Ein Balkan-Deal mit Folgen

Serbien/Kosovo Die USA moderieren ein Abkommen, das ihnen mehr Einfluss in Südosteuropa verschafft. Die EU muss zuschauen
Ausgabe 38/2020
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić  (l.) bei einer Rede von US-Präsident Trump im Weißen Haus
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić (l.) bei einer Rede von US-Präsident Trump im Weißen Haus

Foto: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Nicht zuletzt imperiale Rivalität schürte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Kriege auf dem Balkan und führte an dessen Ende zur Zerschlagung Jugoslawiens. Inzwischen ringen die EU und die USA um die Vorherrschaft in ehemals sozialistischen Ländern und darum, sie dem Einfluss Russlands und Chinas zu entziehen. So ist es kein Zufall, dass im vergangenen Jahrzehnt nur Balkanstaaten von der NATO aufgenommen wurden: Kroatien, Albanien, Montenegro und – im März 2020 – Nordmazedonien.

Mit dem am 4. September in Washington geschlossenen Abkommen zwischen Serbien und Kosovo über eine „wirtschaftliche Normalisierung“ bekräftigen die USA ihre Ansprüche in der Region. Für Donald Trump ein wichtiger Tag, konnte er doch zwei Monate vor der US-Präsidentenwahl einen „historischen Erfolg“ verkünden, neben sich im Oval Office die erbitterten Feinde Serbien und Kosovo, vertreten durch den Präsidenten Aleksandar Vučić und den Premier Avdullah Hoti, die soeben einen Vertrag über ihre künftigen Beziehungen unterzeichnet hatten. Sollten dessen 16 Punkte so umgesetzt werden, wie sie niedergeschrieben sind, würde das den USA deutlich mehr Einfluss auf dem Balkan verschaffen. Und das in mehrfacher Hinsicht: Finanzpolitisch soll die Rolle des Dollars gegenüber dem Euro in der Region gestärkt werden. Dazu wird die staatliche U. S. International Development Finance Corporation eine Niederlassung in Belgrad eröffnen. Weiter besteht die Absicht, gemeinsam mit der Export-Import-Bank der USA Infrastrukturprojekte wie den Bau von Autobahnen und Zugtrassen zu finanzieren. Zudem sollen kleine und mittlere Unternehmen Kredite erhalten, was den Einfluss der Kreditgeber auf die jeweiligen Volkswirtschaften hebt. Das Ergebnis wäre ein Verschuldung in Dollar und damit eine langfristige Bindung an die USA. Schließlich – und darauf ist US-Unterhändler Richard Grenell im Interview mit dem evangelikalen American Center for Law and Justice besonders stolz – müssen Russland und China mit Nachteilen rechnen. Etwa, wenn Serbien künftig seine Energiequellen „diversifiziert“ und so weniger auf das Öl sowie Gas russischer Firmen angewiesen wäre. Zum anderen ist es Belgrad und Priština untersagt, beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes mit „nicht vertrauenswürdigen Anbietern“ (gemeint ist der chinesische Konzern Huawei) zu kooperieren, wodurch Serbien und Kosovo Teil der US-Front im Wirtschaftskrieg gegen Peking werden.

Botschaften in Jerusalem

Überdies werden sich beide Staaten den außenpolitischen Wünschen Washingtons unterordnen und sich damit notgedrungen von der EU entfernen. So soll Serbien bis Juli 2021 seine Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen, was gegen die Resolution 478 des UN-Sicherheitsrats verstößt und Belgrads bisherige Position bezüglich des Kosovo untergräbt, die sich auf geltende völkerrechtliche Standards berief. Die Republik Kosovo, deren Souveränität als Quasi-Protektorat des Westens begrenzt ist, wurde noch am 4. September von Israel anerkannt und wird seine diplomatische Mission ebenfalls in Jerusalem eröffnen. Für die Brüsseler EU-Zentrale ein Affront und der Anlass, Belgrad und Priština zu signalisieren, dass man sich zwischen der EU und den USA entscheiden müsse.

Der Konflikt um das Kosovo bleibt bei alldem ungelöst. Der Sezessionskrieg der albanisch-kosovarischen Befreiungsarmee UÇK wurde 1999 mit westlicher Hilfe geführt, um die damalige Bundesrepublik Jugoslawien in die Knie zu zwingen. Als sich die Provinz 2008 einseitig und völkerrechtswidrig für selbstständig erklärte, ging der Konflikt am Verhandlungstisch in die nächste Runde. Dabei wollte die EU erreichen, dass Serbien seine Ansprüche aufgab und das Kosovo anerkannte. Trotz der Aussicht auf eine mögliche EU-Mitgliedschaft konnte sich Belgrad dazu bislang nicht durchringen.

Inzwischen muss Brüssel zur Kenntnis nehmen, dass seit der Präsidentschaft Donald Trumps die USA über ihre militärische Dominanz in der Region hinaus (Militärbasis Camp Bondsteel im Kosovo) die offene Konkurrenz suchen. Hintergrund sind russische Pipelineprojekte ebenso wie Chinas Initiative einer neuen Seidenstraße, die auf dem Balkan Eindruck hinterlassen. Seither wollen Washington und Brüssel den maßgeblich selbst verursachten Kosovo-Konflikt so schnell wie möglich beilegen. Wer dabei die Bedingungen diktieren kann, der tut etwas für die eigene Vorherrschaft in dieser Gegend.

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