns in D. ein Vorbild sein:
„In Fällen von Masturbation müssen wir, wie ich glaube, die Angewohnheit brechen, indem wir die betreffenden Körperteile in einen solchen Zustand bringen, dass es zu viel Mühe macht, mit der Praktik fortzufahren. Zu diesem Zweck, falls die Vorhaut lang ist, können wir den Patienten beschneiden mit gegenwärtigem und wahrscheinlich auch zukünftigem Vorteil. Auch sollte die Operation nicht unter Chloroform vorgenommen werden, so dass der erlittene Schmerz mit der Angewohnheit, die wir auszurotten wünschen, in Verbindung gebracht werden kann.“
– Athol A. W. Johnson, 1860[29]
„Eine Abhilfe für Masturbation, die bei kleinen Jungen fast immer erfolgreich ist, ist die Beschneidung […] Die Operation sollte durch einen Chirurgen ohne Betäubung vorgenommen werden, da der damit verbundene Schmerz einen heilsamen Effekt auf den Geist hat, insbesondere wenn er mit der Vorstellung von Bestrafung verbunden ist.“
– John Harvey Kellogg, 1888[30]
„Clarence B. ergab sich dem geheimen Laster, das unter Jungen verbreitet ist. Ich führte eine Beschneidung an ihm aus […] Er verdiente die gerechte Bestrafung durch den Operationsschmerz seinen unerlaubten Lustempfindungen.“
– N. Bergman, 1898[31]
>wiki Zirkumsion
Wer das seinen Kindern antut, ist was? ... [Selbstzensur]
Danke, liebe Abgeordnete. Auf diesem Niveau sind wir wieder. Und es geht mit Volldampf zurück.
:-)))
In Petition 26078 haben die Petenten darauf hingewiesen, dass in der Debatte einseitig das Thema Religionsfreiheit dominiert.
Ich denke nicht, dass sie damit meinten, dass es nun noch der Meinungsäußerungen einiger Philosophen zum Thema bedürfte, in denen die "Emphase der Rechte der Kinder" dazu genutzt wird, um ein argumentum ad hominem unter Betonung des religiösen Aspekts aufzubauen, in denen Kinderrecht aber ansonsten überhaupt nicht erwähnt wird. Nicht erwähnen bedeutet ignorieren und das ist in der ganzen Debatte bisher so abgelaufen.
Auch die Kritik von Reinhard Merkel, der gute Gründe dafür nannte, dass das neue Gesetz verfassungswidrig ist, wurden in der Debatte nicht entkräftet, sondern ignoriert.
"Die Beschneidungsdeabtte aus religiösem Blickwinkel zu deuten, ist völlig unsachlich."
Stimmt! Zum Kölner Urteil kam es zwar aufgrund einer religiösen Beschneidung, aber als unzulässige gewöhnliche Körperverletzung wurde jegliche Jungenbeschneidung ohne medizinischen Grund bezeichnet. So wie es sich in Rechtsstaat, in dem das Gleichheitsprinzip herrscht gehört.
"Es gibt nur ein nationales Problem deutschnationaler Extremisten, nach denen die deutsche Vorhaut anders behandelt werden soll, als es in ziviliserten Staaten üblich und medizinisch empfohlen."
Ich würde Ihnen empfehlen, sich nicht nur mit den Ansichten amerikanischer Kinderärzten zu befassen, sondern mit Aussagen von Kinderärzten weltweit, bevor Sie die deutschen Kinderärzte als deutschnationale Extremisten bezeichnen.
Entweder leiden nämlich Sie an selektiver Wahrnehmung oder die deutschen Kinderärzteverbände.
Danke roterbayer für den Link.
Die Psychologin und Kulkturwissenschaftlerin Dr. Hanna Rheinz ist, was die Diskussionswilligkeit in Sachen Beschneidung betrifft, eher pessimistisch.
[quote]Obwohl jüdische Eltern, Ärzte, Rabbiner und Bioethiker wie Ronald Goldman und David H. Gollaher sie als »Genitalverstümmelung«, als Verstoß gegen das hippokratische »Primum non nocere« - das Gebots, keinen Schaden zu verursachen - betrachten, wird die Forderung »Jews against Circumcision«, die Beschneidung auszusetzen, bis das Kind selbst mitentscheiden kann, ohne Folgen bleiben.[/quote]
[quote]
Die Erwartung, wissenschaftliche Erkenntnisse könnten die Macht des Wortes in der Tora aushebeln, ist naiv. Welten trennen die Vertreter der Politik, der Wissenschaft, der Rechte der Kinder. Ein Dialog zwischen ihnen und den Rabbinern ist nicht möglich. ... [/quote]
Sehr geschätzte und mutige Frau Dr. Rheinz.Höchstwahrscheinlich werden Sie nicht diesen Beitrag hier bei freitag-online lesen, aber wer weiß, vielleicht doch. Ich habe Ihren Artikel mit großem Interesse gelesen und sehe die ganze sache nicht sooo aussichtslos wie Sie.
