"Gemeinsam demonstriert"?

Friedensdemo Die LINKE Brandenburg beschädigt sich selbst und die Friedensbewegung, wenn sie sich gefallen lässt, dass Medien und andere Parteien eine Querfront in Brandenburg/Havel herbeifabulieren. Manche LINKE helfen dabei auch noch

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Die Vorgänge in Brandenburg/Havel machen schon betroffen. Ein engagierter Genosse der Linkspartei griff sich, angesichts der dramatischen Nachrichten aus der Ukraine und aus dem Kanzleamt, ein Herz, und tat, was die selbsternannte Friedenspartei eigentlich überall tun müsste in diesen Tagen - er rief auf zu einer Demo für Frieden und gegen die unsoziale Politik der Bundesregierung, die die Härten ihrer Politik der Bevölkerung aufbürden möchte. Die Anmeldung der Demo erfolgte von einem Bündnis für den Frieden, das aus Mitgliedern der LINKEN, der DKP und anderen Linken besteht. Da der Anmelder angibt, die Mitglieder des Bündnisses persönlich zu kennen, kann man getrost davon ausgehen, das das stimmt.

Die Demo war zahlenmäßig ein voller Erfolg - bis zu 2500 Menschen sollen dem Aufruf gefolgt sein. Auf Bildern sieht man in der Tat einige wenige Plakate mit grusligen Slogans, und eine Reichsflagge (die dann aufgrund des Einschreitens der Ordner verschwand). Sowie einen Abgeordneten der AfD - unter 2500 Menschen. In einem Meer von Friedensplakaten, blauen Friedensfahnen und Transparenten.

Umso überraschender die Deutung der Demo am nächsten Tag, sowohl bei Medien, als auch bei Parteien - eingeschlossen die LINKE Brandenburg. 'Skandal!' brüllt da der Redakteur Michael Sauerbier von der BZ, 'Seit an Seit marschieren Linke und Rechte durch die Stadt Brandenburg/Havel!', während der RBB über den Organisator 'berichtet': 'Die Teilnahme an einer der vielen Demos hat für einen Linken-Politiker nun Folgen. Er demonstrierte mit Akteuren der rechten Szene.' So - tat er das? Der Organisator der Demo, Bernd Lachmann, hat seine Sicht der Dinge in der Jungen Welt vom 22.9. klar dargelegt: "Das Bündnis für den Frieden ist ein linkes Bündnis. Es gibt keine Verbindungen zu rechten Parteien. [...] Intern werden wir diskutieren, wie wir verhindern können, dass solche Leute in Zukunft mitlaufen. Aber das Versammlungsrecht setzt da enge Grenzen." Und er verweist darauf, dass man dort zu wenige Ordner hatte.

Trotzdem wird in beiden Medien durch Wortakrobatik der Eindruck erweckt, es habe ein gemeinsames geplantes Agieren von Rechten und Linken gegeben, und das sei so gewollt gewesen. Fabulierende Berichterstattung könnte man das nennen. Oder neudeutsch vielleicht ja - 'Narrativ'? Aufgesattelt auf diese herbeifabulierte Querfront dürfen im Beitrag des RBB dann natürlich Grüne und CDU süffisant kommentieren.

Und was macht die LINKE Brandenburg? Stellt sie sich vor ihren aktiven und engagierten Genossen, weil der Demos für den Frieden organisiert, die der Landesverband selbst bis jetzt nicht zu organisieren in der Lage war? Nehmen sie ihn gegen diese offensichtliche Falschdarstellung in Schutz? Ganz das Gegenteil, leider. Der Landesgeschäftsführer spricht von einem 'Bündnis mit Rechtsextremen', das 'nicht tolerierbar' sei. Welches 'Bündnis' meint er? Der LINKE-Kreisvorsitzende der Stadt Brandenburg fordert: 'Da muss man sich [von Querdenkern, Afdlern] distanzieren!', und lässt weg, wie eine solche Distanzierung in einer Demo, an der nun mal laut Versammlungsrecht alle teilnehmen dürfen, funktionieren soll. Sicherlich könnte überlegt werden, durch Ordner entsprechende politisch unliebsame Personen physisch zu entfernen - dies aber mit dem Risiko körperlicher Auseinandersetzungen, und des Bruchs des Versammlungsrechts. Tut alles nichts, meint der Landesvorsitzene, denn 'es darf nicht passieren dass LINKE gemeinsam mit Afdlern, Querdenkern usw. auf die Straße geht'. Sind Bernd Lachmann und Genossen also 'gemeinsam' mit jenen auf die Straße gegangen? Spätestens hier beginnt die Denunziation. Hat sich einer von den Genossen mit dem wirklichen Geschehen in Brandenburg/ Havel befasst? Hat einer von ihnen einmal mit Lachmann gesprochen, um sich die Entwicklung schildern zu lassen?

Und dann ist da noch das Sahnehäubchen an der ganzen Story: Der Umstand nämlich, dass Mitglieder der LINKEN selbst die mutmaßlich rechten Personen in dieser Demo identifizierten - aber nur um sie zu fotografieren. Will heißen: Mitglieder der Friedenspartei Die LINKE 'überwachen' eine Friedensdemo, aber nicht mit dem Ziel, z.B. Rechte aus der Demo zu drängen, um der Demo zum politischen Erfolg zu verhelfen. Nein, sie bleiben im Angesicht von identifizierten Rechten in einer linken Demo einfach untätig - und machen Bilderchen. Man fragt sich: wenn diesen 'Genoss*innen' die Anwesenheit Rechter dort aufgefallen ist - warum haben sie nicht reagiert, und als LINKE dafür gesorgt dass diese Leute dort nicht mitlaufen? Wenn dies die Art Distanzierung ist, die die Brandenburger Landesspitze einfordert, warum wurden diese Genoss*innen nicht aktiv?

Fest steht: Wenn die LINKE durch die Übernahme solcher Narrative ständig selbst in Frage stellt, ob überhaupt demonstriert werden darf/soll, dann demontiert das jegliche außerparlamentarische Aktivität der Partei. Ein einziger Rechter hätte demnach allein durch sein Auftauchen das Veto über eine ganze linke Demo/Kundgebung/öffentliche Aktion. Macht Euch nicht lächerlich, liebe LINKE.

Leider demontiert eine solche Sicht auch die Motivation von vielen engagierten Menschen, die zwei Stunden ihres Sonnabends in Brandenburg gaben, um ihrer Sorge um den Frieden Ausdruck zu verleihen - bürgerschaftliches Engagement zeigten. Die lachenden Dritten sind die Grünen und die anderen Parteien, die Waffenlieferungen unterstützen und der menschenfressenden Eskalation des Krieges in der Ukraine das Wort reden. Und vielleicht ja auch die AfD. So wird man jedenfalls bei der LINKEN das selbstgesteckte Ziel verfehlen, den Rechten die Straße nicht zu überlassen.

Eine konstruktive Idee für die nächste Demo: Im Oktober sollte sich der Organisator die Genoss*innen Fotografen schnappen, und sie als Ordner für seine Demo anstellen. Nicht bloß beobachten, sondern selbst mithelfen. Ihr Scharfblick kann ja bestimmt dafür sorgen, dass Rechte hinauskomplimentiert werden können, und damit die nächste Linke Demo für den Frieden in Brandenburg ein Erfolg wird. Und das werden die fotografierenden Genoss*innen doch auch wollen. Oder?

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