Quadratisch,hermetisch, dicht

Architektur Der prämierte Entwurf für das Münchner NS-Dokumentationszentrum symbolisiert die Historie der Verdängung der braunen Stadtgeschichte seit 1945

Weiß ist die Farbe der Unschuld. Wie die Fassade aus geschlossenen Weißbetonflächen, die den massigen Klotz kennzeichnen. 22 mal 22 mal 22 Meter, drei Stockwerke überirdisch, zwei unterirdisch, alles auf einem Grundriss von 2.000 Quadratmeter. Quadratisch, hermetisch, dicht.

So sieht das prämierte Modell der Berliner Architekten Georg, Scheel, Wetzel für das Münchner NS-Dokumentationszentrums aus. Auch wenn erste Wünsche nach Auflockerung laut wurden (nach einem Dachgarten-Café und einem „einladenden“ Eingang) – der abweisende Block symbolisiert die Historie der Verdrängung der braunen Stadtgeschichte seit 1945.

Nichts sollte an die „Hauptstadt der Bewegung“ erinnern. Im Umkreis des Königsplatzes, der von den Nazis zugepflastert worden war und ihnen als Aufmarschgebiet diente, standen mehr als 50 Gebäude unter der Verwaltung der NSDAP, neben dem „Führerbau“ eben auch das „Braune Haus“, auf dessen Gelände nun das Dokumentationszentrum entstehen soll. Die Monumentalbauten wurden, wenn nicht abgerissen, dem Guten, Wahren und Schönen gewidmet. Aus dem „Führerbau“ wurde die Hochschule für Musik, am „Haus der Kunst“ reichte es, Hakenkreuz und Reichsadler zu entfernen, um sich fortan der Moderne und dem reinen Faschingsvergnügen zu widmen.

Nicht die 68er, sondern der Architekturhistoriker Winfried Nerdinger machte sich Ende der achtziger Jahre unbeliebt, als er versuchte, die SPD regierte Stadt mit einem Antrag für ein Haus der Zeitgeschichte zur kritischen Auseinandersetzung mit der Erinnerung zu bewegen. München wollte weiter unschuldig sein. Was folgte, so Nerdinger, war „beschämend“.

Erst 2001, als sich mit dem Vorschlag des „Täter-Ortes“ am Königsplatz der Plan konkretisierte, fasste die Landeshauptstadt den „Grundsatzbeschluss zur Realisierung eines Dokumentationszentrums“. Amtliche Querelen, persönliche Profilierung und der ideologische Kampf um eine museale oder interaktive Ausrichtung beschäftigten die drei eingesetzten Kommissionen, in die eher notgedrungen die beiden KZ-Überlebenden Max Mannheimer und Ernst Grube aus dem Bürger-Initiativkreis eingeladen wurden. Das hielt 2003 das Bayerische Kultusministerium nicht davon ab, mit einem fadenscheinigen Gutachten belegen zu wollen, dass es in Bayern schon genug Aufklärung gebe. Ende 2005 stellte der Freistaat dann nach heftigem Widerstand der um seine Zufahrt besorgten Hochschule für Musik deren Nachbargrundstück doch zur Verfügung. Ein Jahr darauf machte der Besucheransturm bei der Ausstellung Ort und Erinnerung, die Nerdinger als Direktor des Architekturmuseums der Pinakothek der Moderne organisiert hatte, klar, dass sich der Zeitgeist gewandelt hatte. Stadt, Land und Bund rangen sich endlich zur gemeinsamen Finanzierung des 30-Millionen-Euro-Projekts durch, so dass Anfang 2008 der Architekturwettbewerb ausgelobt werden konnte, der nun ein Ergebnis hat.

Jetzt fehlt nur noch die inhaltliche Konzeption. Erst im Dezember wurde die seit März tätige Historikerin Irmtrud Wojak zur Gründungsdirektorin berufen. Zuvor hatte sie die Forschungsabteilung des NS-Opfer-Archivs in Bad Arolsen geleitet. Ihre Wahl dürfte ein Glücksfall für München sein. Die Unschuld hat ein Ende.

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