Was wäre, wenn...?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion


Von Robert Zion

was wäre eigentlich,

wenn die Politik heute die „Gewährleistung und Sicherstellung von Menschenwürde durch Selbstbestimmung“ als oberste Prämisse ihres Handelns verstehen und daher die Schaffung von „Mindestvoraussetzungen“ bzw. „materialen Voraussetzungen“ für gleiche Bildungschancen („Bürgerrecht auf Bildung“) sowie „Teilhaberechte“ verfolgen würde;

wenn es dann für die Menschen eben nicht mehr nur darum ginge, „gut ausgehaltene Wirtschaftsuntertanen zu bleiben“;

wenn die Politik darum sagen würde: „der Staat darf nicht alles“; aber auch: „der Betrieb darf nicht alles“; wenn es daher wirklich um „die Aufhebung der Ungleichgewichte des Vorteils und der Ballung wirtschaftlicher Macht, die aus der Akkumulation von Geld und Besitz und der Konzentration des Eigentums an den Produktionsmitteln in wenigen Händen folgen“, ginge;

wenn es daraus abgeleitet eine „Verpflichtung des Staates zu einer Gestaltung der Eigentumsverhältnisse, die Eigentum von einem Vorrecht Weniger zu einem Recht Aller macht“, geben würde; sagen wir etwa, wenn „private und öffentliche Unternehmen“ verpflichtet würden, „von einer bestimmten Wertschöpfung an Beteiligungsrechte an ihrem Vermögenszuwachs einzuräumen“; wenn dann diese Beteiligungsrechte an alle in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Staatsbürger ohne Rücksicht auf Alter und Einkommensverhältnisse“ ausgegeben würden;

wenn es darüberhinaus eine dauerhafte „Vermögensabgabe“ auf den Nachlass geben würde, die große und größte Vermögen erfasst (sagen wir mit einem Grundfreibetrag, gestaffelt und mit einem Höchststeuersatz von 75 Prozent) und die ebenfalls in Beteiligungsrechte aller Bürgerinnen und Bürger umgewandelt würden;

wenn eine grundsätzliche „Humanisierung der Arbeitswelt“ und weit mehr demokratische Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Unternehmer im Betrieb gegenüber dem Kapitalbesitz angestrebt würde; wenn „Umweltschutz“ als Individualrecht in den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes aufgenommen werden würde, weil „Umweltschutz Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen“ hat, weil „Umweltschädigung ist kriminelles Unrecht“;

wenn „die bisher nur theoretisch zurechenbaren ‚sozialen Kosten’ der Umweltbelastung in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und in den einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft“ endlich ausgewiesen werden würden; denn zweifellos ist „unser Sozialprodukt zur Zeit überhöht, weil die Wertminderungen der Umwelt in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht berücksichtigt werden“;

was wäre eigentlich, wenn...

...sich die FDP heute an dieses auf ihrem Bundesparteitag im Oktober 1971 in Freiburg im Breisgau beschlossene Programm erinnern würde?

(Quelle aller Zitate: Karl-Hermann Flach/Werner Maihofer/Walter Scheel: Die Freiburger Thesen der Liberalen, 1971.)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Robert Zion

Gruenen-Politiker, Publizist

Robert Zion

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden