Sprudelnde Steuereinnahmen erleichtern 2007 die Entscheidungen für das Budget 2008. Es wird von Mehreinnahmen des Bundes ausgegangen, die bei 16,6 Milliarden Euro liegen. Bei der Frage, wie dieser Zuwachs (7,6 Prozent) verwendet werden soll, gab es in der vergangenen Woche eine klare Ansage der Bundestagsmehrheit: Die Steuern werden nicht gesenkt!
Das klingt resolut, trifft aber nicht in jeder Hinsicht zu, schließlich werden 2008 Unternehmenssteuern in einem Umfang von etwa zehn Milliarden Euro reduziert. Davon profitieren besonders die Banken und die Versicherungswirtschaft, wenn der Satz der Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent reduziert wird und der Abbau von Steuervorteilen viel geringer ausfällt. Irgendwie passt dazu, dass ab 2009 in Deutschland erstmals die Einkommensteuer dualisiert wird. Während die Arbeitseinkommen einer Besteuerung bis zum Spitzensatz von 42 Prozent (Reichensteuer bis 45) unterliegen, werden die Einkünfte aus Vermögen nur noch mit 25 Prozent abgegolten, was man getrost als Diskriminierung der Erwerbsarbeit gegenüber Vermögenseinkünften beschreiben kann. Auch der steuerpolitische Sündenfall von Schröder und Eichel von 2001 bleibt unangetastet - weiterhin werden die Gewinne aus der Veräußerung von Unternehmensbeteiligung durch Kapitalgesellschaften nicht besteuert.
Warum im Interesse der sozialen Balance nicht wenigstens die auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer zurücknehmen? Immerhin zeigt sich nach dem Ende der volksverdummenden Preisschlachten der Discounter zum Jahreswechsel 2006/07, dass der private Konsum belastet worden ist. Einkommensschwache, die auch Güter und Dienstleistungen, die nicht mit sieben, sondern 19 Prozent besteuert werden, im Warenkorb haben, bleiben ausnehmend stark belastet. Freilich sollte sich niemand Illusionen hingeben - eine Rückkehr zu dem bis Ende 2006 geltenden Mehrwertsteuersatz bedeutet nicht zwangsläufig, dass dann auch die erhöhten Preise wieder zurückgenommen werden. Umso wichtiger ist es, expandierende Steuereinnahmen für sozial gebundene Ausgaben einzusetzen. In dieser Hinsicht gibt es einen Lichtblick: Trotz des unverantwortlichen Rufs nach weiteren Einsparungen wird der Bund im nächsten Jahr gegenüber 2007 13 Milliarden Euro mehr ausgeben - hinter dieser Zahl verbirgt sich nicht zuletzt die fiskalische Ehrenbezeugung für eine lange vernachlässigte öffentliche Pflicht. Es geht um den Ausbau der Kinderbetreuung durch Investitionen von vier Milliarden Euro. Selbst wenn das knapp bemessen scheint, es bleibt ein Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und wird dem, was formelhaft als "Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft" firmiert, zugute kommen. Nachdem öffentliche Investitionen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt so wild beschnitten wurden, anerkennt die Regierung Merkel wenigstens diese öffentliche Aufgabe.
Ansonsten aber probt die Regierung mit dem Haushalt 2008 erneut den Aufstand gegen die ökonomische Vernunft, besonders wenn es ihr mit Blick auf das Jahr 2011 "ein für allemal" (Steinbrück) um die Abschaffung der Neuverschuldung geht. Geradezu demagogisch hat der Finanzminister die schwere Last der Zinsbelastung am Hals der Bundespolitik gegeißelt und Öl ins Feuer einer entfesselten Schuldenphobie gegossen. So verfolgt die mittelfristige Finanzplanung das höchst fragwürdige Ziel, die Kreditaufnahme, die beim Bund über die Tilgung hinausgeht, ab 2011 auf Null zu bringen. Zur Erinnerung: An diesem Ziel hat sich schon einmal ein SPD-Finanzminister verhoben. In einem nach Brüssel gemeldeten "Stabilitätsprogramm" verkündete Hans Eichel Ende 2002, er gedenke, bis 2004 eine Null in Sachen Neuverschuldung zu schreiben. Seinerzeit fiel das forsche Kalkül bald einer stagnierenden Konjunktur zum Opfer. Sollte sich in den kommenden Monaten zeigen, dass die Banken angesichts der Finanzzockerei mit minderwertigen Hypothekarkrediten und schwächelnder Finanzmärkte ihre Kreditvergabe an Unternehmen drosseln, dürfte auch diesmal weder von der Konjunktur noch von Steinbrücks ehrgeizigem Ziel viel übrig bleiben. Das in diesem Fall zu erwartende Trommelfeuer gegen die öffentliche Kreditaufnahme wird dann erst recht jede alternative Debatte nieder mähen.
Dabei käme es jetzt darauf an, nachdrücklich zu fragen: Was wird mit öffentlichen Krediten finanziert? Handelt es sich um zukunftsfähige Investitionen oder - wie in den Vorjahren - um die Finanzierung von Steuergeschenken an die Unternehmen? Von wem und für wen wird die Zinslast finanziert? Gerade diese Frage ist über alle Maßen berechtigt, bringt sie doch zum Ausdruck, dass nicht nur die Schulden, sondern eben auch die damit geschaffenen Vermögen der heutigen Gläubiger in Form staatlicher Wertpapiere vererbt werden.
Zu fragen wäre gleichfalls: Mit welchen öffentlichen Investitionen trägt der Staat dazu bei, etwas für ökologische Lebensverhältnisse zu tun? Wie auch immer die Antwort darauf konkret ausfällt - sie wird belegen, welchen Preis die Gesellschaft für eine auf Abbau der Neuverschuldung fixierte Politik zahlt. Nicht nur beim Umwelt- und Klimaschutz. Von zehn Euro wird 2008 nur ein Euro in Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Forschung, Technologie und öffentliche Infrastruktur gesteckt. Leidet darunter das Wirtschaftswachstum, sinken die Steuereinnahmen und die Neuverschuldung steigt notgedrungen wieder an.
Der Bund hat - ob er will oder nicht - eine strategische Funktion innerhalb des gesamtwirtschaftlichen Gefüges. Er verkörpert keinen - wie zuweilen mit neoliberaler Inbrunst verkündet wird - privatwirtschaftlichen Konzern. Die gesamtwirtschaftliche und ökologische Rolle der Gebietskörperschaften darf in einem Klima des Einsparwahns und der Schulden-Phobie nicht völlig verdrängt werden.
Prof. Dr. Rudolf Hickel ist Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) an der Universität Bremen.
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