Ein Wort für die Damen und Herren Kommunisten

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Es ist nahezu unmöglich die Diskussion in meinem Blogbeitrag Ein Wort an die Herrn „Kommunisten“auch nur einigermaßen aufzunehmen und weiterzuführen. Daher der Hinweis, dass meine Kritik den philosophisch-ontologischen Grundlagen des Marxismus-Leninismus galt, insofern diese Grundlagen eben auch politische Identitäten produziert haben und produzieren. Wie weit in Grundlagenarbeit hinein diese Kritik geht, mag das Schlusswort eines Aufsatzes – der in diesen Tagen in zweit Teilen in den „Grundrissen“ erscheint – andeuten:

Politische Ökologie ist die „Rückkehr in die Tiefe einer Welt“ (Leibniz), die sich produziert und dabei transformiert, indem sie die Dichte der Natur vervielfältigt (modifiziert) – materiell wie immateriell, körperlich wie geistig, ohne dass es dabei die Eminenz einer Reihe über die andere oder eine kausale Bestimmung der einen Reihe durch die andere gibt. So ist das Materielle wie Immaterielle nicht mehr zu teilen, zu zählen und zu messen, sondern nur noch als eine Qualität des Gemeinsamen zu modifizieren und nimmt so per se den Charakter eines Gemeinguts an. http://media.comicvine.com/uploads/4/41615/975640-191822_102275_pink_panther_large_super.pngDas Wachstum wird zum Eindringen des Menschen in die ganze Dichte der Natur, in den ewigen Prozess ihrer immanenten Modifikation; es ist so nicht mehr die aus der bloßen – verworrenen und verstümmelten – Vorstellung bestehende Anhäufung materieller wie immaterieller Dinge, sondern die Qualität des Lebens (als gleicher ewiger Modus in allen Attributen) schlechthin als dessen Vermögensgrad. So ist das, was wir unter quantitativem Wachstum verstehen, lediglich eine Transformation der Natur, die vom Vorstellungsvermögen von vorneherein unter die beliebigen Hilfsvorstellungen des Zählens und Messens subsumiert wird. Der Industriekapitalismus kann so materielle wie immaterielle Dinge folglich nicht „erfinden“ bzw. modifizieren (d. h. die Natur vervielfältigen), sondern lediglich vorhandene Modi reproduzieren (und so von der produktiven Komplexität der Natur abstrahieren), indem er eine Ordnung der seriellen Wiederholung Desselben etabliert.

