Die Anschläge von Paris hinterlassen eine Trauer, die wütend macht. Eine Trauer, die wütend macht, weil diese Gewalt so blind, so wahllos verübt worden ist – nach der kruden Logik: Wer sich in einem Land des Bösen an Orten des Bösen (Stadion, Konzerthalle, Bar) aufhält, muss selbst böse sein.
Die Gewalt richtet sich damit hier nicht gegen konkrete Personen – die nur zufällig zu Anschlagsopfern werden –, sondern gegen die Welt, in der diese leben: gegen die westliche Kultur und Lebensweise. Damit kann man die Anschläge in der Tat als eine Art Kriegserklärung gegen den Westen deuten. Dies erhöht die Gefahr, dass die spontane Wut, die die Attentate auslösen, in einen Gegenschlag mündet – dass der Amoklauf also mit einem Amoklauf beantwortet wird.
Eine solche Situation hatten wir schon einmal. Auch 2001, nach dem Anschlag auf das World Trade Center, sprach der damalige amerikanische Präsident George W. Bush von einem kriegerischen Angriff, der mit einem "war on terror" beantwortet werden müsse. Die unmittelbare Folge war ein Angriff auf Afghanistan, dessen Regierung man der Komplizenschaft mit dem Terrorpaten Osama bin Laden verdächtigte.
Gerade das Beispiel Afghanistan erinnert jedoch daran, dass der Westen am Aufstieg des islamistischen Fundamentalismus nicht ganz unschuldig ist. Der Ur-Sündenfall war die amerikanische Unterstützung des Kampfs der afghanischen Mudschaheddin gegen die sowjetischen Besatzer. Die Taliban, die ihr ideologisches Rüstzeug in pakistanischen Koranschulen erworben haben, sind nichts anders als eine radikalisierte Variante dieser Widerstandsgruppen. Wenn man heute also den Islam unter den Generalverdacht der Terroraffinität stellt, verdeckt man damit den eigenen Beitrag zur geistigen Usurpation des Islam durch gewaltbereite Fanatiker.
Sowohl der westliche Angriff auf Afghanistan als auch der zwei Jahre danach begonnene Krieg gegen den Irak haben den Gegner, der dadurch bekämpft werden sollte, nur stärker gemacht. Die Demütigung nicht nur der gläubigen Moslems, sondern der gesamten arabischen Welt durch Abu Ghuraib, das lässige Abtun Tausender von Toten im Anti-Terror-Kampf als 'Kollateralschäden', die Zerstörung ganzer Landstriche unter dem Banner der Menschenrechte – all das hat nicht nur die westliche Welt und die von ihr hochgehaltenen Werte nachhaltig diskreditiert, sondern auch die Bereitschaft zum gewaltsamen Widerstand gegen diese genährt.
Der Plan, Krieg gegen ganze Länder zu führen, um Terroristen zu bekämpfen, war von Anfang an ein abenteuerliches Konstrukt, das sich spätestens im Irakkrieg als Versuch, einen postkolonialen Beutezug und die Durchsetzung geostrategischer Interessen zu legitimieren, entlarvte. Nach außen hin bemühte man sich aber dennoch, das eigene Vorgehen als 'Demokratisierung' der arabischen Welt zu verkaufen.
Die Folge waren realsatirisch verzerrte demokratische Wahlen, mit im Westen gecasteten Kandidaten und Ergebnissen, die nicht so sein durften, wie sie am Ende ausfielen. Wenn die Okkupierten nicht für die Kandidaten der Okkupatoren stimmten und sich stattdessen deren radikalisierten Gegnern zuwandten, beendete man einfach das Schauspiel und konzentrierte sich ganz auf das eigentliche Ziel der Aktion: die Rohstoffkontrolle. So diente die Maske der Demokratie auch hier lediglich der Verhöhnung der Okkupierten und schürte den Hass auf die Besatzer.
Da eine dauerhafte Okkupation der angegriffenen Länder zu teuer gewesen wäre und auch aufgrund der hohen Verluste unter den Soldaten der heimischen Wählerschaft nicht zu vermitteln gewesen wäre, zogen sich die westlichen Armeen nach und nach wieder aus den besetzten Gebieten zurück. In das so entstehende Machtvakuum drangen islamistische Kräfte vor, was zu einer Destabilisierung der gesamten Region beitrug. Deren Ziel war nun nicht mehr nur die Herrschaft über das jeweilige Land, sondern eine komplette Veränderung der regionalen Machtverhältnisse zu ihren Gunsten. Dies schloss auch den fortgesetzten Kampf gegen die westlichen Ländern und deren Statthalter in der Region mit ein.
