Nach der Wahl ist vor der Qual

Finanzherrschaft Alle Parteien reden von Innovationen, aber die Finanzherrschaft bestimmt am Ende die Machbarkeit in der Politik. Wo das große Geld regiert, herrscht keine Demokratie.

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Das große, globale Problem, jetzt Klimawandel genannt, ist seit 50 Jahren die Endlichkeit dieses Planeten und die Unendlichkeit der menschlichen Hybris. Da wir die Erde nicht erweitern können, müssten wir unsere Ansprüche zurückschrauben. Das verkündet aber keiner, der es bis an die Spitze einer Partei oder bis in die Koalitionsverhandlungen geschafft hat.

Die Frage, welche Partei und welche Kandidatin, ist erst einmal abgehakt, wir fragen uns: Was ist die Ursache dafür, dass Politiker in die Krise taumeln, obwohl sie im Grunde wissen, woran es fehlt. Es fehlt die Einsicht, dass nur wir selber verhindern können, dass wir zum Parasiten und größten Schädling des Planeten werden.

Diese Verantwortungslosigkeit wird durch menschliche Intelligenz gestützt, die in sprachlicher Kommunikation gipfelt. Die Verliebtheit in Sprache, Rede, Verhandlungen und Protokolle ist eine Falle, in die Politiker, Journalisten, Juristen und viele Wissenschaftler des Geistes hinein tappen. Es gibt Zahlen, Fakten und Funktionen, die sich verbal nicht bewältigen lassen.

Das Problem, dass die Finanzwelt die Politik beherrscht, lässt sich mit sprachlichen Mitteln nicht beseitigen. Man kann es verdammen, dass Milliardäre in den Weltraum starten, man kann sie beschimpfen, aber nicht stoppen. Man kann die Politikerinnen verachten, die sich von Bankern einwickeln lassen oder die Parteibonzen, die insgeheim bestochen werden. Durch das Internet sind die Möglichkeiten, sich sprachlich abzureagieren für Milliarden von Menschen erweitert worden. Es nutzt alles nichts.

Wir glauben an Demokratie. Dieser Glaube wird täglich in den Medien zelebriert. Und nach der Wahl wird uns eingeredet, dass Koalitionen die Fortsetzung des Wählerwillens sind. Aber nein, Koalitionsverhandlungen sind in erster Linie Geschacher um die Machtverteilung, gemäß der Stärke der Fraktionen und der Stärke oder Schwäche von Persönlichkeiten, unter der Nebenbedingung, einige Wahlversprechen einzuhalten. Am Ende geschieht, nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel, genau das, was finanzierbar ist.

Das, was finanziert wird, entscheiden Finanzexperten. Die Macht der Finanzwelt dominiert. Sie beruht auf dem Einsatz von Geld, über das sie allein verfügt. Nicht die gewählten Politiker bestimmen über die Zahlen, die Geld bedeuten, sondern Bankleute, Investoren, Zentralbankleute und Börsenhändler. Rating-Agenturen bewerten die Staaten mit Noten, die sie hinter Buchstaben verstecken.

Die Macht des Geldes ist irrational, aber ungebrochen, sie besteht aus zwei Säulen oder Komponenten. Beide Tatsachen sind ein Gipfel des Absurden, werden aber in der Politik nicht einmal diskutiert. Es handelt sich erstens um die Geldmenge und zweitens um das Verfahren, wie Geld entsteht, wie Giralgeld von Banken erzeugt wird.

Die Geldmenge ist eine Größe, die kein Staat der Welt unter Kontrolle hat. Sie ist drei bis viermal so groß wie nötig, um alle Güter der Welt zu kaufen und alle Menschen angemessen zu bezahlen. Zwei Drittel allen vorhandenen Geldes sind damit überflüssig. Es liegt auf geheimen Konten oder kreist nur in der Finanzwelt.

