Erst die verhangene Herbststimmung, dann die unwirkliche Adventszeit, schließlich das Weihnachtswunder. Welchem Programmplaner möchte man da nicht fraglos zustimmen, dass, wenn überhaupt, unbedingt jetzt die Zeit fürs "Übersinnliche", für die "Psychokinese", das "Parapsychologische", kurz die Dimension PSI reif sei? Sechsmal also Doku am Montag, mit Titeln, die einen vorab schon mal vom Stuhl reißen: 1.Rätselhafte Kräfte; 2.Teufelsaustreibung; 3.Gedankenübertragung; 4.Todeserfahrung; 5.Wiedergeburt; 6.Geister. Das liest sich wie Tatort, und ähnlich kriminell ist die Reihe gestrickt. Düsteres Licht, drohend-dramatische Musikuntermalung, eine unstete, ewig zoomende Kamera, dazu ein wirrer Schnitt, breiige Off-Texte, von einer gequält-knödeligen Stimme gelesen, versucht man, in dem Durcheinander einen roten Faden und so etwas wie Erkenntnis, wenigstens jedoch etwas Kenntnis der Beteiligten über das Thema herauszufinden. Aber, ach, welch verschenktes Thema, welch vertane Chance.
Wer hat da "gewirkt"? Und warum ausgerechnet in der ARD, wo gleich vier Sender (MDR, NDR, WDR, SR) öffentlich-rechtlich redaktionelle Verantwortung zeichnen?
Jedes Mal zu Beginn der Folgen leuchtet wie von Geisterhand geführt die Schriftzeile auf: "Es gibt mehr zwischen Himmel und Erden, als sich Eure Schulweisheit erträumt", klar, Hamlet, Shakespeare, kein Geringerer. Aber wer ist schon dieser Altvordere aus dem spukigen England gegenüber dem Überangebot an "namhaften Wissenschaftlern" vornehmlich in den USA, manchmal auch aus Großbritannien und einige, wenn´s ideologisch passt, aus der ehemaligen Sowjetunion, die die sechs unbekümmerten Jung-Filmer (zwischen 30 und 45 Jahren) geballt mit 30 bis 45 Sekunden-Sätzen in ihre Schnipselsammlungen einblenden, um dem Ganzen den Anstrich von Seriosität zu geben? Und die vor allem bei den Militärs und Geheimdiensten schmalspurig und interessengeleitet nur darauf aus sind: "Was bringt es uns (militärisch)? Können wir das auch?" Ständig ist vom "ungewöhnlichen Forschungsprojekt" die Rede, wobei der Professor "regelmäßig die Kurven auf dem Computerschirm verfolgt", was in der ganzen Banalität auch mit der Kamera festgehalten wird. Mit "bisher unveröffentlichten Originalaufnahmen" versucht man, Eindruck zu schinden. Viele Archivaufnahmen wie von der spektakulären "Teufelsaustreibung" bei der epileptischen Anneliese Michel, Uri Gellers Löffelverbiegungen oder die sich unter der energetischen Kraft bewegenden Gegenstände bei berühmten "Medien" sollen Authentizität zeigen, wobei sie im selben Atemzug von ablehnenden "Experten" wie Wissenschaftlern, Psychiatern, Priestern für Humbug erklärt werden.
Die mit "rätselhaften Fähigkeiten" ausgestatten Menschen werden in diesen Beiträgen zum Untersuchungs-Objekt degradiert, während die Autoren distanzlos die Sicht der Objektuntersucher einnehmen, was sich in der Sprache, in der Auswahl derer, die zu Wort kommen und in dem, welche Aussagen sie machen, niederschlägt. Dauernd "untersuchen" diese Koriphäen unerklärliche "Phänomene", und trotzdem bleibt alles "rätselhaft".
Jede Folge stützt sich auf spektakuläre "Fälle", aber es wird nur Zeitungswissen aneinandergereiht, nicht analysiert noch eine intellektuelle Konsequenz gezogen. Die Filmemacher übernehmen nahtlos die stupend wirkende Ratlosigkeit der zitierten "Wissenschaftler" und offenbaren damit eine erschreckende Abstinenz von Verständnis oder gar intellektueller Durchdringung und Bewältigung des Themas. "Teufelsaustreibung" 1976 im fränkischen Klingenberg, "Gedankenübertragung" als Geheimwaffe der CIA und des KGB mittels "PSI-Spione", "Geister" die eine Anwaltspraxis in Rosenheim und die Schlösser in England "heimsuchen". Nicht nur die geschraubten, rhetorischen Fragen "Welche Kräfte wirken hier? - Können Menschen Gedanken lesen oder sogar in die Ferne sehen?"! ähneln sich in den Folgen, auch der chaotische Ablauf und die oberflächliche Betrachtungsweise wiederholen sich. Kurz, man ist - Zauber, Zauber - angesichts des Übersinnlichen unverhofft mit dem Zustand des Journalismus und dem des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens konfrontiert.
Kommt einem schon die Machart der Filme unheimlich bekannt vor, genügt ein Blick ins teuer aufgemachte Presseheft, um zu erfahren, dass allein vier der sechs Autoren schon für Guido Knopps Hitler-, Stalin-, sonstwie-Reihen gearbeitet haben. Fängt man an, das Produktions- Kürzel MPR Film- und Fernsehproduktion GmbH zu entschlüsseln, verbirgt sich dahinter Maurice Philip Remy, einstmals kooperierend mit Guido Knopp, siehe oben. Was also liegt näher, als dass die MPR Produktion das ganze Paket schnürt, einschließlich Konzeption und Auswahl der Autoren? So gesehen, versteht man, dass eine "Abnahme" der Reihe durch die ARD-Redaktionen eigentlich Zeitverschwendung ist, die die gestressten Redakteure viel besser mit dem Auftreiben des vielen Geldes verwenden können, das solche ausgelagerten Produktionen kosten. Gar nicht "rätselhaft" ist dann das Ergebnis. "Outsourcing" nennt man das heutzutage, was eine Entlastung von Anstaltsbudget und Anstaltspersonal sein soll. Wenn es wie an diesem Beispiel auch eine Entlastung von Inhalt, öffentlich-rechtlichem Auftrag und Maßstab bedeutet, dann allerdings lässt sich ganz im Diesseits fragen, wozu die ARD noch gut sein soll. Oder hat hier etwa jemand "gewirkt"?
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.