Bodenlos

Sportplatz Kolumne

Die älteste Trophäe, die es im Sport zu gewinnen gibt, gilt zugleich als die hässlichste. "The Auld Mug" nennen die Engländer liebevoll-despektierlich den von Königin Victoria gestifteten Pokal, der für ein Milchkännchen recht pompös und zudem unpraktisch geraten ist, weil er keinen Boden hat. Doch 1851, dem Jahr der ersten Weltausstellung, war sein Sinn und Zweck nicht, Champagner daraus zu trinken, sondern der, von Englands Gloria zu zeugen. "Britannia rules the waves", lautete die aus Kriegszeiten stammende Überzeugung, deren Gültigkeit mit der friedlichen Wettfahrt zwischen je einem Vertreter der alten und der neuen Welt belegt werden sollte.

Für den "Beherrscher der Meere" endete die Regatta in einer Blamage, von dem der Name des Pokals bis heute kündet: Der Schoner America gewann, und der America´s Cup landete für ein gutes Jahrhundert in einer Vitrine des New Yorker Yachtclubs. 23 Versuche, ihn "nach Hause" zu holen, blieben erfolglos. Als sich 1983 endlich ein Herausforderer fand, der schneller segelte als der ewige Titelverteidiger, trug der nicht die Farben der königlichen Yachtclubs von Plymouth oder Cowes, sondern die der früheren Kolonie Australien.

Seither hat die bodenlose Silberkanne mehrfach den Besitzer gewechselt, doch in die alte Welt ist sie erst 2003 zurückgekehrt: Die Schweizer Alinghi entführte sie aus Neuseeland, so dass die 32. Auflage des America´s Cup im Sommer 2007 in Europa ausgetragen wird. Mangels eigenen Blauwassers entscheiden sich die Schweizer für das Mittelmeer vor Valencia, wo der Titelverteidiger im "Matchrace", dem Kampf Boot gegen Boot, gegen einen noch zu ermittelnden Herausforderer antreten wird.

Unter die will sich auch ein deutsches Team namens "Fresh 17" mischen. Spielt das Adjektiv auf den Elan an, mit dem das eigens gegründete Syndikat das Vorhaben angeht, so steht die Zahl für die Größe der Crew an Bord der Hightech-Yachten, die dem America´s Cup den Titel "Formel 1 der Meere" eingetragen haben. Der Vergleich ist in mehrerlei Hinsicht berechtigt. Wie die motorisierten Renner sind auch die windbetriebenen so ausschließlich auf maximale Geschwindigkeit hin konstruiert, dass sie für die Verwendung im Alltag gänzlich untauglich sind. Und hier wie dort müssen, um konkurrenzfähig zu sein, gigantische Summen bewegt werden. 100 Millionen Euro hat der Schweizer Industrielle Ernesto Bertarelli in die Alinghi und Spitzensegler wie den Berliner Jochen Schümann investiert, um den America´s Cup in die Alpenrepublik zu holen.

Der Etat von "Fresh 17" nimmt sich dagegen geradezu bescheiden aus: "Nur" 45 Millionen Euro veranschlagt das Team um den Olympiasieger von 1964 Willy Kuhweide, um vor Valencia antreten zu können. Gewinnen lässt sich damit kein Blumentopf, doch soll die erste Teilnahme dazu dienen, Erfahrungen zu sammeln und deutsche Nachwuchssegler an die Weltspitze heranzuführen. Der Angriff auf den Cup soll erst bei der 33. Auflage erfolgen.

Die Resonanz auf das Vorhaben, mit dem der Deutsche Challenger Yacht Club (DCYC) im Sommer an die Öffentlichkeit ging, ist gewaltig. Mehr als 120 Segler, Ausrüster und Helfer haben sich um einen Platz im Team beworben, und selbst eine Werft wurde schon benannt, die das noch zu konstruierende Schiff bauen soll. Ob das allerdings jemals Wasser unter den Kiel bekommen wird, ist fraglicher denn je, seit der DCYC den Anmeldeschluss im Dezember verstreichen lassen musste, weil, so die Begründung, die Sponsorenakquisition nicht weit genug gediehen sei.

Wirklich überraschen kann diese Meldung nicht, denn schon zwei frühere Versuche, für den America´s Cup zu melden, scheiterten am Geld: In den frühen achtziger Jahren erschien der deutschen Wirtschaft der Austragungsort Australien wenig attraktiv, und Ende der Neunziger der Industrielle Michael Illbruck auf einem halb fertigen Rumpf sitzen, obwohl er als erster Deutscher das prestigeträchtige Volvo Ocean Race gewonnen hatte.

2007 findet der America´s Cup nun zwar nicht vor der Haustür, so doch in derselben Zeitzone statt, und in Erwartung guter Quoten haben sich ARD und ZDF die Übertragungsrechte gesichert. Die Fernsehpräsenz zur besten Sendezeit stimmt den DCYC zuversichtlich, bis Ende April genügend Geld zusammen zu haben. Dann endet die Nachmeldefrist für Valencia. Der Etat jedoch ist schon jetzt um mindestens 200.000 Euro überschritten. So hoch ist die Säumnisgebühr, die der Veranstalter für Nachzügler erhebt.


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