Die US-Justiz will zuschlagen

USA/Schweiz Nach dem „Fall Wegelin“ wollen sich die amerikanischen Behörden nun große eidgenössische Geldhäuser vorknöpfen. Ihr Vorwurf – gezielte Beihilfe zum Steuerbetrug

Schweizer Historiker werden dereinst die Geschichte in die „Zeit vor Wegelin“ und die „nach Wegelin“ einteilen. Derartiges bezieht sich nicht auf 1741 – das Gründungsjahr der ältesten Privatbank in der Schweiz, die damit gut 100 Jahre älter ist als der 1848 ausgerufene demokratische Bundesstaat. Die „Zeit nach Wegelin“ beginnt vielmehr mit dem juristischen Vergleich, wie er Anfang Januar in New York geschlossen wurde. Die Bank Wegelin hat eingestanden, durch die Betreuung amerikanischer Steuerpflichtiger US-Recht verletzt zu haben.

Das Institut muss nun, sobald dieser Vergleich durch einen Richter bestätigt ist, innerhalb von drei Tagen 74 Millionen Dollar Strafe und Kompensation für entgangene Steuereinnahmen zahlen. Wegelin wird da nach 241 Geschäftsjahren nur der Verkauf bleiben, um eine Pleite zu vermeiden.

Als Kronzeuge gedacht

Das war – nach der Rekordstrafe für die Großbank UBS von 780 Millionen Dollar vor drei Jahren – ein weiterer herber Schlag für das Geschäftsmodell Steuerbetrug, das Schweizer Geldhäuser mit Rückendeckung durch die Politik seit Jahrzehnten betreiben.

Der "Fall Wegelin" könnte nun weiteren elf Verfahren gegen Schweizer Finanzinstitute in den USA Vorschub leisten. Beobachter vermuten, dass die relativ geringe Strafe für Wegelin – bei einer Delikt-Summe von 1,2 Milliarden Dollar – damit zusammenhängt, dass die US-Justiz für die weiteren Verfahren einen Kronzeugen braucht, um die Machenschaften der helvetischen Banker gerichtsfest zu machen. Der Staatsanwalt, der den Deal mit Wegelin einfädelte, sprach im Blick auf die Geständnisse von einem „Wendepunkt“, um amerikanische Steuerbetrüger und deren Banken zur Verantwortung zu ziehen. Zu den nun Angeklagten gehören auch die staatlichen Kantonalbanken in Zürich und Basel, die sicherheitshalber schon einmal die Reserven erhöhten, um gerüstet zu sein, wenn die US-Justiz zeigt, dass sie kein Papiertiger ist.

Französische Kriegserklärung

Will die Bundesregierung in Bern ihren Dauerstreit mit den amerikanischen Behörden beilegen, wird das nur bei einem Verzicht auf das Bankgeheimnis und durch das Zugeständnis möglich sein, künftig Klardaten auszutauschen. Schon beim Wegelin-Deal musste die Schweizer Seite versprechen, keine Bankdaten zu vernichten und vorhandene Datenbestände US-Steuerfahndern zu übergeben, sobald das rechtlich möglich ist. Daran arbeiten Politik und Justiz in den USA mit Hochdruck. Sollten sie durch zähe Verhandlungen nicht erreichen, was sie anstreben, dürfte ein Entzug der Bankenlizenz unausweichlich sein.

Mit Sicherheit hat der „Fall Wegelin“ Konsequenzen für das Verhältnis der Schweiz zur EU und den EU-Staaten. Das Steuerabkommen mit Deutschland ist zwar vorerst gescheitert. Sollte jedoch erneut verhandelt werden, dürfte sich die deutsche Seite nicht mehr mit wachsweichen Bestimmungen begnügen, die Steuerbetrüger im alten Abkommen mit einem blauen Auge und dem Schutz ihrer Anonymität davonkommen ließen. Berlin wird sich dann an den US-Standards orientieren. Der letzte Akt – die Beerdigung des Geschäftsmodells Steuerbetrug im Windschatten des Bankengeheimnisses – ist absehbar.

Der Wind weht der Schweiz auch aus anderer Richtung ins Gesicht. Frankreich wehrt sich jetzt gegen die Bevorzugung reicher Franzosen, die ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen, um Steuern zu sparen. Etwa 2.000 Franzosen genießen dort den Status von Pauschalbesteuerten. Das heißt, sie versteuern nicht ihre tatsächlichen Einkommen und Vermögen, sondern bezahlen das Fünf- bis Siebenfache des Mietwerts ihrer Villen oder wenigstens 400.000 Franken. Die grenznahen Kantone Genf und Waadt kassieren nach diesem archaischen System 160 bis 170 Millionen Franken pro Jahr und beklagen sich nun über eine „französische Kriegserklärung“.

Rudolf Walther schrieb jüngst über den Streit in Frankreichs Ex-Regierungspartei UMP

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