Ich möchte Ihnen Folgendes sagen:
Die öffentlich (mir) bekannt gewordenen Reaktionen von Rabbinern und religiöse Würdenträger hier und heute, egal ob jüdisch oder muslimisch oder christlich, lassen tatsächlich wenig Hoffnung auf eine ehrliche und sachliche Debatte zugunsten aller Betroffenen.
Auch wenn das Gesetz zum "Schutz" eines selbst im Judentum und Islam umstrittenen blutigen und schmerzhaften Ritus an Kindern (nicht aber das alternative Gesetz zum Schutz von Kindern) durch ist und sich einige als Gewinner wähnen: Es gibt nur Verlierer.
Es war NIE in Deutschland normal (im Sinne von "es entspricht der Norm") Jungen zu beschneiden und es war und ist nie natürlich, weil es unserem naturgegebenen Mitleid und unserem elterlichen Beschützerinstikt zutiefst zuwider ist gesunde Kinder zu verletzen.
Und es hat immer und überall Juden und Rabbiner gegeben, die nicht bereit waren, ihre Kinder einen Preis für eine von oben diktierte, von Menschen interpretierten Bibelstelle zahlen zu lassen.
Wenn eine Änderung nicht von oben möglich ist, dann aber von unten bzw. aus der Mitte. Ich glaube, dass das viele gemeinsam schaffen können.
@ELISREA. Sie schrieben:
"Es war NIE in Deutschland normal (im Sinne von "es entspricht der Norm") Jungen zu beschneiden und es war und ist nie natürlich, weil es unserem naturgegebenen Mitleid und unserem elterlichen Beschützerinstikt zutiefst zuwider ist gesunde Kinder zu verletzen.
[...] Wenn eine Änderung nicht von oben möglich ist, dann aber von unten bzw. aus der Mitte. Ich glaube, dass das viele gemeinsam schaffen können."
Ich weiß nicht, ob Sie dies verstehen können, aber mir ist es beim Lesen ihrer Worte eiskalt den Rücken runtergelaufen...
Nein, ich verstehe es nicht, möchte es aber gerne verstehen. Erklären bzw. begründen Sie mir es bitte? Ich lasse mich mit guten Argumenten gerne überzeugen. Und kann mich für Fehler auch entschuldigen. Kein Problem.
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Mir zum Beispiel läuft es eiskalt den Rücken runter, wenn ich daran denke, wie es acht Tage alten Babys geht, die ohne Narkose beschnitten werden (und nach Auffassung einiger Mohel dabei auch Schmerzen haben SOLLEN).
Ich weiß sehr genau, wovon ich rede. Sie auch?
Ich empfehle Ihnen und allen Beschneidungsbefürwortern dringend diese Artikel
a) der jüdischen Ärztin Yael Adler zu lesen:
Operation Beschneidung - Dr. med. Yael Adler
dradler-berlin.de/media/operation-beschneidung.pdf
b) von der jüdischen Psychologin Dr. Hanna Rheinz
http://www.neues-deutschland.de/artikel/233327.unverzichtbar-und-doch-albtraum.html
c) von der jüschischen Wissenschaftlerin und Künstlerin Hadass Golansky
http://www.bet-debora.de/neu/tag_jour1/neu/tagungen_jour1_neu3.htm
zu lesen.
Gut, Rabbiner Samuel Holdheim möchte ich Ihnen nicht zumuten. Es sei denn, Sie sind Jude. Ich warte nämlich seit langem darauf, dass irgend jemand seine absolut überzeugenden Argumente in Bezug auf die Beschneidung widerlegt. Aber es kann offensichtlich keiner. rabbiner heute drücken sich vor der Wahrheit mit Ausreden wie: "Juden haben es nicht nötig die Beschneidung rational zu begründen." usw.
Und was die Folgen des Gesetzes betrifft, dem die Mehrheit der grünen Abgeordneten zugestimmt haben, trotz der beeindruckenden Dokumentation von Herrn Schonfeld, trotz dreister Fehlübersetzungen von Frau Deusel und bewusst lückenhafter Informationen in ihrer Stellungnahme für den Bundestag, sollte man auch mal auf diese aufschlussreiche Seite einen Blick werfen:
http://community.netdoktor.at/forum/beschneidung/sohn-beschneiden-lassen-406,1137834.html
Ich bin sehr gespannt, ob und wenn ja, was Sie antworten werden.
"Die Shoah hat viel mehr in diesem Land vernichtet, als das Leben von Millionen Menschen. Die Entscheidung des Bundestags lässt zumindest die Möglichkeit offen, dass dies einmal wiederkehren könnte."