Die Reaktion der USA auf diese neue Konstellation war eine Verstärkung des Drohnenkriegs gegen 'feindliche Kombattanten', deren man als solchen das Recht auf zentrale Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaats – Unschuldsvermutung, Prozess, Verteidigungsmöglichkeit – absprach. Stattdessen war und ist die Brandmarkung als 'feindlicher Kombattant' gleichbedeutend mit einem durch Drohnen zu vollstreckenden Todesurteil. Dabei wird die Souveränität anderer Staaten bewusst missachtet. Auch werden immer wieder Personen, die sich zufällig am selben Ort aufhalten wie die von den Terrorfahndern Gejagten, mit diesen in den Tod gerissen.
Derartige völkerrechtswidrige Aktionen finden bei uns nur dann größere Beachtung, wenn mal wieder ein somalischer Kamelhirte gegen die versehentliche Auslöschung seiner Familie klagt. Aber sind sie deshalb weniger verurteilenswert? Ist die Gewalt, die wir selber ausüben, moralisch 'sauberer', weil sie unsere Lebensweise schützen und unsere Werte verteidigen soll? Und ist das überhaupt möglich – Werte, die sich an den Menschenrechten orientieren, mit völkerrechtswidrigen Drohnenangriffen zu verteidigen?
Was ich sagen will, ist Folgendes: Die Anschläge von Paris haben die Spirale der Gewalt noch einmal angeheizt. Ein so angegriffener Staat wird in irgendeiner Weise reagieren müssen, um die eigene Wehrhaftigkeit zu demonstrieren. Vermehrte Drohnenangriffe auf die irgendwo in den irakisch-syrischen Ruinen hockenden Drahtzieher würden aber nur weitere Unschuldige in Mitleidenschaft ziehen und dem Gegner neue Kämpfer in die Arme treiben.
Überhaupt ist der so genannte 'Islamische Staat' ja längst keine klassische Terrororganisation mehr, sondern eine Regionalmacht, die man weder mit Drohnenangriffen noch mit konzertierten Luftangriffen allein wird in die Knie zwingen können. Die einzige Alternative – ein erneuter Einmarsch in die Region – würde aber nur eine Rückkehr zu der Situation von 2003 bedeuten. Wenn eine solche militärische Option dieses Mal erfolgversprechender sein soll, müsste der Truppeneinsatz weit massiver sein als damals. Dies würden sich jedoch wohl nicht nur die Herrscher vor Ort kaum bieten lassen. Vielmehr würden vermutlich auch die heimischen Bevölkerungen gegen einen verlustreichen Krieg, der zudem die Terrorgefahr daheim noch weiter erhöhen würde, opponieren.
Was also kann man tun, um der Gefahr neuer Terroranschläge zu begegnen? Die Sicherheitsmaßnahmen sind in Frankreich ja bereits nach den Attentaten vom Januar 2015 massiv verstärkt worden. Überdies birgt die Intensivierung von Überwachungsmaßnahmen stets die Gefahr in sich, dass man hierdurch zerstört, was man verteidigen möchte – dass sich der freiheitliche Rechtsstaat also unmerklich in einen Überwachungsstaat verwandelt.
Ein erfolgversprechender Ansatzpunkt wäre wohl eine Verbesserung der Integrationsangebote für die muslimischen Minderheiten, um den gewaltbereiten Fundamentalisten den Boden für ihre Agitation zu entziehen. Ein Mensch, der bereit ist, sich als Werkzeug in den Händen einer Terrorgruppe missbrauchen zu lassen, muss schon sehr wenig von seinem Leben erwarten und sehr stark auf die Aufwertung, die er als Märtyrer erfährt, angewiesen sein. Hätte er das Gefühl, einen Platz in der Gesellschaft zu haben, würde er diesen Weg wohl kaum gehen.
Das Problem ist allerdings, dass in der Region, über die der 'Islamische Staat' herrscht, mittlerweile selbst genug entwurzelte, im Hass gegen die westliche Welt vereinte Menschen leben. Diese Menschen zu erreichen und ihre Achtung zurückzugewinnen, indem man ihnen wieder das freiheitliche, von den Menschenrechten und der Respektierung religiöser und kultureller Vielfalt geprägte Gesicht des Westens zuwendet, wird ungleich schwerer sein. Die Strahlkraft, die die westliche Welt auf viele Flüchtlinge ausübt, zeigt jedoch, dass es nicht unmöglich ist.
