Pass-Paranoia

Staatsbürgerschaft Drei rot-grüne Bundesländer wollten Deutschland retten und über den Bundesrat doch noch die Optionspflicht aus dem Recht verbannen. Nun ist der Vorstoß vom Tisch – leider
Pass-Paranoia

Foto: imago/ Hoch Zwei/ Angerer

Die Große Koalition hat schon wieder die Chance auf ein zeitgemäßes Staatsbürgerschaftsrecht verpasst. Der Grund dafür ist einfach: Die CDU will an Bedingungen knüpfen, wer einen Doppelpass bekommt und wer nicht. Und zwar so sehr, dass sie mit Koalitionsbruch drohte, als vor wenigen Wochen die drei rot-grün regierten Länder Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg über eine Bundesratsinitiative doch noch erreichen wollten, dass die SPD ihr Wahlversprechen hält: die Optionspflicht restlos abzuschaffen. Schon letztes Jahr im Sommer hatten SPD Grüne, und Linke, die damals Opposition waren, einen Antrag auf Abschaffung der Optionspflicht gestellt - ohne Erfolg.

Nun Teil der Regierung, hat sich die SPD im Koalitionsvertrag auf einen Kuhhandel eingelassen. Denn das, worauf sich Union und SPD geeinigt haben, ist einer Optionspflicht sehr ähnlich. Bisher hatten Kinder von Eltern aus nicht EU-Ländern zwei Pässe. Spätestens mit 23 mussten sie sich für einen von beiden entscheiden. Taten sie nichts, verloren sie die deutsche Staatsbürgerschaft automatisch. Nun sollen diese Jugendlichen stattdessen beweisen, dass sie nicht nur hier geboren, sondern auch „aufgewachsen“ sind, damit sie den deutschen Pass behalten dürfen. Ab wann gilt jemand als „hier aufgewachsen“? Die rechtliche Ausgestaltung dieses Wörtchens soll noch erfolgen, und die SPD hofft vielleicht, dass dabei eine humanere Regelung als bisher herauskommt. Ein frommer Wunsch. Die Initiative der drei renitenten Länder war also eigentlich zu begrüßen, zumal sie zu Recht ein neues bürokratisches Ungetüm befürchten, dass sie ausbaden müssten. Eines, das verfassungsrechtlich ebenso bedenklich wäre wie das alte, weil es die Staatsbürgerschaft für bestimmte Menschen an Bedingungen knüpft, für andere wie EU-Ausländer aber nicht.

Es könnte so einfach sein: Wer hier geboren ist, aber nicht-deutsche Eltern hat, bekommt eben zwei Pässe. Warum die Union trotzdem auf Beweise des Deutschseins besteht, machte CDU-Vize Strobl in der aktuellen Stunde zum Thema deutlich: Es könnte ja sein, dass junge Mädchen, die als Kind aus Deutschland in die Türkei verschleppt und dann zwangsverheiratet wurden und dann hier herkommen, dann einfach so Deutsche wären. Auf solche Ängste muss die SPD natürlich Rücksicht nehmen. Die Initiative wird nun im Bundesrat gar nicht erst diskutiert, die aufmüpfigen SPD-Landesfraktionen sind in die Schranken gewiesen. Und die Rechte tausender junger Menschen sind der Koalitionsharmonie zum Opfer gefallen.

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