Auma Obama hat ausgerechnet heute ihre Stimme verloren. Immerhin, sagt sie, habe der Arzt dafür gesorgt, dass sie ein bisschen sprechen kann. Obama ist die kenianische Halbschwester des US-Präsidenten. Sie ist in Berlin, um die Keynote zu halten, den Hauptvortrag zur internationalen Fairtrade-Konferenz. Sie soll zum Nachdenken anregen. Der Tontechniker hinter der Glasscheibe dreht das Mikrofon lauter. Obama spricht Deutsch. Sie hat in Heidelberg Germanistik studiert. Gestern am Flughafen wurde sie vom Zoll angehalten, als einzige der Ankommenden. Die Beamten seien ziemlich erstaunt über ihr Deutsch gewesen, erzählt sie. Aber heute gehe es ihr nicht um racial profiling, sondern um Handel. Echten Handel.
„Ich glaube nicht, dass es so etwas wie Fair Trade gegeben hätte, wenn die Europäer nicht darauf gekommen wären“, sagt sie. Aber dabei dürfe man nicht stehenbleiben. Sie fordert von den Anwesenden, darunter viele Manager großer Lebensmittelkonzerne, Geschäftsbeziehungen auf Augenhöhe. Keine Almosen, keine Sonderkonditionen.
Obama hat die Sauti-Kuu-Stiftung in Kenia gegründet. Sauti Kuu heißt starke Stimmen. Sie ist vor allem damit beschäftigt, jungen Menschen Selbstbewusstsein zu geben. Kenia ist ein fruchtbares Land mit Potenzial. Das Problem seien nicht fehlende Möglichkeiten, sondern fehlendes Selbstvertrauen, sagt Obama.
Bitte kein Mitleid
Also macht Sauti Kuu Coachings, berät, baut auf und sorgt dafür, dass junge Menschen ihren eigenen Weg gehen. Dass sie Träume haben und sich trauen, sie umzusetzen. Manche wollten dann nicht mehr in die Stadt abwandern wie die Mehrzahl, sondern gute Bauern werden, die gut verdienen – an guten Produkten und nicht, weil sie jemand aus Mitleid besser bezahlt.
Es gibt verschiedene Studien, die belegen, dass fairer Handel nicht nur den Bauern selbst zugutekommt, sondern die wirtschaftliche Situation der Regionen insgesamt verbessert. Fairtrade-Bauern sind häufig in Kooperativen organisiert, die auch Geld in die Infrastruktur investieren. Trotzdem: Das Konzept beruht auf dem guten Willen der Verbraucher, mehr zu bezahlen. In Deutschland haben fair gehandelte Produkte einen Marktanteil von zwei Prozent. Selbst die Produzenten können im Durchschnitt nur 28 Prozent ihrer gesamten Erzeugnisse unter Fairtrade-Lizenz verkaufen. Für mehr reicht die Nachfrage nicht. Es ist eine Nische. Einzelhandel und Industrie schmücken sich gern mit fairen Produkten, und Menschen kaufen sie. Aber eben nur unter anderem.
Die Bekleidungskette Ernsting’s Family, die ziemlich günstige Klamotten anbietet, verkauft seit kurzem auch T-Shirts aus fairer Baumwolle. Der Rest der Lieferkette ist konventionell. Es ist eine Art Fairtrade light, für den die Fairtrade-Organisation vergangenes Jahr ein zweites Siegel eingeführt hat. Zwei der T-Shirts sind im Foyer ausgestellt, zusammen mit einer Sammlung anderer Produkte. Das Arrangement erinnert an einen Gabentisch.
Marcello Concilio ist der Pressesprecher von Ernsting’s. Er trägt Vollbart und gemustertes Hemd, weiß und dunkelblau, Slimfit. Leicht zu unterscheiden von all den Lebensmittelunternehmern in ihren dunklen Anzügen. Die T-Shirts seien noch nicht lang im Sortiment, sagt er, aber es laufe ganz gut. Ob sein Unternehmen sich vorstellen könne, nur noch Kleidung aus fairen Rohstoffen zu verkaufen? Das sei eine Preisfrage. Es gäbe Kunden, für die die T-Shirts schon zu teuer seien.
Die meisten Produkte auf dem Tisch im Foyer sind keine Textilien: Kaffee, Tee, Schokolade, Bananen. Früher konnte man solche Sachen im Kolonialwarenladen kaufen. Das ist kein Zufall. Fast alle Länder, die heute in großem Stil Südfrüchte und Genussmittel nach Europa und in die USA exportieren, waren früher Kolonien. Nach der Unabhängigkeit sind die alten wirtschaftlichen Abhängigkeiten geblieben, auch in den Köpfen. Die wenigsten Länder konnten einen nennenswerten Industriesektor entwickeln.
Fairer Handel wirkt da beinah wie eine Art Wiedergutmachung, als Versuch, die wirtschaftliche Ausbeutung abzufedern. „Guter Wille ist keine Basis für Handel“, sagt Obama entschieden. „So funktioniert Wirtschaft nicht.“ Erst wenn die Bauern in der Position wären, dass sie auf Augenhöhe mit ihren Abnehmern verhandeln könnten, würde sich wirklich etwas ändern.
Fair, wenn es sich lohnt
Stephan Nießner, der Geschäftsführer von Ferrero, gibt an diesem Tag bekannt, dass sein Unternehmen in Zukunft fairen Kakao verarbeiten will. Firmen, die Schokolade herstellen, sorgen sich seit einiger Zeit, dass ihnen die Lieferanten wegbrechen. Kakao ist ein schwieriges Produkt. Für die Bauern in den Hauptexportländern Ghana und Elfenbeinküste sind andere Feldfrüchte lukrativer. Ihren Kindern ist die harte körperliche Arbeit zu mühsam. Firmen wie Ferrero sind aber darauf angewiesen, regelmäßige Kakaolieferungen in gleichbleibender Qualität zu bekommen. Also investieren sie selbst in den Anbau und stellen sich als Vorreiter nachhaltiger Entwicklung dar. Es klingt wie ein Geschäft auf Augenhöhe: Wir wollen euer Produkt, also verhandeln wir über die Konditionen.
Kritiker sehen die Entwicklung aber skeptisch, denn oft ändere sich dadurch nichts an der prinzipiellen Abhängigkeit. Die Bauern müssten vielmehr verschiedene Produkte anbauen, damit sie bei schlechten Preisen nicht sofort verkaufen müssten. Für andere Feldfrüchte fehle aber oft das Know-how. Die Abnehmer könnten deshalb immer noch den Preis drücken.
Das Label „Fair“ war für Industrie und Handel bisher vor allem eine Erweiterung der Produktpalette, ein Imagebooster, gute Werbung. Vielleicht wird es in Zukunft Mainstream, wenn große Unternehmen stärker fair produzierte Rohstoffe nachfragen. Sie werden es aber nur tun, wenn sie es müssen. Nicht nur, weil die Konsumenten es wollen, sondern auch weil die Bauern es sich leisten können, sich nicht alles gefallen zu lassen.
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