Die Geisel (ARD), Ins Leben zurück (arte), Wenn Frauen Austern essen (ARD,BR) - dreimal aus dem Leben gegriffen, dreimal kurz aufeinander folgende, hochgelobte (und wir können sicher sein, demnächst mit Preisen ausgezeichnete) Filme über Frauenthemen. STOP. Niemand schreibt mehr über "Frauenthemen". Warum auch? Sind wir nicht tausend Schritte weiter als die berühmt gewordene, bislang nicht wiederholte Küchenhoff-Studie von 1975 (!) offenbart, in der "Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen" empirisch aufgearbeitet wurde?
"Männer handeln, Frauen kommen vor" hatte der Münsteraner Medienprofessor das Ergebnis seiner Untersuchung beschrieben und betont, wie fern der weiblichen Realität und wie unzureichend gemäß dem Öffentlich-Rechtlichen Auftrag zu informieren, zu bilden, zu beraten und zu unterhalten, sich das Leben im damals noch ausschließlich Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen zeigte. Damals gab es noch festgefügte Rollenbilder, die die weiblichen Klischees von brav, anständig, hübsch und neckisch bedienten. Damals wurde kritisiert, dass Frauen weder zahlenmäßig noch altersmäßig noch im politischen Kontext repräsentativ mitspielten. Das entsprach nicht der Realität, denn damals begriffen sich Frauen in der Gesellschaft im Kampf für ihre Emanzipation, konkret vom Mann und abstrakt von männlichen Herrschaftsstrukturen. Damals war Solidarität von Frauen noch ein gesellschaftspolitischer Anspruch. Damals hatte man Visionen, und die der progressiven Frauen reichten weiter und waren weitaus sozialverträglicher als die der Ton angebenden Männer. Utopie eben.
Und heute? Sind nicht alle Probleme beide Geschlechter betreffende Probleme? Haben wir nicht Chancengleichheit? Gleichen Zugang zu Bildung, Ausbildung, Beruf und Karriere? Gibt es nicht etwa totale Wahlfreiheit und ein überaus flexibles Rollenverhalten? Stehen Frauen nicht ihren Mann? Und ist diese Vielfalt nicht längst umgesetzt in den Frauenfiguren der Fernsehprogramme? Sieht doch augenscheinlich prima aus. Heute kann niemand mehr behaupten, dass Frauen nicht mitverantwortlich sind für das, was gesendet wird. Frauen tauchen inzwischen im Fernsehen in jeder Funktion auf, sogar in der Sport- und Chefredaktion, in der Technik und als Moderatorin. Und Frauen sind - nach Männern - sehr beliebt. So waren nach einer jüngsten Erhebung unter lauter Sport-Übertragungen mit zum Teil zwölf Millionen Zuschauern und dem Tatort-Krimi mit mehr als siebeneinhalb Millionen Zuschauern Sabine Christiansen und die Serie Julia - Eine ungewöhnliche Frau mit fast sechs Millionen Zuschauern die Favoriten. Und das, obwohl Sabine Christiansen ganz offensichtlich mit ihrer Talkshow überfordert ist und die ungewöhnliche Frau Julia in Serie ganz und gar dem bürgerlichen Milieu entsprechend mit guten Manieren und einem ihrem Stand angemessenen Selbstbewusstsein aus sozialer Sicherheit heraus ausgestattet ist. Oder basiert ihr Erfolg nicht darauf, obwohl, sondern weil sie beide diese Rollen erfüllen und damit das Vertraute, Traditionelle auf dem Bildschirm darstellen? Was also soll an Julia ungewöhnlich sein? Was ist an Sabine Christiansen nicht gewöhnlich?