Das Gebot der Stunde ist folglich das Gegenteil dessen, was uns unsere Gefühle nach den brutalen Attentaten von Paris nahe legen. Langfristig lässt sich unsere Sicherheit nicht durch vermehrte Abschottung, sondern eher durch eine stärkere Offenheit und Achtung gegenüber dem Anderen gewährleisten. Nur wenn wir unseren Werten auch im Umgang mit denen treu bleiben, die sie attackieren, bleiben sie uns auf Dauer erhalten.
Kommentare 11
Wie und ob man sich für die religiös verbrämte Rache rächen soll, mag dahin stehen.
Vielleicht mal DIESES lesen.
Generell steht z.B. für die BRD fest, dass sich die Politik von Muslimen zu sehr auf der Nase herumtanzen lässt. Es fehlt zum Beispiel seit Jahrzehnten an einer Integrationspolitik wie etwa in Kanada.
In Berlin regiert ein gackernder Hühnerhaufen ohne Pragmatismus und ohne Kompetenz. Eben das, was in den Glaubensgeeisnchaften namens "Partei" hochgeschäumt ist.
Und dieses Papier scheint völlig untergegangen zu sein...
Glaubensgeeisnchaften Glaubensgemeinschaften
Sie schreiben: "Die Gewalt richtet sich damit hier nicht gegen konkrete Personen – die nur zufällig zu Anschlagsopfern werden –, sondern gegen die Welt, in der diese leben: gegen die westliche Kultur und Lebensweise."
So etwas Krudes habe ich schon lange nicht mehr gelesen: Natürlich wendet sich die Gewalt gezielt gegen Personen, denn es sind in den Augen der Terroristen die Menschen, die dieses System leben und repräsentieren, die "bestraft" werden müssen. Wäre dem nicht so, könnten die Attentäter beispielsweise Kaufhäuser, Banken oder andere Einrichtungen als deklarierte Symbole westlicher Dekadenz in die Luft sprengen, wenn sie an Wochenenden, an bestimmten Tagen oder zu bestimmten Zeiten geschlossen sind. Doch das tun sie nicht, weil sie damit nicht jenes Ausmaß an Panik und Angst verursachen, das für ihre Ziele von besonderer Bedeutung ist. Und oft genug schon haben vor allem islamistische Drahtzieher solche Anschläge als "Rache" für militärische Einmischungen westlicher Staaten in so genannten "instabilen Regionen" deklariert.
Darüber hinaus mag das Herunterbeten all der zurecht als völlig konzeptlos kritisierten und nur auf aggressive Wahrung wirtschaftlicher Interessen ausgerichteten Einmischungen des Westens, insbesondere aber der USA und auch Russlands, in die inneren Konflikte von Ländern wie Afghanistan, Irak oder auch Syrien und Lybien vielleicht jüngeren Lesern zu mehr Hintergrundkenntnissen verhelfen. Es ist aber nur wenig hilfreich bei der Suche nach einem möglichst raschen Ausweg aus der inzwischen festgefahrenen Situation in den Beziehungen zwischen Europa und den islamisch geprägten Regionen insbesondere des Nahen Ostens.
Um die entsprechenden Probleme nachhaltig lösen zu können, müssten sich die Staaten der Europäischen Union erst einmal auf eine von den USA unabhängige entsprechende außenpolitische Strategie einigen können, die unter anderem auch der aggressiven Politik Israels gegenüber den Palästinensern Einhalt gebietet. Darüber hinaus müsste das menschenverachtende Gezerre um die Flüchtlingspolitik und um eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU sofort ein Ende finden. Dies alles ist aufgrund wachsender Nationalismen innerhalb der EU derzeit nicht absehbar.
Angesichts der Anschläge von Paris wird stattdessen allerdings eine breite Solidarität im Kampf gegen den IS-Terror beschworen und proklamiert. Ob es dazu kommt, hängt letztlich auch davon ab, ob es ein gemeinsames, sinnvolles Konzept für das künftige Vorgehen geben wird, oder ob diese Solidarität angesichts nationaler Egoismen ebenso im Sande verläuft. Jedenfalls lässt sich diese aktuelle Debatte nutzen, um endlich wieder eine Rückkehr zu einer wirklich europäischen Politik für Frieden und Aussöhung einzufordern.
So ganz vermag ich den roten Faden in dem Beitrag nicht erkennen. Das mag aber am flüchtigen Lesen liegen (das Thema wird ja mit Beiträgen regelrecht geflutet).
