Noch immer kein Jahrhundertsieg

Fußball-WM Platten Sexismus findet man in den Berichten nur noch vereinzelt. Gut so. Jetzt lasst bitte noch das wohlwollende Schulterklopfen sein
Ausgabe 27/2015
Julie Johnston, US-Verteidigerin, beim Kopfball im Spiel gegen Deutschland
Julie Johnston, US-Verteidigerin, beim Kopfball im Spiel gegen Deutschland

Foto: Franck Fife/AFP/Getty Images

„Kein Platz für Machos!“, schrieb vergangene Woche Bild und kritisierte in deutlichen Worten das Desinteresse einiger Männer an der Fußball-Weltmeisterschaft in Kanada. Was ist da los? Ist Sexismus uncool geworden, wird die Sportberichterstattung bis auf ein paar notorische Relikte jetzt tatsächlich langsam normal? Also abgesehen von den üblichen Meldungen über die „heißesten Fußballerinnen bei der WM“, und als besonderes Highlight „Die heißesten Spielerinnen der Frauen-WM in Kanada zum Durchklicken“ in der Onlineausgabe der Münchner Abendzeitung.

Ansonsten aber ist platter Sexismus bei dieser WM einigermaßen schwer zu finden. Bild leistete sich zwar zwei wohlkalkulierte Fauxpas mit ihren „Fußball-Beautys“ und dem „Sexy Jubeltanz an der Eckfahne“, setzte aber ansonsten darauf, den Frauenfußball lieber zur Förderung des deutschen Patriotismus zu benutzen und die Nation für „unsere Mädels“ zu begeistern. Und nach dem Viertelfinale gegen Frankreich kürte sie Nadine Angerer gar zur Torwart-Titanin. Die seriöseren Medien ihrerseits vermeiden es tunlichst, im Zusammenhang mit der WM das Wort sexy überhaupt zu benutzen.

Überhaupt fällt auf, dass es einen Zuwachs an qualifizierter, professioneller Berichterstattung zur Frauen-WM gibt. Die anstehenden Partien werden mit Prognosen bedacht wie bei den Männern, die unterschiedlichen Stile der antretenden Mannschaften beleuchtet, und zwar auf allen Kanälen. Die Einschätzungen von Bundestrainerin Silvia Neid sind gefragt, Experten kommen zu Wort, direkt nach ausgetragenen Spielen sieht man im Fernsehen erfreulich viele Fachfrauen.

Der Sexismus ist weniger geworden, aber er ist noch da. Nicht mehr so platt, eher subtil. Und manchmal nur an dem zu erkennen, was nicht gesagt wird. Einige Beispiele: Am Sonntagabend sendeten die Tagesthemen einen Beitrag, in dem Männer- und Frauenfußball verglichen wurden. Männerfußball sei schneller, athletischer, hieß es wieder einmal. Dann kamen Spielerinnen zu Wort, erklärten, das langsamere Tempo würde mehr Raum für Spielzüge lassen, Frauenspiele seien deshalb sogar interessanter. Eigentlich hätte damit alles gesagt sein können, aber der Sender fand es unterhaltsamer, diese Aussage mit einer Barbiepuppe im Nationaltrikot vor einem Fußball zu kommentieren. Sinngemäß wurde gesagt, es sei nicht besonders überzeugend, die eigene Schwäche als Stärke auszulegen. Da half es dann auch nicht mehr, dass die Sprecherin den Beitrag damit abschloss, dass es eigentlich blöd sei, solche Vergleiche zu ziehen. Sich vermeintlich ironisch sexistischer Bilder zu bedienen, um dann zu sagen, das wäre ja nicht so gemeint, ist nicht gerade guter Stil.

Und dann wären da noch die Kommentatoren mit ihren „filigranen Französinnen“ oder Moderatoren wie Michael Antwerpes, der sagte, Frauen-WM sei, wenn man trotzdem Spaß hat. Dazu kommen die Männerfußballer, deren wohlwollend schulterklopfende Haltung zu den Kolleginnen gern ins Paternalistische abdriftet. Würde die ARD Fußballerinnen die Leistung ihrer männlichen Kollegen beurteilen lassen? Wohl kaum. Würde man bei einem 10:0 Sieg der Männer von einer unausgeglichenen Partie sprechen? Wohl eher von einem Jahrhundertsieg.

Sosehr sich die meisten Medien auch bemühen, jetzt Frauenfußball ganz toll zu finden: Eine jahrzehntelang gepflegte Machonummer lässt sich so schnell nicht ablegen.

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