Frauen, die es im Beruf oder im Privatleben "geschafft" haben, haben auch im fiktionalen Bereich Konjunktur. Ihre Geschichten sind als spektakuläre Fälle meist in Reportagen oder Meldungen bereits in den Medien erschienen und daher in gewisser Weise bekannt. Diese Frauen gibt es, aber sind sie tatsächlich so, wie sie in den Filmen inszeniert werden? Und wozu werden sie so präsentiert? Tough, aber grenzenlos naiv, ohne Machtbewusstsein, dafür voller Vertrauen, wie Suzanne von Borsody in Die Geisel von Christian Görlitz inszeniert wird. Die Geschichte von der Gefängnisdirektorin, die sich als Geisel eintauschen lässt, von dem Häftling vergewaltigt wird und mit ihrer Unerschrockenheit das Drama unblutig beendet, hätte viel Stoff hergegeben: Frau im Männerberuf, Karriere-Frau im Männer-Knast, Frauenmacht durch Frauensolidarität. Eine Charakterstudie. Der Autor und Regisseur Christian Görlitz aber setzt auf Sex Crime und das Mütterliche, das so beruhigend auf Männer wirkt, währenddessen die - Kollegen, Politiker, Untergebene - sie zum Bauernopfer für ihre eigenen Machtspiele machen. Das kennt man, das ist durchaus realistisch, aber das deprimiert eher, als dass es Mut macht, eigene Wege zu gehen und verstellt den Blick für Bündnispartnerinnen. Suzanne von Borsody gibt sich alle Mühe, aus dieser unglückseligen Mischung zwischen tough und blauäugig einen Charakter werden zu lassen, kommt aber gegen die Regie nicht an. Soll das die Lehre sein: Selber schuld? Frauenbilder in patriarchalischen Konstruktionen werden nicht dadurch moderner, dass man sie auf Männerpositionen stellt, sondern bleiben - real oder nicht - projizierte Fremdbestimmungen.
Ins Leben zurück, mit Martina Gedeck auf die ausweglose Suche nach ihrer verschwundenen Tochter. Gelegenheit zu Charakterstudien, zur Gesellschaftsanalyse, zum Mutterbild. Im Umkehrschluss zum Küchenhoff-Fazit gilt hier rein empirisch: Frauen handeln, Männer kommen vor. Was für die Frauen inszenatorisch genauso schlecht ausgeht wie der Griff nach der Macht. Rücksichtslos, schrankenlos, egomanisch erscheint die suchende Mutter in ihren Aktivitäten. Ein Fall für die Psychiatrie, wie der Film von Fabian Thaesler suggeriert, und Regisseur Markus Imboden quält die Zuschauer mit dem Spiegel einer Gesellschaft, die nichts mehr zusammenhält, weil ihre Protagonisten dem scheinliberalen Anspruchsdenken an missverstandener "Freiheit", nämlich tun und lassen zu können, was einem gerade in den Sinn kommt, verfallen sind. Freiheit auf Kosten anderer, eigenwillig wie ein Mann und genauso isoliert, egozentrisch, vereinzelt. SIE darf sich im übertragenen Sinn austoben, ER bleibt vernünftig. Und dann doch wieder das alte Muster. Immer, wenn SIE rührend-hilflos wird, ist ein Ritter zur Stelle und wird sie wie im Märchen oder auch wie der Papa aus unwegsamen, verhedderten Situationen erlösen.
Oder wie im Krimi. Im Tatort Wenn Frauen Austern essen sind es schließlich auch männliche Kommissare, die die Morde aufklären. Die Geschichte von Peter Probst ist reine Fiktion, die Männer ironische Phantasiegeschöpfe, die Frauen purer Realismus. Lauter Zicken, Neurotikerinnen, Schlangen, die es zu medialem Ruhm und Reichtum gebracht haben, indem sie sich genauso tricksig, hinterhältig, intrigant, über-Leichen-gehend wie Männer in dem Gewerbe verhalten. Vor allem ihre Gemeinheiten untereinander und die weiblichen Retourkutschen gegenüber den Männern à la dem-Polizisten-in-den-Po-kneifen haben großen Unterhaltungswert, aber sagen nichts weiter aus, als dass Frauen vollgültig in der Männerwelt angekommen sind. "Frauen verhalten sich wie Fleisch gewordene Männerphantasien", resümiert denn auch einer der Kommissare leicht entsetzt. Klaus Emmerich hat das turbulent und vielleicht wegen eigener Betroffenheit etwas unübersichtlich in Szene gesetzt. Ein Schlüsselsatz für das, was unter dem Stichwort "Frau" im Fernsehfilm präsentiert wird.
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