Der Maler verlässt das Atelier

Ausstellung 1967 beschloss Eugen Schönebeck mit dem Malen aufzuhören, dann geriet er in Vergessenheit. Die Frankfurter Schirn widmet ihm nun eine Retrospektive

Der 1936 in der Nähe von Dresden geborene, heute in Berlin lebende Maler Eugen Schönebeck saß zeitlebens zwischen allen Stühlen. Darüber geriet er in Vergessenheit. In kunstgeschichtlichen Nachschlagewerken fehlt er ebenso wie in den Lexika. Nur 1973 und 1992 wurden seine Werke in Einzelausstellungen ausgestellt, obwohl mittlerweile jedes angesehene Museum in Deutschland stolz darauf ist, eines der raren Werke Schönebecks zu besitzen.

Die Seltenheit der Werke hat einen Grund: 1967 beschloss der damals 31-Jährige aus politischen Gründen mit dem Malen aufzuhören. Es ist also ein Verdienst der Schirn in Frankfurt/Main, dem Maler eine Retrospektive zu widmen, in der alle 35 bekannten Bilder und etwa gleich viele Zeichnungen ausgestellt werden.

Als Knabe erlebte Schönebeck das Kriegsende mit Bombardierungen, Flüchtlingsströmen und Besatzungsregime bereits bewusst; er hat diese Erfahrungen später künstlerisch verarbeitet. Er machte zunächst eine Lehre als Dekorationsmaler und absolvierte bei der „Deutschen Werbe und Anzeigegesellschaft“ (DEWAG) in Dresden ein Praktikum, in dem er die Gestaltung von propagandistischen Plakatwänden für das SED-Regime lernte, aber seiner antistalinistischen Überzeugung treu blieb. Bereits 1955 übersiedelte er nach West-Berlin und studierte bis 1961 an der Hochschule für Bildende Kunst.

Schönebecks Frühwerk ist beeinflusst von Wols und dem Tachismus, aber auch von der École de Paris und Jean Fautrier, dessen Bilder er auf der Documenta 2 kennenlernte. Seit 1957 war Schönebeck mit Baselitz freundschaftlich verbunden. Zu ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung verfassten die beiden im November 1961 ein Manifest (Pandämonium I), gefolgt von Pandämonium II im Januar 1962. Mit anarchistischem Unterton wandten sich beide gegen die abstrakte Malerei und plädierten für die figurative.

Das Entscheidende für Schönebeck ist jedoch „das Sehenlernen der politischen Symbole als Kunst.“ Das geschieht nach der Trennung von Baselitz 1962 in Schönebecks Arbeiten auf zwei Arten – einer implizit und einer explizit politischen Wende. Implizit vollzieht Schönebeck diesen Lernvorgang, nachdem er 1962 in Mannheim Francis Bacons Jahrhundertwerk Three Studies for Figures at the Base of a Crucifixion (1944) gesehen hatte. In diesem Triptychon werden Terror, Krieg und Gewalt des 20. Jahrhunderts mit zu Fleischklumpen deformierten Tiermenschen nachgebildet. Schönbeck antwortet darauf mit dem Gemälde Gefolterter Mann sowie vier Kreuzigungsbildern, die ebenfalls apokalyptische „Wundenmalerei“ (Schönebeck) darstellen. Den Gefolterten und Gekreuzigten fehlen Glieder, die Gesichter sind fratzenhaft verzerrt, die Körper Fleischhaufen.

Mit großformatigen Porträts von Mao, Trotzki, Pasternak, Majakowski und dem mexikanischen Wandmaler David Alfaro Siqueiros sieht Schönebeck politische Symbole denn explizit als Kunst. Diese „neue Art sozialistisch-realistischer Malerei“ jenseits von Parteiaufträgen, so Kuratorin Pamela Kort, ist frei von Sentimentalität und Propaganda; sie nimmt Varianten der Pop-Art nicht nur vorweg, sondern überbietet sie spielend. Die Bleistift-Zeichnungen als Vorstudien zu den Bildern sind handwerkliche Kleinode. Schönebeck erkannte die politische Aussichtslosigkeit seiner Kunst, die im Westen verpönt und im Osten tabu war.

Eugen Schönebeck 19571967 Kunsthalle Schirn, Frankfurt/M., Bis 15. Mai, Katalog 34,90

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