Zunächst einmal möchte ich aber doch dem Bezug zu 9/11 widersprechen. So zynisch das jetzt ist: ganz so monströs wie der Gewaltakt damals sind die Pariser Monstrositäten nicht. Auch deswegen nicht, weil wir mittlerweile auch desensibilisiert wurden.
Wichtiger aber ist mir die Feststellung, dass wir derzeit keinen George W. Busch als Marionette eines Rumsfeld, Cheney & Co an de Macht haben - was eine Wiederholung der damaligen Feher möglicherweise ausschließt. Auch hatten mitdenkende Befürworter der damaligen Fehler mittlerweile genügend Zeit zu lernen.
Wenn also in Frankreich und anderswo von einem "Kriegsakt" die Rede ist, so ist damit noch nicht die Strategie benannt, mit der darauf reagiert wird. Einstweilen läuft die "Jagd" in einigermaßen rechtsstaatlichen Bahnen. Und dass Regierungen in so einer Situationen starke Worte bemühen, gehört zu ihrem Job. Was würden die Wähler denn sagen, wenn der Präsident sagen würde, solche Sachen gehörten nun mal zum Leben, da könne man hat nichts machen....?
Für "die Wähler" kann ich rein technisch nicht sprechen, aber was ich sagen würde: Dann können wir ja jetzt gemeinsam überlegen.
Ein sehr kluger Beitrag, wie ich finde:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/terror-in-paris-preis-der-freiheit-kommentar-von-nils-minkmar-a-1062938.html
Danke für den Lesetipp.
Zahlen wir aber den "Preis der Freiheit" oder eine Strafe für Dummheiten der Politik, die wiederum sklavisch den Kapitalinteressen (Profitgier) dient?
Im Kern ist der Terror ja Rache an den Ungläubigen für deren Übermut.
Und U. v.d. Leyen begibt sich schon auf den Kriegspfad, indem sie den "NATO-Bündnisfall" nicht ausschließen möchte. (Wie dumm: Den Bündnisfall kann man nur für möglich halten, indem man den IS als tatsächlichen "Staat" unterstellt.)
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man auf die Idee käme, so eine Frage zu bantworten - das stört mich auch am Artikel von Herrn Minkmar -, nichtsdestotrotz stellt er die (meisten) unmittelbaren Reaktionen als das dar, was sie sind: Verzweiflungstaten.
Wenn Sie schreiben, dass Terror eine Rache an den Ungläubigen ist, machen Sie dann etwas anderes, als die Terroristen selbst zu zitieren? Müsste ein Terrorist, wäre er ehrlich (Widerspruch in sich?), nicht sagen "ich töte dich, weil ich nicht weiß, warum ich es nicht tun sollte"?
M.e. geht es eher um eine massiv ambivalente Einstellung zum Leben (und dessen Widersprüchen) resp. gleich die Entscheidung, nicht mehr leben zu wollen. In dem Zuge wäre m.E. auch die Frage nach dem "Märtyrern"-Phänomen als "männlich-heroischem" Selbstmord zu stellen.
Die Opfer sind noch gar nicht begraben, schon kann man überall lesen, was zu tun ist.
Und natürlich sind nur "militärische Lösungen" im Angebot. Ich weiß nicht, ob eine Zerschlagung des IS, wenn das überhaupt möglich ist, nicht doch wieder nur eine noch perfekter organisierte Terrororganisation nach sich zieht. Die arabische Welt fühlt sich ja auch zu Recht von der westlichen Welt unterdrückt. Es wird dennoch keiner auf die Idee kommen, so hoffe ich, ein paar Atombomben abzuwerfen. Eine totale Zerstörung macht ja auch den Zugang zum Öl unmöglich.
Ich schreibe das, weil ich las, dass es einige Militärberater unter Bush gab, die nach 9/11 ernsthaft vorschlugen, auf Afghanistan Atombomben zu werfen. Da schreckte selbst Bush zurück.
Das geht mir durch den Kopf.
Man liest nur von miltärischen Antworten.
Ich hörte von einem Sprichwort: Wenn man seinen Gegner nicht töten kann, muss man ihn umarmen.
Vielleicht, so naiv es klingt, sollte man einfach mal mit den Führern der islamischen Welt reden und zwar auf Augenhöhe.
Denn eins ist mir klar, die Täter von Paris sind auch Opfer. Es gibt Leute, die ihnen die Sprengstoffgürtel umschnallten, nicht nur real, sondern auch geistig, oder.
An diese muss man heran.
