An Dissidenten fehlt es nicht

Frankreich Der Hinweis, Frankreichs Parti Socialiste (PS) sei in einer schlechten Verfassung, ist eine Beschönigung. Nach drei verlorenen Präsidentenwahlen ist die Lage desolat

Der Parti Socialiste (PS) darf sich freuen, derzeit mindestens fünf Fraktionen in seinen stolzen Reihen zu wissen. Es handelt sich um Gruppierungen, die man in Frankreich gewöhnlich „Familien“ nennt, so dass einige Beobachter für die Partei schon die Auflösung prophezeien. Andere – wie der ehrgeizige Karrierist Manuel Valls – empfehlen ihr eine Namensänderung. Wer sind die Dissidenten? Jean-Luc Mélenchon zum Beispiel, der sich vom PS verabschiedet und den Parti de Gauche (Linkspartei) gegründet hat. Eine Gliederung, die sich programmatisch an die deutsche Linkspartei anlehnt.

Offizier ohne Soldaten

Dann gibt es den Europaabgeordneten Vincent Peillon, ein Anhänger von Ex-Präsidenten-Bewerberin Ségolène Royal, die nach dem letzten Parteitag die Strömung Espoir à gauche („Linke Hoffnung“) gründete. Die Fraktion weiß aber bestenfalls ein Drittel der Parteimitglieder hinter sich. Peillon trat vor einer Woche auf dem Sommertreffen der Grünen und plädierte dafür, bei den anstehenden Regionalwahlen eine Wahlallianz einzugehen. Sie sollte von den Grünen, den Mouvement Démocrate (MoDem) über den liberalen Zentristen François Bayrou und den liberalen Parti Radical de Gauche bis hin zum dissidenten Komunisten Robert Hue reichen.

Die Parteilinke wiederum verammelt sich um die Nachwuchspolitiker Arnaud Montebourg und Benoît Hamon von der Fraktion Neue Sozialistische Partei (NPS) sowie um den ehemaligen Premierminister Laurent Fabius. Die Erste Sekretärin der Partei, Martine Aubry, erscheint in diesem komplexen Gefüge manchmal wie ein Offizier ohne Soldaten. Am Rande kochen auch noch die Familienoberhäupter Dominique Strauss-Kahn, momentan beim Weltwährungsfonds (IWF) geparkt, und der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë ihre eignen Suppen.

Streit um Wahlmodus

Wie energisch die Flügelkämpfe geführt werden, zeigt der Streit, der innerhalb des PS über die Frage ausgebrochen ist, wie der linke Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2012 gefunden werden soll. Bislang wählten die Parteimitglieder den Kandidaten in einer Urabstimmung. Das mündet unter den gegebenen Umständen absehbar in eine Patt-Situation, weil mindestens fünf Familienoberhäupter ihre Ansprüche anmelden werden. Diskutiert wird unter dem Druck der Bildung eines linken Wahlbündnisses der Vorschlag, nicht nur die rund 200.000 Parteimitglieder, sondern „alle Leute von links“ (Laurent Fabius) bestimmen zu lassen, wer die Präsidentschaftskandidatur der Linken übernehmen soll.

Fabius war lange Zeit ein strikter Gegner eines solchen Verfahrens, womit die Partei ihre Ohnmacht und Zerstrittenheit eingestehe, was allemal ein Armutszeugnis sei. Martine Aubry, die eine Debatte über das Wahlverfahren verhindern wollte, konnte sie nicht verhindern, denn schon drohten prominente Mitglieder wie Montebourg mit ihrem Parteiaustritt. Einmal mehr ist also die Parteiführung die von den Familienhäuptlingen Getriebene. An diesem Wochenende nun treffen sich die Sozialisten zu ihrer traditionellen Sommeruniversität in La Rochelle, um diese und andere Streitfragen zum Kurs der Partei zu entscheiden. Schwarze Wolken hängen über der Veranstaltung.

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