Ende gut, alles gut? Wie man´s nimmt. Denn fertig war der Admiralspalast am letzten Wochenende wahrlich nicht. Und die Inszenierung, mit der er nach neun Jahren feierlich wiedereröffnet wurde, ist es auch nicht. Der Unterschied: Beim Gebäude war das geplant, bei der Inszenierung hat es System.
Der Admiralspalast an der Berliner Friedrichstraße hat eine bewegte Geschichte. Die schien nach der Wende an ein Ende gekommen, weil mehrere Nutzungs- und Finanzierungskonzepte scheiterten. Mit dem Leerstand kam der Verfall, und als ein Abriss bereits im Raume stand, investierte eine GmbH um den Veranstalter Falk Walter viel Geld und Mut, um am historischen Ort einen Vergnügungstempel mit Club, Café, Restaurants, Thermalbad und Berlins größtem Theater zu etablieren. Und nur das sollte zur Premiere fertig sein.
Denn der Schauspieler Klaus Maria Brandauer wollte zu Brechts 50. Todestag die Dreigroschenoper inszenieren. Die Finanzierung stand, und im erneuerten Admiralspalast fand er die adäquate Bühne - laut Papierform ein ideales Gespann, weil, wie der Kritiker Herbert Ihering anlässlich der Uraufführung 1928 schrieb, das Stück den Anspruch verwirklicht, die Unterhaltung aus der Sphäre der Seichtheit zu befreien. Und das haben sich auch die neuen Inhaber des Hauses vorgenommen.
Das Ideal rückte jedoch in weite Ferne, als sich die Bauarbeiten so massiv verzögerten, dass die Premiere zu kippen drohte. Um das Schlimmste (auch für sie selbst) zu verhindern, legten die Handwerker wochenlang Sonderschichten ein. Unterbrochen wurden sie nur von den Proben, die wiederum unter den Bauarbeiten litten. Um die Früchte seiner Arbeit fürchtend, drohte der Produzent der Aufführung, Lukas Leuenberger, Falk Walter mit einer Klage auf Schadensersatz. Das hieße jedoch, den Falschen zu hängen. Schließlich wäre es ein Leichtes gewesen, die Proben in ein anderes Theater zu verlegen. Mit den Bauarbeiten wäre das schwierig gewesen.
Deren Ausführung beweist überdies, dass sich auch unter widrigsten Bedingungen handwerklich sauber arbeiten lässt: Mit seiner sachlichen Eleganz, die das Gefällige ebenso vermeidet wie das Elitäre, wird schon der unfertige Admiralspalast der Dreigroschenoper ungleich mehr gerecht als die Inszenierung. Woran die krankt, zeigt schon der Beginn: Vier Vorhänge - der Eiserne, ein roter Samtvorhang und zwei halbhohe "Brecht-Gardinen" - müssen sich öffnen, um die Bühne freizugeben. Solcherart Verschleppung bestimmt den ganzen Abend, der in fast drei Stunden weder Tempo noch Rhythmus findet.
Damit verfehlt er genau das, was für das Verlassen der Sphäre der Seichtheit wesentlich wäre: Mehr als auf Inhalte ist das nämlich auf Formen angewiesen, die mit den theatralischen Konventionen brechen. Brandauer jedoch erweist sich als deren glühender Anhänger, und als Beleg genügen die einführenden Titel zu jeder Szene, die er mit effekthaschender Dramatik vom Band spricht. Die gleiche Handschrift tragen auch die Szenen selbst, die mit Zeitkolorit in Bühne und Kostüm, vor allem aber im Spiel der Darsteller den Anspruch der Dreigroschenoper konterkarieren: Statt die Sprache zu forcieren, wird sie verschleppt, statt Gesten gezielt zu setzen, werden sie verwischt, und wo der Text die Wertung der Handlung bewusst vermeidet, reicht Brandauer sie durch Einfälle wie prügelnde Polizisten oder Handys nach.
Das Missverständnis reicht bis in die Musik von Kurt Weill, gespielt vom Filmorchester Babelsberg, der durch fehlende Phrasierung und fragwürdige Instrumentierung jegliche Sperrigkeit abgeht. Ein Übriges tut die Besetzung, die von Stars durchsetzt - und in einem Falle schlicht falsch ist. Campino ist Sänger der Punkband Die Toten Hosen, und so kann kaum verwundern, dass er der Rolle des Mackie Messers spielerisch nicht gewachsen ist. Erstaunlich aber ist, dass er auch gesanglich scheitert. Denn statt stimmlich einen Hauch des Punks zu bewahren, versucht er sich im viel zu akkuraten Dreiteiler als Heldentenor. Die Flucht in die Konvention mag der Unsicherheit geschuldet sein - der Vorwurf ergeht an den Regisseur.
Dies gilt umso mehr, als er zwei Darstellerinnen im Ensemble hat, deren Spiel der Regie den richtigen Weg weisen. Katrin Sass und, mehr noch, Birgit Minichmayr als Mutter und Tochter Peachum bringen jenes Tempo, jene Härte und Nüchternheit ins Spiel, die dem Abend als Ganzem fehlen. Zum einzigen Höhepunkt wird so das Lied von der Seeräuberjenny. Den Racheschwur einer Dienstmagd singt Minichmayr mit großer Kälte und kieksender Stimme. Im landläufigen Sinne schön ist das sicher nicht. Doch nur der verstörende Vortrag macht klar, dass die Befreiung der Unterhaltung aus der Sphäre des Seichten auch ein politisches Unterfangen ist.
Dass die Inszenierung diese Hürde glatt unterläuft, macht sie auf Umwegen selbst zu einem Politikum. Wirtschaftlich wird ihr das eher nutzen als schaden: 39 Vorstellungen, fast 1.800 Plätze und Preise zwischen gut 20 und knapp 100 Euro verlangen wohl eher nach einem Event als nach ernsthaftem Theater.
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