Imagepflege

Kulturstiftungsunsinn Die Deutsche Bank macht Theater und Theater dicht

"Ich glaube an die Deutsche Bank, denn die zahlt aus in bar", bekannte Marius Müller-Westernhagen 1978 in seinem ersten Hit Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz. Heute hat dieses Glaubensbekenntnis ein "Geschmäckle", weil ehemalige und amtierende Manager der Deutschen Bank allzu bereitwillig Geld ausgezahlt haben - zwar nicht in bar, aber von einer Tasche in die andere und in Summen, die die Staatsanwaltschaft aufschreckten.

Einem solchen eher eigennützigen Geschäftsgebaren steht eine Verwendung des anvertrauten Geldes gegenüber, die das Sigel der Gemeinnützigkeit trägt. Und das aus gutem Grund, denn die kulturelle Vielfalt in der Bundesrepublik wäre ohne das finanzielle Engagement zahlreicher großer und kleiner Firmen schlicht undenkbar.

An deren Tropf hängen auch Institutionen, die auf fremdes Geld eigentlich nicht angewiesen sein dürften, so auch die subventionierten Theater. In fast allen großen Häusern tragen so genannte "Freundeskreise" zum Etat bei, deren zumeist einflussreiche Mitglieder dezent Fäden in die Wirtschaft spinnen.

Bleiben die Geldgeber hier zumeist ungenannt, treten sie bei frei finanzierten Projekten offen als Sponsoren auf. Und auch auf diesem Feld nimmt die Deutsche Bank eine Spitzenstellung ein. Über eine Stiftung stellt sie jährlich 70 Millionen Euro für die Kulturförderung zur Verfügung. Gemessen an der Bilanzsumme des größten deutschen Kreditinstituts, mögen das die berühmten peanuts sein, die sich zudem steuermindernd und imagefördernd auswirken.

Zu den geförderten Projekten gehören mitunter auch Veranstaltungen, die dem Firmenzweck zu widersprechen scheinen. Eine solche wurde am letzten Wochenende in Berlin vorgestellt. Pünktlich zu Bertolt Brechts 50. Todestag im August dieses Jahres wird im dann frisch renovierten Admiralspalast die Dreigroschenoper in der Regie von Klaus Maria Brandauer Premiere haben. Als Darsteller des Diebes, Mörders und Brandstifters Mackie Messer wurde Campino verpflichtet, im Hauptberuf Sänger der Punk-Band Die Toten Hosen. Zu Gehör bringen wird er dabei auch Brechts berühmte Frage, was der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank sei.

Diese Frage wird derzeit auch die Berliner Familie Wölffer bewegen, die in mittlerweile dritter Generation die Bühnen am Kurfürstendamm betreibt. Vor 80 Jahren von Max Reinhardt unmittelbar an der Flaniermeile erbaut, vereinigt das Gebäude zwei Spielstätten unter einem Dach, das seit Anfang der Siebzigerjahre auch eine Einkaufspassage beherbergt. Eigentümerin des Kudamm-Karrees ist die Immobilienfirma Real Estate, eine Tochter der Deutschen Bank, die nun den gesamten Komplex umbauen will und den Wölffers zum Jahresende gekündigt hat. Zwar ist in den Bauplänen auch ein Theater vorgesehen, die 1-A-Lage direkt am Boulevard ist jedoch dem Kommerz vorbehalten. Die Muse soll sich fortan ins zweite Obergeschoss eines Neubaus zurückziehen. Von der mehrjährigen Bauzeit ganz abgesehen - für ein Theater, das vor allem von Laufkundschaft lebt, wäre diese Verbannung wohl das Aus.

Ihre Rechnung hat die Real Estate jedoch ohne den Wirt gemacht - die Berliner Bevölkerung. Der Aufschrei der Empörung war so gewaltig, wie es bei mancher Firmenschließung der letzten Zeit wünschenswert gewesen wäre: Von der Presse unterstützt, wurden bislang 20.000 Unterschriften für den Erhalt des traditionsreichen Hauses gesammelt. Zu den Unterzeichnern gehört auch Klaus Wowereit, der in seiner Eigenschaft als Regierender Bürgermeister zudem einen Brief an den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, schrieb. In seiner Antwort zeigte sich der Konzernlenker gesprächsbereit. Und anlässlich der Pressekonferenz zur Dreigroschenoper trafen sich beide Seiten in, so die offizielle Verlautbarung, "sehr konstruktiver Atmosphäre".

Dazu beigetragen haben mag, dass am Tisch kein Vertreter der Real Estate saß, sondern der Vorsitzende der Kulturstiftung der Deutschen Bank. Die scheint derzeit über jede Gelegenheit froh, ihren Ruf vom "Geschmäckle" zu befreien. Wenn dabei für die Muse der Platz am Boulevard herausspringt - umso besser. Und ein Weg, den Imagegewinn steuermindernd geltend zu machen, wird sich schon finden.


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