Silence Yourself von SAVAGES

Plattenkritik - Warum wir bis zum Tod niemals alt werden sollten erklären uns vier Frauen aus London auf ihrem sensationellen Debut-Album.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Silence Yourself von SAVAGES

Von Robert Zion

Wenn Oliver Geissen einmal auf RTL eine „ultimative Chartshow“ zu den „100 besten Post-Punk-Songs“ machen sollte, dann dürften SAVAGES sicher die idealen Gäste sein. Nur, das ist natürlich ein Klischee. Denn die Sendung ist wirklich scheiße, die Gäste nerven und die füllig geworden Altpopper und -rocker, die ihre Legendenhaftigkeit dort zuweilen endgültig in den Gulli drücken, braucht eigentlich auch kein Mensch (mehr). Mehr noch könnte man sich SAVAGES irgendwann in den 80ern bei „Top of the Pops“ vorstellen. Wie einst SIOUXSIE, die zum Playback und im Sadomaso-Lederoufit ihre Songs wie „Dear Prudence“ vor steif tanzenden Studiogästen zum Besten gab, an der Gitarre ein gelangweilt herumblödelnder Robert Smith.

Nein, das ist es auch nicht wirklich. Eher JOY DIVISION in einem miefigen Londoner Club, jene fasziniernde Mischung aus (Auto)Aggression, unterkühlten Bassläufen und fragiler Musikalität ins staunende Publikum rotzend. Jedenfalls ist man beim Debut-Album „Silence Yourself“ der vier Mädels aus London immer gleich bei solchen Vergleichen. Derart fangen SAVAGES das Gefühl und Ton des Post-Punk ein, dass man danach sofort wieder die alten Scheiben von THE BIRTHDAY PARTY, MAGAZINE oder SIOUXSIE AND THE BANSHEES herauskramen möchte, um zu hören, wie es denn damals wirklich war. Ich hatte übrigens nach dem Durchhören der Platte Lust wieder „Volume 4“ von BLACK SABBATH zu hören. Dabei sind SAVAGES keine der zahlreichen Nachspielbands wie etwa THE HIVES, irgendwie schaffen sie es, einfach so zu sein wie, sagen wir, 1982.

So etwas jedenfalls hat man seit Jahren nicht mehr gehört. Sie wissen einfach wie ein Song klingen muss, wozu ein Schlagzeug eigentlich da ist und dass eine Phrasierung im Gesang, ein Basshook reicht, um – fast schon - unsterbliche Musik zu machen. Dabei gibt es auf der Platte keinen wirklichen Anspieltipp, man hört das ganze Album einfach durch, wieder und wieder. Vielleicht könnte man noch beiden langsameren Stücke „Waiting for a Sign“ und „Marshal Dear“ herausheben, bei denen Sängerin und Ex-Schaupielerin Jehnny Beth so alt klingt, wie Iggy Pop niemals werden wird. Überhaupt, „Search and Destroy“ von IGGY AND THE STOOGES könnte von der Message und musikalischen Aggressivität her das Motto von „Silence Yourself“ sein.

Ding, dong, the witch is dead... der britische Post-Punk aber hat Maggy Thatcher überlebt. In Form von vier eisernen Ladies, deren Alter einfach nicht einzuschätzen ist und die erneut die Frage aufwerfen: Warum kommt ausgerechnet aus diesem langweiligen Land immer wieder die geilste Musik des Planeten? Wir wissen es nicht. Jedenfalls kann das nicht nur an den BEATLES gelegen haben. Zur Beantwortung dieser Frage sollte Oliver Geissen in seiner Scheißsendung vielleicht einmal die „100 besten britischen Songs“ präsentieren – alle gespielt von SAVAGES. Dann komme ich auch als Studiogast - anstelle von Claudia Roth.

Label: Pop Noire, Matador

SAVAGES sind:

Jehnny Beth (Gesang)
Gemma Thompson (Gitarre)
Ayse Hassan (Bass)
Fay Milton (Schlagzeug)

Savages on the BBC

Savages homepage (savagesband.com)

Savages on Facebook (www.facebook.com)

Savages on Twitter(twitter.com)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Robert Zion

Gruenen-Politiker, Publizist

Robert Zion

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden