April, April

Seit dem 1. April gelten im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) neue Tarife, die, wie sollte es anders sein, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel teurer machen. Besonders drastisch fallen sinnigerweise die Preiserhöhungen für Stammkunden aus. Die zeitgeistgerecht "Umweltkarte" genannte Monatskarte verteuert sich um fast zehn Prozent - und wird so vor allem für Senioren, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger unerschwinglich, denen sämtliche Vergünstigungen kurzerhand gestrichen wurden.

Wie ein Aprilscherz wirkt deshalb die Ankündigung, dass sich der Einzelfahrschein innerhalb Berlins um 20 Cent auf zwei Euro verbilligt. Denn tatsächlich wird bei näherem Hinsehen ersichtlich, dass es in dem neuen Tarif eine Verteuerung um gut 80 Prozent steckt.

Bislang sah sich der Gelegenheitsnutzer des VBB vor die logistische Herausforderung gestellt, Termine und Besorgungen so zu organisieren, dass sie innerhalb von 120 Minuten erledigt waren. So lange war das erworbene Ticket nach dem Entwerten nämlich gültig, und in dieser Zeit durfte man nach Belieben durch die Stadt und wieder nach Hause gondeln. Doch während es bei der Geltungsdauer von zwei Stunden auch nach der Tarifänderung bleibt, gilt der Einzelfahrschein ab sofort nur noch für Hin- oder Rückfahrt. Ein Ausflug in die Berliner City, gleich wie lange er dauern mag, kostet seit dem 1. April also vier Euro - und vor eine logistische Herausforderung sehen sich nun vor allem die Kontrolleure gestellt. Künftig müssen sie anhand des Stempelaufdrucks prüfen, ob sich der Fahrgast vom Einstiegsbahnhof weg oder auf ihn zu bewegt, eine Entscheidung, die schon nach dem ersten Umsteigen schwer fallen dürfte.

Besonders gespannt darf man deshalb auf Kontrollen sein, in die man auf der Ringbahn gerät, die in exakt 61 Minuten die Innenstadt umrundet, ohne je die Fahrtrichtung zu wechseln. Nicht nur ein Schelm könnte nun auf den Gedanken kommen, die verbleibenden 59 Minuten dafür zu nutzen, an einer der vielen Umsteigemöglichkeiten in die City abzubiegen. Sind die Verrichtungen dort erledigt, setzt man die Hinfahrt fort, bis man erneut die Ringbahn und auf ihr den Ausgangsbahnhof mit einem gültigen Einzelfahrschein erreicht.

Dem steht nicht einmal die Mitnahme des geliebten Vierbeiners im Wege. Zwar gilt auch dafür eine neue Regelung, nach der für größere Hunde ein Ermäßigungsfahrschein zu lösen ist. Doch auch wenn sich der um 10 Cent auf 1,40 Euro verbilligt, werden nicht nur sozial schwache Tierfreunde auf die Ausnahmeregelung pochen, laut der Hunde weiterhin gratis fahren. Wenn sich damit 4,80 Euro sparen lassen, wird manches Herrchen die Unannehmlichkeit in Kauf nehmen und seine Dogge auf den Schoß nehmen.

Trotzdem ist künftig auch auf der Ringbahn Vorsicht geboten, denn ein pfiffiger Kontrolleur könnte mit Recht einwenden, dass der frisch erworbene Einzelfahrschein mit der Abfahrt des Zuges ungültig geworden ist. Schließlich bewegt man sich im Kreis und damit nicht nur vom Einstiegsbahnhof weg, sondern zugleich auf ihn zu. Im Falle dieser strengen Auslegung der neuen Tarifbestimmungen werden für den unfreiwilligen Schwarzfahrer 40 Euro fällig und für seinen mitgeführten Schoßhund die gleiche Summe noch einmal.

Rudolf Mast


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