Es ist – ein Franke

Porträt Markus Söder hat sich schon mal als Edmund Stoiber maskiert und soll 2018 Bayerns Ministerpräsident werden
Ausgabe 49/2017

Wenn es der Zufall und die Perspektive der Kamera wollen, hat Markus Söder einen beunruhigenden Ausdruck im Gesicht. Mit den dichten, hochgezogenen Augenbrauen, den funkelnden Augen und dem leicht sardonischen Zug um den Mund erscheint der 1,94-Meter-Mann dann wahrhaft als Verkörperung der Eigenschaften, die ihm seine politischen Gegner zuschreiben. Er sei ein Machtmensch, dessen politischer Hauptinhalt in der eigenen Karriere bestehe. Andere meinen, man könne mit Söder auch schon mal in die Kneipe gehen und sich auf ihn verlassen. Unbestritten von allen ist sein politisches Talent.

Seit dem vergangenen Montag ist der 50-jährige Franke am Ziel. Die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag sprach sich einstimmig für ihn als künftigen Ministerpräsidenten aus. Zuvor hatte Amtsinhaber und Parteichef Horst Seehofer angekündigt, er werde im Frühjahr 2018 den Weg frei machen. Was aussteht, ist das Votum des CSU-Parteitages Mitte Dezember. Besiegelt wurde die neue Doppelspitze in der CSU-Zentrale in München. Gleich zweimal drückte Söder, mit lila Krawatte, Seehofer, mit weiß-roter Krawatte, die Hand. Ob der Pakt zwischen den beiden langjährigen erbitterten Rivalen wirklich hält, wird sich im Herbst 2018 bei der Landtagswahl zeigen.

Der 1967 geborene Nürnberger Söder kommt aus einem evangelischen Elternhaus, die Eltern betrieben ein Baugeschäft. Als 16-jähriger Gymnasiast trat er in die Junge Union ein. Statt wie bei anderen Jungs die Rockbands hing über seinem Bett im Dachgeschosszimmer ein Poster von Franz Josef Strauß. Ein ehemaliger Lehrer beschreibt den Schüler als jemanden, der seine Einsen vor allem dann genossen hätte, wenn die anderen nicht mehr als eine Drei erreichten.

Der verheiratete vierfache Vater Söder, der nach einem Studium der Rechtswissenschaft in Erlangen kurze Zeit beim Bayerischen Rundfunk (BR) als Redakteur arbeitete, weiß um die Macht der Öffentlichkeit. Mehr als 80.000 Kilometer legt er pro Jahr im Rahmen seiner politischen Ämter zurück, absolviert 400 öffentliche Termine, zapft Bierfässer an und schüttelt Hände.

Legendär sind seine Auftritte beim Fasching im fränkischen Veitshöchheim, der vom Fernsehen übertragen wird. 2012 verkleidete er sich als Punker mit Irokesenfrisur, was darauf hindeutete, dass er gerne als junger Rebell das CSU-Establishment aufmischen würde. Aber wie sind dann seine anderen Kostüme zu interpretieren? 2013 kam er als „Dragqueen“, ein Jahr später als die grüne Fantasiefigur Shrek, 2015 als Mahatma Gandhi, 2016 gar als Edmund Stoiber, was von einem gewissen fränkischen Humor zeugte – oder von seinem Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt. „Es ist halt immer wieder so, dass manche sich beim Fasching eine Traumwelt aufbauen“, kommentierte Seehofer damals. Dieses Jahr sah man das Ehepaar Söder in Veitshöchheim als Homer und Marge Simpson, das Paar aus der gleichnamigen Zeichentrickserie.

Politisch gibt es zwischen Söder und Seehofer keine wirklichen Unterschiede. Ersterer ist seit 2011 Landesfinanzminister, fiel in der Euro-Krise aus lautstarker, aber wenig sachkundiger Kritiker Griechenlands auf und wird ansonsten vor allem mit dem umstrittenen Verkauf staatseigener Wohnungen in Zusammenhang gebracht. So verhökerte die Bayerische Landesbank 2013 knapp 32.000 Wohnungen der Gemeinnützigen Bayerischen Wohnungsgesellschaft GBW an ein Bieterkonsortium unter Führung des Augsburger Immobilienunternehmens Patrizia. Das Konsortium hatte unter Aufsicht des Finanzministeriums für einen Kaufpreis von knapp 2,5 Milliarden Euro den Zuschlag bekommen. Hintergrund waren EU-Auflagen, die Landesbank müsse nach ihrer Beinahe-Pleite schrumpfen. Die Geschäftsbereiche, die nicht zu den Kernaufgaben einer Bank gehören, sollten verkauft werden, darunter eben die GBW-Wohnungen. Kritiker bemängelten, der Staat hätte die Wohnungen selbst übernehmen müssen, um so die Mieter zu schützen. Söder hatte daraufhin noch versprochen: „Die GBW bleibt bayerisch.“ Doch drei Jahre später berichtete der BR, bei dem Käufer handele es sich um ein komplexes, überwiegend in Luxemburg und den Niederlanden angesiedeltes Firmenkonstrukt, das auf Steuerersparnis und Anonymität ausgerichtet sei. Für die Mieter war der Verkauf oft nachteilig, die Mieten sind für viele inzwischen gestiegen. Immer wieder stehen die Wohnungen zum Verkauf, würden notwendige Renovierungen verzögert. Die Opposition attackierte Söder, der SPD-Politiker Florian Pronold sprach vom „größten Wohnungsskandal Bayerns“.

Das andere politische Standbein Söders ist die Heimat – der Franke ist seit 2013 auch „Heimatminister“ und damit Hausherr des bayerischen Heimatministeriums mit Dienstsitz in Nürnberg. Dort ist Söder aufgewachsen, sein persönlicher Heimatbegriff ist der von „Glockenläuten, Bratwurstduft, Lebkuchen“. Das Ministerium selbst hat übrigens wenig mit Lederhosen oder Schuhplatteln zu tun, dafür viel mit „Landesentwicklung und Breitbandausbau“; auch der letzte Einödhof soll noch ans Internet angeschlossen werden.

Vor seinen Ämtern als Finanz- und Heimatminister hat der Franke andere Ministerien durchlaufen, 2007 wurde er als Staatsminister für Bundes- und Europa-Angelegenheiten vereidigt, 2008 als Staatsminister für Umwelt und Gesundheit. Er war Generalsekretär der CSU, ist Träger des Bayerischen Verdienstordens – überreicht von Ministerpräsident Horst Seehofer – und wurde vom Bund der Steuerzahler in Bayern mit dem Sparlöwen ausgezeichnet.

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