Ob es sich bei der Geldmenge um hundert Billionen oder etwas weniger oder mehr handelt, ist schwer zu sagen, denn Geld wird systematisch versteckt. Ob wir die Geldmenge in Dollar oder Euro bemessen, ist auch zweitrangig, weil die Ungenauigkeit in der Information viel größer ist als der Unterschied im Wert dieser beiden Währungen.

Schon 1 Milliarde (im europäischen Sinn) als Zahl 1.000.000.000, ist für den menschlichen Verstand nicht mehr zu erfassen. Niemand kann sich eine Milliarde von irgendetwas vorstellen. Am besten ginge das noch bei feinen Sandkörnern, aber die kann man nicht zählen. Und erst 1.000 Milliarden sind eine Billion. Das ist die aktuelle Größenordnung. Wollte eine Bankangestellte laut und deutlich bis zu einer Billion zählen, brauchte sie, bei 40-Stunden Woche, etwa eine Million Jahre.

Für Zahlen, die man nicht erfassen kann, haben wir den Begriff unendlich erfunden. Das ist durchaus realistisch und sehr vernünftig. Wenn man über die Finanzwelt nachdenkt, kann man die dort vorhandene Geldmenge als unendlich ansehen. Mit anderen Worten, die Finanzwelt verfügt über unbegrenzte Mittel und stellt diese Mittel nach eigenem Gutdünken ausgewählten Kreisen, z.B. Firmen, Konzernen und Regierungen als Kredit zur Verfügung.

Die Finanzwelt entscheidet, welche Projekte finanziell gefördert werden, z.B. Rüstung, Krieg, Pandemiebekämpfung, Umweltschutz oder ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es dürfte auffallen, dass die Finanzierung von Corona-Tests, Impfkampagnen und Kurzarbeit, im dreistelligen Milliardenbereich, glatt über die Bühne ging, die bessere Bezahlung von Pflegekräften aber bleibt stecken.

Die zweite Wunderwaffe der Finanzmacht ist nicht weniger irrational als die Geldmenge, sie besteht darin, dass private Banken das Recht haben, Geld zu erzeugen. Dies geschieht täglich und weltweit bei der Vergabe von Krediten. Banken geben jedem, der Sicherheit bietet, Kredit über Geld, das sie selber nicht besitzen. Üblich ist das hundertfache des eigenen Kapitals als Sicherheitsreserve.

Dabei entstehen Gutschriften und Schulden in gleicher Höhe. Geld wird also nicht von Staaten erzeugt, sondern überwiegend von privaten Banken. An erster Stelle die US-Notenbank FED, die sich im privaten Besitz einiger Großbanken befindet. Die EZB hat eine Sonderstellung: Sie gehört den Staaten des Euro, ist aber nicht weisungsgebunden und verhält sich in der Regel sehr ähnlich wie die FED.

Der Staat leiht sich also Geld von denen, die es aus dem Nichts erschaffen. Und durch jede Schuld, die entsteht, wird die Geldmenge größer. Deshalb ist es auch unmöglich, die Geldmenge genau zu beziffern; denn sie wächst ständig weiter.

Diese absurden Regeln der Finanzmacht zeigen, in welcher Zwergenrolle sich die Staaten befinden, so lange sie dieses Finanzsystem akzeptieren und sich das Geld, wenn sie zu wenig davon haben, durch Aufnahme von Schulden in der Finanzwelt holen. Die Banken befinden sich gegenüber den Staaten in einer gottgleichen Position. Das wird von fast allen Regierungen und Parteien akzeptiert, wahrscheinlich deshalb, weil die US-Regierung es akzeptiert.

Das Geldsystem ist aber nicht gottgegeben, sondern von Menschen erschaffen und es sollte demokratisch kontrolliert sein, sonst führt uns die Geldmacht geradlinig ins Verderben, und zwar ganz einfach deshalb, weil nichts auf diesem Planeten unendlich ist. Unendlich ist nur das Geld in seiner definitiv unbegrenzten Menge. Unendlich sind auch die Gier nach Geld und der damit verbundene Größenwahn, die Ressourcen auf dieser Erde sind es nicht.

