Frauen sind: kess, tough und gestylt. Frauen können viel, trösten Kinder, Tiere, Männer. Bringen Friseurtermine, Autofahren und Karriere locker unter Dach und Fach. Sprechen mit Pflanzen, tragen auch beim Sex ein perfektes Make-up und sehen noch in den verwühltesten Kissen frisch gefönt aus. Frauen sind einfach supertolle prima sexy Kumpelkolleginnenfrauen. So sieht sie aus, die Wirklichkeit im Fernsehprogramm, egal, in welchem. Zupackend und herzzerreißend. Ewig auf IHN fixiert. Wär ja auch noch schöner, wenn Frauen so über den Schirm liefen, wie sie im richtigen Leben anzusehen und zu erleben sind. Zuschauer-Zielgruppe Frau mag offenbar die Illusion. Will sich in Scheinwelten flüchten, wo der Alltag eher trübe oder wenigstens nicht ganz so faltenfrei verläuft. Denken die Männer, die die Programme verwalten und deshalb auf Quote und Werbeumfeld achten.
Männer sind da ja ganz anders, weshalb sie sich auch in der ganzen, bunten Vielfalt von Mannsein darzustellen bereit sind. Mit Haar und ohne. Mit Bauch und ohne. Mit Brille und ohne. Mit Frau und Familie und ohne. Mit Geliebte und Mutter. Schnieke bis schlampig. Schlurfig bis sportlich. Von pubertierend bis scheintot. Mann geht immer, egal, in welcher Sparte, in welchem "Format", in welchem Alter. Ob in Serie oder Shows, in Krimi oder Comedy, in Servicesendungen oder in Spielfilmen, morgens, mittags, abends, nachts. Vom süßen Lausbub bis unendlich Richtung Johannes Heesters, am liebsten aber immer noch als Arzt (Dr. Wussow), Traumschiff-Schwiegersohn (Sascha Hehn), Pfarrer (Robert Atzorn), Talkmaster (Beckmann, Kerner, Jauch) und Nachrichtensprecher (Ulrich Wickert). An ihrer Seite, unter oder vor ihnen, wild entschlossen und forever young: das fashion-girl, die coole business-woman.
Alles Quatsch. Gibt es nicht inzwischen überall weibliche Pendants, die nicht mehr nur jung und unbedarft sind, sondern reif und abgebrüht? In der Comedy, in den Nachrichten und Politmagazinen, beim Wetter, in Talkrunden, Komödien und Schnulzen und vor allem in den Krimis macht sich "40 plus" breit. Die neue Schamgrenze der Fernsehwirtschaft, nach der offenbar abgegriffenen Werbestrategie "14-49". Ulrike Folkerts, Maria Furtwängler und Sabine Postel als Tatort-Kommissarinnen, Bella Block alias Hannelore Hoger, Susanne von Borsody, Mariele Millowitsch, Senta Berger, Sandra Maischberger, Maybritt Illner, Cordula Stratmann, Sonia Mikich, lauter mit den Jahren und Jahrzehnten vertraute Bekannte, die den Zuschauerinnen sagen: auch Frauen werden älter, sogar im Fernsehen. Ein schleichender Prozess wie das Altern an sich, der sich mit den Protagonistinnen im Laufe der Serien, EU-Normen und Modernisierungswellen wie von selbst ergeben hat. Kein Tag mehr ohne "40 plus".
Zum Beispiel die vergangene Woche. Sonntag: Tatort (ARD) mit Maria Furtwängler alias "Charlotte Lindholm". Wie alle ihre Kommissar-Kolleginnen Single, aber als einzige in der ewigen Hängepartie zwischen der WG mit dem Bruder-Kumpel-Seelsorger-Typen "Martin" und wechselnden, unglücklichen Affären, die auch mal in verknautschten Kissen landen dürfen. Auf den ersten Blick wirkt das tough, und dann merkt man, dass hier dramaturgisch "weibliche Schwäche" eingesetzt wird, um vom Eigentlichen, nämlich dem Beruflichen, abzulenken, und unterschwellig sind´s die hohen Ansprüche, die solchen Frauen kein Glück bringen, wetten? Montag: Wenn man Glück hat, moderieren Anne Will (knapp unter 40) die Tagesthemen in der ARD und Petra Gerster (knapp über 40) das heute-journal (ZDF), intelligent und informativ, super formulierend, angenehmes Timbre, blendendes Aussehen, echte Hingucker. Merken deren Chefs, dass diese beiden einfach besser sind als die Kollegen? Machen sie deshalb Karriere? Wo ist ihr Machtkartell?
Dienstag: Die gute Adelheid und ihre Mörder (ARD). Resolut nach dem Motto: böse Mädchen kommen überall hin, ist sie dennoch auf immer verdammt zur zuarbeitenden Seele des (Kriminal)Büros. Chef bleibt Chef, und Evelyn Hamann, in den Loriot-Sketchen so wunderbar bissig gefordert, hadert mit ihrer Weiblichkeit und kommt in diesem Serien-Leben nicht raus aus ihren Komplexen. Dafür wickelt sie mit einer Tasse Kaffee und jeder Menge humorvoller Zurückhaltung noch jeden Stoffel um den Finger. Frau weiß, wo ihr Platz ist, oder? Anschließend: In aller Freundschaft, wo das pralle Leben in hölzernen Dialogen aufgefangen wird unter maßgeblicher Anteilnahme von gestandenen Frauentypen. Man muss die Klischees mögen, oder wie war das mit der "freien Journalistin", die auf ihre pubertierende Tochter maßlos eifersüchtig ist und jeden Mann wie eine Drohne verschlingt? So sind sie, die befreiten Frauen?
Freitag: Brief eines Unbekannten (ARD) mit Anke Sevenich, die als "Jana Hansen" die Frage umtreibt: "Meine Eltern sind 50 Jahre verheiratet und lieben sich noch immer - warum krieg ich das nicht hin?" Sie kriegt am Ende einen Mann, einen ganz netten. Das ist zwar langweilig wie alles Absehbare im Film, hat aber durchaus formal etwas zu bieten wie den rasanten Schnitt von der Orgelempore ins Bett zum Beischlaf. Samstag Abend kulminierte alles, was Frauen so drauf haben, in der großen Samstagabend-Show: Willkommen bei Carmen Nebel (ZDF). Die (40 plus) nahm sich mit Hilfe von Verona Poth (30 plus) vor, die "elf Millionen Singles" in Deutschland zu bekehren: "Das ist zuviel". Musikalisch umbrandet wimmelte es von "40 plus" bis - im Publikum - "40 plusplus", bei denen es immer noch und nur um das eine geht: die Liebe. Nur keine Illusionen. Carmen Nebel moderiert das genauso zuckersüß durch wie ein Gunter Emmerlich oder Frank Elstner. Damit das klar ist. Nach wie vor schreiben hauptsächlich Männer die Drehbücher und führen Regie. Sie sind die Chefs und bestimmen immer noch, welches Frauenbild über den Bildschirm flimmert. "40 plus"? Frauen sind ja nicht doof. Welch ein Programm, wenn sie sich durchsetzten. Damit sie nicht nur die harte Realität, sondern auch ihre Illusionen im Fernsehen gespiegelt bekämen: Dass sie nämlich supertolle prima selbstbewusste sexy Frauen sind, stark und intelligent genug, um miteinander die Welt zu verändern. Diese Männerwelt des Fernsehens.
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