Deutschland, ein Frühlingsmärchen

Deutsches Finale Manch einer scheint zu glauben, das Champions-League-Finale hätte längst einen Sieger: Uns, die Deutschen

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Wer am Ende der ins unermessliche gehypten Partie im Londoner Wembley-Stadion den Henkelpokal in die Höhe recken wird, ist noch völlig ungewiss. Wenn man sich jedoch dieser Tage in der deutschen Medienlandschaft umschaut, scheint eines ausgemacht: Egal wie es ausgeht, triumphieren werden die Deutschen, denen der ganz große Erfolg all die Jahre verwährt blieb. Spätestens seit der Weltmeisterschaft 2006 ist entspannter Party-Nationalismus ja wieder gern gesehen und alle sind heilfroh über unser neues, entspanntes Verhältnis zu unserer Herkunft und Geschichte.

Deutsche Tugenden

In den letzten Wochen macht sich bemerkbar, dass sich dieses Denkmuster längst auch auf den Clubfussball ausgeweitet hat.
Und genau wie wir alle zwei Jahre die Beinahe-Triumphe der Nationalelf feiern, freuen wir uns jetzt auch in der Champions League für "unsere Jungs". Oliver Bierhoff, Teammanager eben dieser Nationalelf, sieht als Grund dafür logischerweise "die deutschen Tugenden wie Disziplin, Athletik und Laufstärke kombiniert mit den mittlerweile hohen technischen Fertigkeiten der Spieler”.

Es lag ja eigentlich auf der Hand: Die Erfolgsgeheimnisse eines Ribery, Robben, Mandzukic, Dante, Martinez, Luiz Gustavo, Lewandowski, Pisczek oder Blasczykowski müssen zweifelsohne die bewährten deutsche Tugenden sein.

"Deutschland gewinnt."

Auch in den höchsten Etagen der Bundespolitik sorgt das "deutsch-deutsche Finale" für Hochmut. Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt verlieh bereits während der Halbfinalpartien patriotischem Wir-gegen-Die-Denken auf twitter Ausdruck: "Heute sind wir alle Dortmund". Kurz danach tat es ihr Angela Merkel auf Facebook gleich: "Ich freue mich. Denn eines ist sicher: Deutschland gewinnt."

Borussia Dortmund hat es innerhalb von 8 Jahren von der Beinahe-Insolvenz zur Beinahe-Weltklasse gebracht, der FC Bayern hat Bundesliga und Champions Legaue seit Saisonstart nach Belieben dominiert. Beide sind in diesem Jahr in erster Linie zwei überragende Teams, die den Champions League Titel verdient haben. Beiden kann man kein größeres Unrecht tun, als sie auf ihre vermeintliche Herkunft zu reduzieren.

Natürlich ist der Erfolg der Deutschen Teams gut für die Bundesliga und spricht für ihren verhältnismäßig bodenständigen Stil: Solides Wirtschaften und exzellente Jugendarbeit statt Auslandsinvestoren und Transfer-Exzessen. Diese Erkenntnis bedingt allerdings keine nationale Verbundenheit.

"Wir" sind nicht alle Deutschland

Vielleicht braucht der Durchschnittsdeutsche in Zeiten der Euro-Krise einfach mal etwas Balsam für sein Patrioten-Herz. Wer allerdings keinen besseren Grund zur Freude hat, als dass sein Geburstort und der Standort des Champions League-Siegers zufällig innerhalb der selben 357.121,41 Qaudratkilometer liegen, der sollte sich ernsthafte Gedanken machen.

"Wir" sind nicht alle Dortmund, "Wir" sind nicht alle Bayern, und "Wir" sind auch nicht alle Deutschland. Wir sind einfach nur Fußballfans. Wem im deutsch-deutschen Finale das Feindbild fehlt, der sollte es sich einfach nicht anschauen.

Aufmacherfoto: Alex Grimm/ AFP/ Getty Images

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