Die Reproduktion Desselben ebenso wie die Repräsentation des Ganzen im Kapitalismus abstrahiert von der Natur, um sie so zu quantifizieren, zu hierarchisieren und zu finalisieren, d. h. um sie einzuteilen. Der Kapitalismus produziert nichts, er verteilt nichts, er teilt – die produktive Vervielfältigung der Natur – ein und zu, er reduziert deren Komplexität für die Enteignung und das Kommando.Er ist damit ein uns von unserer Natur trennendes Prinzip und eine „Fessel“ für ihre produktiven Zusammenhänge. So kann das Wissen (als Modifikation des Geistes) sich nur vervielfältigen (andere Modi modifizieren), indem es geteilt wird, ebenso wie ein körperliches Ding (Modifikation der Ausdehnung) sich nur vervielfältigen kann, indem es sich mit anderen Dingen modifizierend zusammensetzt. Die „wirkliche“ Reproduktion der Natur in der und durch die Natur ist also nicht die Wiederholung Desselben unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation des Ganzen (Abgeschlossenheit), sondern die Produktion des Gemeinsamen unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit (Offenheit). Und da die Modifikationen nichts als die Affektionen der einen Substanz Deus sive Natura sind, einmal unter ihrem Attribut Ausdehnung und einmal unter ihrem Attritbut Denken, und die Affektionen des Geistes folglich nichts als der Ausdruck der Affektionen des Körpers, können wir die Natur tatsächlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Ewigkeit (sub specie aeternitatis) erkennen. Die amor Dei intellectualis ist daher nicht so etwas wie eine weltferne, kontemplative Innenschau, sondern das Prinzip, in dem sich die Natur in sich und durch sich selbst begreift und bejaht. Wie Hardt und Negri betonen, ist die „Liebe der Natur“ als Liebe „des Gemeinsamen in seiner expansivsten Form“ politisch konstitutiv. Doch gerade im Klimawandel ist die Gattung nicht so etwas wie das Volk (natio) der Menschen in der Natur. Es ist eine sich vervielfältigende Menge (multitudo), die sich nur gegen Hobbes’ Vorstellungen von „Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates“, d. h. in Liebe als der „Freude, begleitet von der Idee einer äußeren Ursache“und daher ganz „ohne die Furcht (metus) vor einer Macht, die ihre Befolgung veranlasst“, als solche konstituieren kann. Denn am Ende zeigt „die Furcht, durch die sie im Zaum gehalten werden sollen“, den Menschen immer nur ein „Mangel an Erkenntnis und Ohnmacht des Geistes“ an. Daher wird es nur dort, wo Liebe ist, den Kapitalismus nicht mehr geben, und nur dort wird es diese geben, wo wir damit begonnen haben werden, das dem Menschen und der Natur Gemeinsame des Materiellen wie Immateriellen zu teilen, statt es weiterhin ein- und zuzuteilen. Nur dann, wenn es kein Eigentum an der Natur mehr gibt, werden wir begreifen können, dass wir als Einzel- und als Gattungswesen nichts als Wirkungen dieser Natur und von ihr bedingt sind und nur dann werden wir uns in unserem Dasein erhalten können.*

Sagen wir einfach mit Althusser, dass wir als Kommunisten schon immer Spinozisten gewesen sind! Und beeilen wir uns damit, die Kritik endlich auf neue Grundlagen zu stellen, denn die „innere Schranke des warenproduzierenden Systems“** wie die äußere ökologische Grenze ist erreicht. An richtigen phänomenologischen Feststellungen mangelt es heute daher kaum: „Auf den Finanzmärkten sammelt sich derzeit ein verbriefter privater Anspruch auf noch zu erzeugenden gesellschaftlichen Reichtum, der so nicht erfüllt werden darf, wenn das Wort ‚zukunftsfähig’ noch irgendeine Bedeutung haben soll. Das angehäufte private Eigentum an Produktionsmitteln, Natur, Boden, Wissen und (per Schulden) künftigen staatlichen Profiten ist ein Anspruch, der verweigert werden muss. Was durchaus ein revolutionärer Akt ist, auch wenn er in einer Vielzahl von Teilakten vollzogen wird.“***

Der gegenwärtige Bruch der menschlichen Gesellschaften in ihrem Naturverhältnis, setzt uns außerdem in die Pflicht, die Alternative zu formulieren und sie diesmal dezidiert als Metaphysikkritik (auch der nicht mehr hinterfragten ungedachten metaphysischen Voraussetzungen des gescheiterten Marxismus-Leninismus) zu formulieren und möglichst rasch in einen affirmativen Modus zu gelangen, um die Welt jenseits des Kapitals zu bauen, statt uns weiterhin der Illusion hinzugeben, sie als auf Dauer gestellte Negation das Kapitals nur anders zu beherrschen. Nur „darin (wird sich dann) die nicht zu unterdrückende Leichtigkeit und das Glück, Kommunist zu sein“**** noch zeigen können.

*Robert Zion: Eine spinozianische Grundlegung der Linken, Teil 2 (Schlusswort); in: Grundrisse #34 (Juni 2010). Teil 1 ist bereits erschienen in Grundrisse #33
**Robert Kurz, Das Weltkapital, 2005
***Christoph Spehr, in: Prager Frühling, Nr. 07/Juni 2010
****Michael Hardt/Antonio Negri, Empire 2000 (Schlusssatz)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Robert Zion

Gruenen-Politiker, Publizist

Robert Zion

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