Schrecklich was in Paris passiert ist! Ich teile die Einschätzung, dass jetzt noch mehr Gewalt nicht das richtige Mittel sein kann. Aber irgendwie finde ich den Durst nach Rache auch nachvollziehbar. Viele Franzosen erwarten sich auch eine entschlossene Antwort. Ich hoffe die Verwantworlichen reagieren dennoch besonnen.
Na ja, die Anschläge waren der Durst nach Rache. Die Anschläge waren demnach nachvollziehbar. Komisch ist, auch wenn ich den Fernseher einschalte: alle sind betroffen! Warum ist denn niemand betroffen, wenn Familien mit Drohnen oder Bomben aus Kampfflugzeugen ausgelöscht werden? Jämmerliches Gegurke.
Die Attentate in Frankreich und die westliche Wertegemeinschaft.
Aus Anlass der furchtbaren IS-Attentate in Frankreich tritt, wie zu erwarten war, wieder die ganze Galerie von Polit-Heuchlern und Scheinheiligen der westlichen Länder auf die Bühne. Auch in Deutschland mit der Ergriffenheitsmaske des Bundespräsidenten Gauck, über Frau Merkels Griff in die Werte-Plattitüdenkiste bis zu den zahlreichen selbstgerechten Äusserungen von Politikern der zweiten Garde. Das Wort Krieg wird dabei zu oft in den Mund genommen und könnte eine gefährliche Eigendynamik auslösen. Dazu können auch die Waffenlieferungen in das Pulverfass des Nahen Ostens beitragen. Terrorismus lässt sich auch nicht wegbomben.
Der IS ist wie die Taliban ein Produkt des Westens, seiner neokolonialistischen Kriege und geopolitischen Ziele von Pakistan über Afghanistan. Irak, Syrien, Palästina bis Libyen. Diese Interventionen werden stets schöngeredet mit „universellen Werten und Wahrheiten“ und mit Arroganz und Einschüchterung garniert. Wir sind die Guten. Die Barbaren sind immer nur die anderen.
Glauben diese Politiker im Ernst, dass die vom Westen im Nahen und Mittleren Osten verübten Verbrechen von den dortigen Menschen nicht wahrgenommen werden und begreifen sie nicht, dass man dafür letztendlich einen Preis wird zahlen müssen? Hier nur eine Auswahl:
Die damalige US-Aussenministerin Albright antwortete auf die Frage, ob das US- amerikanische Embargo zwischen den zwei letzten Irakkriegen, das einer halben Million irakischer Kinder das Leben kostete, diesen Preis wert gewesen sei, mit „es ist diesen Preis wert“.
Frau Merkel befürwortete 2003 den völkerrechtswidrigen letzten Irakkrieg und verstärkte diese Haltung devot durch ihre Reise zu G.W.Bush. Dieser Krieg forderte während und nach seinem Ende 18‘000 zivile Kriegsopfer. Die ignorante USamerikanische Besatzungspolitik trug entscheidend zur Entstehung des heute so gefürchteten IS erst bei.
Allein die als sogenannte Kollateralschäden verharmlosten zivilen Opfer durch westliche Kriegshandlungen und Drohnenmorde in Afghanistan und Pakistan gehen in die Tausende. Die Bedingungen und die Foltermethoden in den Gefängnissen von Guantanamo und Abu Ghraib verhöhnen jedes rechtsstaatliche Denken.
Der alljährliche Bericht des Büros zur Koordination humanitärer Angelegenheiten der UNO hält fest, dass der Staat Israel allein im Jahr 2014 mehr palästinensische Zivilisten getötet hat als in jedem anderen Jahr seit der unrechtmäßigen Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens 1967. Israels Aktivitäten in diesen Gebieten resultierten in den Toden von 2,314 Palästinensern, etwa ein Viertel davon Kinder, bei zusätzlich 17,125 körperlichen Verletzungen.
Die bedingungslose Unterstützung des israelischen Staatsterrorismus gegen das palästinensische Volk mittels der nicht in demokratische Strukturen passenden „Staatsdoktrin“ von Frau Merkel entspricht keinesfalls den Werten und Normen des Völkerrechts. Dazu passt der häufige Widerstand der deutschen Regierung gegen eine Anerkennung Palästinas oder berechtigte Massnahmen der EU gegenüber Israel wie zuletzt die Einführung der Kennzeichnungspflicht für Waren aus den israelisch besetzten Gebieten.
Von den westlichen Politikern hat man für die Opfer dieser Politik bis heute nur selten Worte des Bedauerns vernommen. Sind die Toten und Verwundeten des Westens mehr wert als nichtwestliche?
W.Behr 88634 Herdwangen-Schönach 17.11.15