Er ist tatsächlich der Größte. Ein Meter dreiundneunzig lang, um die 100 Kilo schwer, Schuhgröße 46. Horst Seehofer ist das, was man in Bayern »a Mannsbild« nennt, und in seiner wiedervereinigten Doppelfunktion als Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzender so schlagkräftig, wie es die CSU und ihre Wähler mögen. Anders als bei seinen schmählich abservierten Vorgängern Günther Beckstein und Erwin Huber demonstriert allein schon Seehofers körperliche Größe zusammen mit seinem volltönenden Bariton das Image des bayerischen Löwen: machtbewusst und durchsetzungsstark auf volkstümliche Art. Das kommt an.
Nichts als Probleme
Noch nicht einmal drei Monate im Amt, und nichts als »Erfolge«, die Seehofer nicht müde wird zu preisen in Berlin, München und nicht zuletzt in der Partei selbst. Erbschaftssteuer, Pendlerpauschale, Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags, Steuerentlastungen, das BKA-Gesetz zur verschärften Inneren Sicherheit: die CSU ist wieder wer. »Vorbei die Zeit, als ich in Berlin ausgelacht wurde«, freute sich der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft jüngst öffentlich und wünschte »Herrn Seehofer weiterhin viel Glück dieses Jahr«. Das braucht der Beklatschte vor allem im Stammland Bayern, wo die versierte Rhetorik vieles schönredet und mit Abermillionen Steuer-Euros »gerettet« werden soll, was dank der bisherigen CSU-Alleinherrschaft, des allgemeinen Finanzdesasters oder auch von beiden zusammen ganz, ganz unten ist.
Die BayernLB zum Beispiel, die bislang (veröffentlicht) fünf Millionen Euro unter der Obhut von aktiven oder ehemaligen CSU-Politikern in Vorstand und Verwaltungsrat verzockt hat. Die Hypo Real Estate, die Auto- und Zuliefererindustrie, die Chip-Fabriken. Jeden Tag droht eine Pleite in Hightech-Bavaria, jeden Tag wird das staatliche Helfersyndrom bedient und dem Volk als »soziale Marktwirtschaft« verkauft. Der bayrische Koalitionspartner FDP stört dabei – wie überhaupt – kein bisschen. »Absolut unfallfrei« nennt Ministerpräsident Seehofer aufgeräumt das Verhältnis zur bayrischen FDP, für die sich die CSU-Fraktion mit 51 zu 49 Prozent und damit gegen die Freien Wähler entschieden hat. Das entspricht nicht nur »dem Wählerwillen«, sondern auch dem Teil der unzufriedenen Parteimitglieder, die von der FDP das erwarten, was sie bis zum Überdruss bei ihrer CSU vermisst haben, nämlich eine Auffrischung und Modernisierung ihrer Politik. Besonders in der Bildungs-, Familien- und Umweltpolitik hapert es bekanntlich.
Im Klartext der im Januar vorgestellten Wahlanalyse heißt das: die mit alten Männern, Amigo-Filz und verlorener Bürgernähe assoziierte CSU braucht mehr Frauen, mehr Jüngere und mehr Weltoffenheit, was ja irgendwie dasselbe meint, aber den ländlich autoritätsfixierten Anhängern in jeder Hinsicht zu sehr gegen die Tradition geht. Seehofer löst diesen scheinbaren innerparteilichen Spagat einerseits wie gehabt rhetorisch komplex: »Die CSU ist die eigentlich tolerante und liberale Partei. Wir waren nie eine Partei des Zeitgeists. Wir Konservative stehen an der Spitze des Fortschritts.« Andererseits betreibt er eine Personalpolitik, die bei genauerem Hinsehen statt auf die versprochene Erneuerung und »Kompetenz« eher auf eine geschickte Machtpolitik nach Art seines »großen politischen Vorbilds Franz Josef Strauß« hindeutet, zu dem er übrigens immer stärker auch in Habitus und Sprechgestus mutiert.
Machtergreifung der Ichlinge
Dass Seehofer keinen »über 60« in sein Kabinett gelassen hat, vergrätzt zwar die Senioren-Union, die darauf hinweist, dass immerhin zwei Drittel der CSU-Wähler über 60 sind. An der Politik wird die Verjüngung dennoch nicht viel ändern, die neben den Pflichterfüllern bezeichnenderweise als »Machtergreifung der Ichlinge« die Runde macht. Oberstes Kriterium ist und bleibt der archaische Regionen-Proporz, der mitunter an Warlord-Distrikte erinnert. Das hat unlängst dazu geführt, dass die wegen ihrer desolaten Schulpolitik und Verquickung in diverse Affären geschasste oberbayrische Ex-Ministerin Monika Hohlmeier von einem Tag auf den anderen ihren Wohnsitz ins 300 Kilometer entfernte Oberfranken verlegt hat, um nach der Zwangspause wieder in der Politik mitmischen zu können. Dank Parteichef Seehofer, der mit sich und der Welt sichtbar zufrieden ist, dass er auch diesen Coup mit der Europawahl-Kandidatur von Strauß-Tochter Monika für den sicheren Listenplatz 6 über alle wütenden basisdemokratischen Widerstände hinweg gelandet hat. Ihn hat schließlich auch nicht das Volk gewählt. Mein Gott, sinniert er über die Bürgerbefragung zur CSU, »arrogant«, das mochte einmal zutreffen, aber »verfilzt«? Das kann der FJS-Zögling und bekennende -Fan Horst Seehofer »überhaupt nicht nachvollziehen«.
Die Partei habe seit dem für sie niederschmetternden Alleinvertretungsverlust bei den Landtagswahlen im September »eine revolutionäre Entwicklung« durchgemacht, beteuert ihr Chef. Was nicht zuletzt ein Erfolg des ebenfalls neuen Generalsekretärs Karl-Theodor zu Guttenberg ist, auch ein Junger, allerdings einer aus vorvorgestrigem Stande, der mit adligem Schliff und einem zackigen »Gottes Segen!« am Schluss jeder Rede die Partei auf Linie bringt. Eine veröffentlichte Wahlanalyse, das gab es noch nie bei der CSU. Soviel Demokratie muss genügen. Schluss also mit der »Selbstgeißelung« im »Dialog«, mit den Regional-Versammlungen und Basis-Aussprachen. Jetzt heißt es wieder: Hinterzimmergemauschel, Kungelei, Spezlwirtschaft. Seehofer macht derweil den Sympathieträger, und dabei ist er so entwaffnend leutselig, dass viele das für authentisch halten und die Umfragewerte wieder steigen. Kein Wunder, dass wenigstens er »rundum glücklich« ist.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.