Die Finanzmacht profitiert von den Schulden der anderen. Die Schulden treiben Firmen und Staaten ins permanente Wirtschaftswachstum, weil man seit ewigen Zeiten Zinsen verlangt. Wenn ihr heute eine Million geliehen bekommt, müsst ihr in einem Jahr 20.000 oder 50.000 oder noch mehr an Zinsen drauflegen, um da wieder raus zu kommen. Wo soll das zusätzliche Geld für die Zinsen herkommen? Es soll durch Wachstum und Gewinnsteigerung generiert werden. Das prozentuale Wirtschaftswachstum ist eine unweigerliche Folge der Zinswirtschaft.

Prozentuales Wachstum, Jahr für Jahr wiederholt, führt zum exponentiellen Wachstum. Das ist ein Gesetz der Mathematik. Für Geld ist das kein Problem. Die Geldmenge kann beliebig erweitert werden und ist praktisch schon unendlich. Für die Menschen und ihren Lebensraum ist es aber ein Problem, denn mit der Wirtschaft wachsen nicht nur Guthaben und Bequemlichkeit, sondern auch Abfall, Ausbeutung, Vergiftung der Umwelt und der CO2-Ausstoß.

Was kann Politik dagegen tun? Zunächst nichts anderes als das, was jede Einzelne und jeder Einzelne tun kann: Reduktion von Anspruch und Verbrauch. Keine Verschwendung von Material und Energie. Wer meint, mit Wachstum die Welt zu retten, ist selber nicht zu retten. Ein ferneres und höheres Ziel wäre demokratische Kontrolle über die Geldwirtschaft.

Freiheit wird nicht nur begrenzt durch die Freiheit der anderen, sondern auch durch die Grenzen des Lebensraums. Freiheit wird nicht durch Geld begrenzt, denn Geld ist unbegrenzt vorhanden. Wenn einzelne durch Weltraumflüge zu entkommen versuchen, ist das ein Zeichen von Irrsinn. Dieser Irrsinn steckt aber nicht nur in den Köpfen von Milliardären, sondern im System der Finanzwirtschaft, das von Banken erschaffen wurde und von Politikerinnen und Politikern verändert werden muss.

Der Text basiert auf Gedankan aus dem Buch des Autors:

Geld stinkt zum Himmel - Weniger Zunder, mehr Zukunft

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rob Kenius

Rob Kenius ist Diplom-Physiker und freier Autor. Er lebt selbständig, verfasst politische Bücher und betreibt die systemkritische Webseite kritlit.de

Während des Studiums, mit Schwerpunkt auf theoretischer Physik, begann Rob Kenius für die Studentenzeitung aachener prisma zu schreiben und wurde deren Chefredakteur. Nach dem Diplom gelang ihm der Start als wissenschaftlicher Journalist beim WDR-Fernsehen und er betreute dort eine Sendereihe über Akustik. Die Hierarchie der Sendeanstalt war nicht seine Welt. Er verließ die akademische Laufbahn und eröffnete einen Musik-Club in Köln. Mit diesen Erfahrungen stieg er ins Musikgeschäft ein und blieb 25 Jahre lang selbständiger Medienkaufmann. Er hörte nie auf zu schreiben und interessierte sich mit wachsender Lebenserfahrung mehr und mehr für Politik. Als das Musikgeschäft im Internet unterging, wurde er freier Autor mit Schwerpunkt auf Systemkritik und Finanzwirtschaft. Bücher: Neustart mit Direkter Digitaler Demokratie 2017, Überleben im Überfluss 2018, Leben im Geldüberfluss 2019, Geld stinkt zum Himmel 2021. Seit mehr als 10 Jahren veröffentlicht er Artikel und Essays auf Internet-Portalen und betreibt die eigene Webseite kritlit.de

Rob Kenius

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