Diesen Satz verstehe ich nicht. Was ist mit "dies" gemeint. Es geht um Menschen und nur um sie. Die Kultur wird von "Migranten" aller Herkunft in gleicher Weise bedient, kulturellen Chauvinismus wünsche ich mir so wenig wie nationale Gefühle. Ich möchte dem jüdischen Bauarbeiter begegnen wie dem türkischen. Leider ist zu erwarten, dass moderne Juden sich nicht für Sozialismus interessieren, wie dies in der Vergangenheit grosse jüdische Geister getan haben. Diese Kultur wird nicht wiederkehren.
"Es bedarf keiner allzu großen Abstraktionsleistungen, um zu begreifen, dass das, war für die Juden in unserem Kulturkreis und unserem Land gilt, einmal ebenso für Muslime gelten sollte und gelten wird. Die fast vollständig mehrheitsgesellschaftlich-christlich geführte Beschneidungsdebatte hat nur wenig Kenntnis, gar Verständnis für das je eigene der „zur Debatte“ stehenden Minderheiten offenbart."
Mein lieber grüner Philosoph, bist du ein Schüler Adornos?
Was soll ich abstrahieren?
Was ist dieses "eigene". Schwerer zu verstehen als Kernphysik muss es sein. Ich habe absolut kein Veständnis für diesen widerwärtigen religiös gerechtfertigten Eingriff, ich denke an die Mayas, die das zuckende Herz aus religiösen Gründen rausschneiden. Die Vorstellung alleine, ich müsste bei einer Beschneidung zugegen sein, bringt mich dem Kollaps nahe, mich keinen "mehrheitsgesellschaftlich-christlichen" (wie gescheit du dich ausdrückst!).
Herr Robert Zion, ich bin immer noch gespannt. Antworten Sie mir? Ich habe es wirklich nicht verstanden. Vielleicht interpretieren Sie meinen Text anders als ich es gemeint habe? Lassen Sie uns darfüber reden.
MfG
Der Autor hat vollkommen Recht.
"Wie so oft bei Symbol- und Wertedebatten in diesem Land auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen."
In dieser Beschneidungskontroverse von übergeordnetem Belang ist doch einzig die Frage:
Wie hoch ist der Anteil an Moslem- oder Judenmännern, die sich als Erwachsene über ihre Beschneidung echauffieren?
Lautet die Antwort "belanglos gering bis gar nicht vorhanden" - wovon ich bei jetziger Sachlage ausgehe -
bedeutet das, dass die Beschneidungsgegner einen relativ sinnfreien und unvernünftigen PRINZIPIENSTREIT ausfechten, wobei unterschwellig antijüdische und antimuslimische Ressentiments mitschwingen.
Geht man mit gesundem Menschenverstand an die Sache, stößt man unweigerlich auf diese Frage:
Wenn den Beschnittenen soviel Unrecht und Leid zugefügt wird, wieso organisieren sich diese Menschen nicht, um ihr Unglück, die bestehenden Mißstände öffentlich zu machen?
Wo sind die Selbsthilfegruppen, die Vereine, die Organisationen, die die männliche Beschneidung anprangern?
Wieso gibt es keine Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit?
Wo sind die Opfer?
Sollte man nicht vor allen Dingen die zahlreichen Opfer dieses grausamen Rituals zu Wort kommen lassen?
Bei dem, was ich hier so lese, wie gefährlich und langfristig schädigend die Vorhautentfernung beim Kinde sein soll, müssten zigtausende penisverstümmelte Männer froh darüber sein, dass man ihnen endlich eine Bühne zur Verfügung stellt.
Welche rationalen Gründe lassen sich anführen, warum es so still um die (angeblichen) Opfer ist?
- Diese armen, einfältigen, in ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit gefangenen Menschen sind nicht in der Lage aus ihrem religiösen, traditionellen Rollenkäfig auszubrechen und dazu verdammt trotz besseren Wissens dieselbe Grausamkeit bei ihren Söhnen fortzusetzen.
- Sie schämen sich allesamt, kollektiv laut zu äußern, dass ihr Penis beschädigt, nicht vollfunktionsfähig ist, und schweigen lieber.
- Sie wissen gar nicht, dass ihre Beschneidung und fehlende Vorhaut Schuld an Problem X und Problem Y ist.
So oder So läuft es bei den Gegnern des Ritus ungefähr auf das Einnehmen dieser Haltung hinaus:
"Wir aufgeklärte, es besser wissende, Westmenschen müssen jetzt das Zepter in die Hand nehmen und diesen in ihrer geistigen Entwicklung zurückgebliebenen Menschen zu ihrem Glück und zu einer Vorhaut verhelfen, indem wir kompromißlos und Realitäten missachtend das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit durchsetzen."
Schließlich geht's hier um's Prinzip und nicht darum, ob tatsächlich vorhandene Missstände abgestellt werden würden.