Lasst die Burka in Ruhe!

Verbietet die Paschas Das Burkaverbot weist in die falsche Richtung, weil es die Diskriminierung ohnehin schon unterdrückter Frauen noch weiter verstärkt

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Lasst die Burka in Ruhe!

Foto: FADEL SENNA/AFP/Getty Images

(Vor-)Wahlkampf … Wer sich als Politiker der Rettung der nationalen Ehre verschrieben hat, drischt vorsichtshalber schon mal ein bisschen auf den neuen Gottseibeiuns des Westens, den glorreichen Nachfolger des Kommunismus, ein: den politischen Islam. Am liebsten würde man es zwar machen wie Donald Trump und gleich den ganzen Islam oder doch wenigstens den Koran verbieten bzw. einfach ganz Arabien oder noch besser den gesamten Orient aussperren. Da es dafür in Deutschland aber schon zu viele Menschen – sprich: potenzielles Wahlvolk – islamischen Glaubens gibt, verlegt man sich doch lieber auf den Ruf nach Teilverboten.

Ich stelle mir vor, dass es an einem der wenigen heißen Tage dieses Jahres um die Mittagszeit eine Versammlung in der prallen Sonne gegeben hat, bei der die Beteiligten reichlich Bier getrunken haben. Thema der Versammlung: Wie können wir uns wieder als Sicherheitsapostel und Vertreter des nationalen Reinheitsgebots positionieren? Und dabei hat dann wohl irgendwann jemand in die Runde gerufen: "Lasst uns doch einfach die Burka verbieten!"

Die Reaktion: Begeistertes Rülpsen. Die Vorzüge des Vorschlags liegen ja auch auf der Hand: Die Burka ist in der deutschen Öffentlichkeit ohnehin praktisch inexistent, also tritt man auch niemandem auf die Füße, wenn man sie verbietet. Gleichzeitig kann man so aber ein Zeichen setzen, dass man sich von diesen Islamisten nicht alles bieten lässt.

Aber wie das so ist mit Verboten: Der Teufel – der hier natürlich auch seine Finger im Spiel hat – steckt im Detail. Nun will ich gerne konzedieren, dass bei der 35-Grad-im-Schatten-Versammlung die geistige Kraft nicht gereicht hat, um den Verbotsantrag in all seinen Konsequenzen zu durchdenken. Aber warum hat man dann nicht einen der vielen kühleren Sommertage genutzt, um das Szenario noch einmal in Ruhe durchzuspielen?

Die nahe liegende Frage ist doch: Wen trifft man konkret mit einem Burkaverbot? Nahe liegende Antwort: Die verschleierte Frau. Wen aber möchte man eigentlich mit dem Burkaverbot schützen? Richtig: Die verschleierte Frau. Denn sie ist es doch, die unter dem frauenfeindlichen Willkürregiment der islamistischen Männer zu leiden hat.

Ein Burkaverbot würde bedeuten, dass die häuslicher Unterdrückung ausgesetzte Frau sich auch in der öffentlichen Sphäre nicht mehr sicher fühlen könnte. Dies hätte zur Folge, dass sie sich entweder ganz aus der Öffentlichkeit zurückzöge – wodurch man die Integration, die man durch das Burkaverbot angeblich fördern möchte, faktisch noch mehr erschweren würde – oder dass sie versuchen würde, ihre mangelnde Wertschätzung durch die Annahme einer Rolle als Burkamärtyrerin zu kompensieren. In letzterem Fall würde das Burkaverbot die betreffenden Frauen paradoxerweise also gerade dazu ermuntern, sich der Vollverschleierung zu unterwerfen.

Hinzu kommt, dass man ein Verbot auch durchsetzen muss, wenn es Wirkung zeigen soll. Die Erfahrungen, die man in Frankreich mit dem Burkaverbot gemacht hat, zeigen jedoch, dass Geldstrafen hier ins Leere laufen. Wo sie überhaupt ausgesprochen werden, findet sich immer ein reicher Ölscheich, der die Strafgebühr aus der Kaffeekasse zahlt. Als Folge hiervon ertönt aus den einschlägigen Kreisen bereits der Ruf nach härteren Strafen – und damit nach einer Verschärfung eben jener Konfrontation, die doch in den vergangenen Monaten schon so viel Leid und Gewalt heraufbeschworen hat.

Nein, Verbote allein bringen uns hier nicht weiter. Was hilft, ist allein das Gespräch. Dabei muss man sich allerdings auch die richtigen Ansprechpartner suchen. Und das sind eben in patriarchal-fundamentalistischen Strukturen nicht nur die Frauen, sondern auch und vor allem die Männer, die sich in den entsprechenden Familien als absolute Herrscher aufspielen. Sie sind es, die man erreichen muss, sie sind es, denen man die Selbstverständlichkeit eines gleichberechtigten Zusammenlebens der Geschlechter und des Rechts der Frau auf freie Entfaltung der Persönlichkeit erläutern muss.

Unser Problem ist vielleicht, dass wir zu viel über deutsche Leitkultur und zu wenig über Menschenrechte reden. Während wir nämlich schnell ins Stottern geraten, wenn wir definieren sollen, was das nun eigentlich ist, das "Deutsche", lassen sich die Menschenrechte sehr genau buchstabieren. Diese sind es folglich, die das Leitbild aller Integrationsbemühungen ausmachen sollten. Gerade hier wird über offenkundige Probleme jedoch immer wieder der Schleier der Toleranz gebreitet – etwa wenn Zwangsverheiratungen junger Mädchen nicht konsequent genug verfolgt werden oder über die faktische Freiheitsberaubung, der zahlreiche islamische Frauen durch ihre Männer ausgesetzt sind, unter Verweis auf das heilige Institut der Ehe gütigst hinweggesehen wird.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Nicht die Burkaträgerin ist das Problem, sondern der Mann, der die Frau zur Burkaträgerin degradiert. Er ist es, der durch Gesprächs- und Seminarangebote sowie nötigenfalls auch durch eine kreative Gesetzgebung von seinem Patriarchenthron auf den Boden der Menschenrechte zurückgeholt werden muss.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rotherbaron

Autor, Blogger. Themen: Politik, Gesellschaft, Natur und Umwelt, Literatur, Kultur. Seiten: rotherbaron.com; literaturplanetonline.com

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